Mit Streik Kunden gewinnen

Sicherheitspersonal, Lockführer, Müllmänner, Lehrer in Berlin, Lagerarbeiter bei Kaufland, Einzelhandelsmitarbeiter bei Karstadt, Real oder H&M, Metaller. Der Arbeitskampf als Machtmittel zur Durchsetzung der eigenen Interessen ist wieder hoch im Kurs. Letztendlich wird nur einer bestraft – der Kunde. Im Streik wird aber beim Unternehmen die Perspektive des Kunden sträflich vernachlässig.
Portrait reihe mit gelben Hintergrund für den Geschäftsführer der Werbeagentur IFAM

In der arbeitsteiligen Gesellschaft kann jeder jeden durch Nicht-Arbeit lahmlegen. Streik ist ein systemisch-kybernetischer Vorgang. Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte, sagt der Volksmund. Beim Streik ist das anders, denn Dritte nicht Involvierte müssen mächtig unter den Folgen leiden.

Customer Centricity auch im Streikfall

Selten sind Unternehmen im Streik in Bezug auf den Kunden gut vorbereitet. Erst recht nicht, wenn sie in der Wertschöpfungskette in der Streikkonsequenz betroffen sind aber selber nicht bestreikt werden. Über zwei Arten von Kundenkonzepten ist dabei der Kunde zu gewinnen: (1) Risikokonzept: Das ist ein kommunikatives Konzept, das sich bereits im Vorfeld mit der Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Streikschadens befasst. Risikokommunikation befasst sich also mit der Prävention, sowie der Planung des Prozesses im Streik. (2) Streikkonzept: Das sind kommunikativen Konzepte und Maßnahmen, die sich auf ein konkretes Streikereignis beziehen.

Gewerkschaften bekommen es gut hin, Informationszettel, Plakate, Transparente und TV-Auftritte vor Ort wirkungsvoll einzusetzen. Unternehmen sind zu häufig nur mit einem Sprecher präsent. Wenn Kunden zum Streik befragt werden, so äußern sie zunächst Sympathie mit den Streikenden – und reagieren doch viel schneller verschnupft, als sie es aufgrund von Sozialdruck äußern. Denn letztendlich nehmen sie einen Engpass ihrer Versorgung nicht gerne in Kauf.

Erst der Kunde, dann die Verhandlung

Dabei kann das Unternehmen viel tun, um nicht nur den vorhandenen Kunden zu gewinnen, sondern auch Wettbewerberkunden zu zeigen, dass man in einer solchen Situation souverän an den Kunden denkt:

  • Bedienen Sie den Kunden unbedingt – wenn nötig auch über den Wettbewerb. Eine Fluggesellschaft bucht im Vorfeld selber auf andere Airlines um. Ein Logistikunternehmen nimmt Kontakt auf, verschiebt kundenabgestimmt Termine oder bucht selber bei anderen Anbietern. Ein Stahlfederhersteller beschafft Ersatz aus seinen Werken in Europa. Es geht nicht darum, den Streik zu brechen, sondern Kunden unter allen Umständen vertragsgemäß zu bedienen.
  • Kommunizieren Sie Ihre Anstrengungen für den Kunden an alle Kunden (BtoB) und/oder generell in der Öffentlichkeit.
  • Erklären Sie Ihre Version, warum es bei dem Streik überhaupt geht – und unbedingt, welche Auswirkungen neue Verträge konkret auf Kunden haben werden.
  • Überlassen Sie niemanden Bilder- und Erklärungshoheit. Gehen Sie – auch als Management – vor die Werktore, vor die Kameras – arbeiten Sie mit Handzetteln, Plakaten, Flyern, YouTube-Nachrichten usw. Aber: Nehmen Sie nicht (!) vordergründig Ihre Verhandlungs- sondern die Kundenperspektive ein.

Das Streikkonzept hat die Aufgabe, Customer Centricity fühl- und sichtbar auch dann zu machen, wenn der Kunde von einer Ausnahmesituation betroffen wird. Beim Streik ist also gegenüber dem Kunden nicht resignatives Zurücklehnen angesagt – sondern der kreative Management IQ oberhalb eines Pantoffels.

Über den Autor: Malte W. Wilkes ist Seniorpartner der Management Consultancy Erfolgsketten Management Wilkes Stange GbR in Hamburg, Redner, Moderator, Diskutant, zigfacher Buchautor, Pionierexperte in Customer Centricity sowie Ehrenpräsident des BDU Bundesverband Deutscher Unternehmensberater.