von Oliver Fuhrmann
Das ganzheitliche Modell der Fraunhofer Service Factory-Scorecard integriert bisher isoliert betrachtete kundenbezogene Aktivitäten, Kundenmanagementansätze und Kundenverhalten. Somit schließt es die Lücke zwischen modernstem wissenschaftlichem CRM und den Umsetzungsmöglichkeiten in Unternehmen. Die Scorecard soll spezifisch für jedes Unternehmen konkrete Ansatzpunkte definieren, um das Kundenverständnis zu verbessern.
Mit dem Customer-Management-Scorecard-Modell lässt sich „echtes“ Kundenverhalten viel stärker als bisher als Grundlage für die Analyse und Steuerung nutzen. Die wichtigsten vier Säulen hierfür sind Marktforschung, analytisches Customer Relationship Management, Customer Experience Management und Social Media Monitoring. Für die Steuerung wird das Balanced-Scorecard-Modell von Kaplan und Norton herangezogen (Kaplan, R.S./Norton, D.P., 1996). Die Service-Factory-Scorecard betrachtet das Kundenmanagement auf dieser Basis aus vier unterschiedlichen Perspektiven und setzt die wichtigsten Parameter miteinander in Verbindung.
Zum Beispiel werden aus der „Prozessperspektive“ heraus alle Prozesse des Customer Relationship Managements betrachtet. Dazu zählen unter anderem Anfrage- und Auskunftsprozesse im Customer Care, Customer-Self-Care-Prozesse, Reklamations- und Beschwerdeprozesse, Auftrags- und Rechnungsprozesse, Kundenbindungsprogramme und -kampagnen. Als Kennziffern können ermittelte Zahlen zu Prozessinput und -output herangezogen werden wie die Anzahl der Kundenanliegen, Bearbeitungs-, Liege- und Durchlaufzeiten und daraus abgeleitete Key Performance Indikatoren (KPIs), etwa die Ersterledigungsquote.
In der Perspektive „Lernen und Wachstum“ wird ermittelt, welchen Anteil Kunden durch Integration in den Innovationsprozess an der Wertschöpfung des Unternehmens haben. Diesbezüglich werden durch Kunden initiierte Ideen für Verbesserungen und Neuentwicklungen auf ihren Beitrag zum Unternehmenserfolg hin gemessen. Kunden werden somit wichtiger Teil eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP). Die Finanz-Perspektive stellt die eingesetzten Ressourcen den angestrebten finanziellen Ergebnissen gegenüber. Dazu zählen unter anderem eingesetzte Mitarbeiter im direkten Kundenkontakt und deren Qualifizierung sowie direkte kundenbezogene Aufwendungen wie Kulanz- oder Kampagnenkosten.
Demgegenüber steht der monetäre Wert einer Kundenbeziehung, der häufig durch den Customer Lifetime Value ausgedrückt wird. Innerhalb der Kunden-Perspektive werden die zentralen Einflussgrößen und ihre Ergebnisse aus der Sicht des Kunden messbar gemacht. Durch regelmäßige Befragung von Kunden zur Globalzufriedenheit und zu Teilaspekten von Zufriedenheit, beispielsweise mit der erbrachten Leistung, dem Preis, der Qualität im Kundenservice und der Beschwerdebearbeitung bei Beschwerdeführern. Weitere wichtige Zielgrößen sind Kennziffern zur Kundenbindung und die Weiterempfehlungsquote.
Die Customer-Management-Scorecard bietet dem Management damit eine einzigartige Sicht auf ihre unternehmerischen Aktivitäten – und zwar aus der Perspektive ihrer Kunden. Mit ihrer Hilfe können unterschiedlichste Szenarien simuliert werden, sodass sich unternehmensspezifisch die konkreten Wechselbeziehungen zwischen den einzelnen Zielgrößen beschreiben und mögliche Zielkonflikte aufdecken lassen. Damit bilden sie die Grundlage, um Aktivitäten anhand von Zielvorgaben zu beobachten und zu steuern, zukunftsorientierte Prognosen zu erstellen und kontinuierliche Verbesserungsprozesse in Gang zu setzen.
Derzeit sucht die Service Factory der Fraunhofer SCS Praxispartner aus unterschiedlichen Branchen, die Interesse an einer Implementierung der Customer-Management-Scorecard in ihrem Unternehmen haben. Außerdem wird zum Thema „Dienstleistungen aus Kundenperspektive“ im Jahr 2012 eine branchenübergreifende Fokusgruppe aufgesetzt, in der Praktiker und Wissenschaftler Methoden und Umsetzungsmöglichkeiten in den Themenfeldern „Kundenintegration in der Dienstleistungsentwicklung“, „Customer Insight“, „Customer Centricity“ und „Customer Experience“ diskutieren. Interessierte kontaktieren Research Consultant Oliver Fuhrmann unter oliver.fuhrmann@scs.fraunhofer.de