Klassische Projektplanung hat längst an Stellenwert verloren: Zu umständlich muss vorab jedes Detail berücksichtigt werden. Oft lassen sich Konzepte erst nach wochen- oder monatelanger Vorbereitung umsetzen. Auf veränderte Rahmenbedingungen kann man dann kaum noch eingehen. Kein Wunder also, dass diese Art der Planung zunehmend von agilen Prozessen abgelöst wird. Die starten schnell, sind in sich flexibel und kommen vor allem sehr rasch zu ersten Umsetzungen, die sich in der Praxis bewähren müssen. Was in der IT-Branche inzwischen State of the Art ist, kann auch bei der Markteinführung neuer Produkte helfen. Das Technologieunternehmen quantilope, auf Marktforschungssoftware spezialisiert, setzt dazu auf „Design Sprints“, die agile Methode, mit der Google seine Innovationsprojekte vorantreibt. „Gerade vom Marketing wird eine immer kürzere “time-to-market” erwartet, um konkurrenzfähig zu bleiben und auf immer schneller wechselnde Kundenbedürfnisse agil reagieren zu können,“ sagt Dr. Thomas Fandrich, Marketingwissenschaftler und Mitgründer von quantilope. „Die Kombination aus beidem – Kundenzentriertheit und möglichst kurze Entwicklungszeiten – ist die große Herausforderung. Wir verbinden den raschen Einblick in die Vorstellungswelt der Kunden über unsere quantilope-Tools mit dem Design Sprint Prozess von Google Ventures, um so schnell wie möglich neuen Konzepte zu testen, zu lernen und sich erfolgreich weiterzuentwickeln.“ Das Verfahren dampfe monatelange Feedback-Schleifen und endlose interne Diskussionen zu einem konzentrierten Workshop-Prozess zusammen, der in nur fünf Tagen zu einem testbaren Produktkonzept führt. Fandrich: „So können blitzschnell quantifizierbare Insights gewonnen und datenbasierte Entscheidungen getroffen, die weit vor der Produkteinführung liegen und damit immense Entwicklungskosten für eventuelle Flops vermeiden“. Wie das konkret funktioniert, zeigt ein Beispiel aus der Audiobranche: In nur fünf Tagen geht es von der ersten Produktidee über ein konkretes Konzept bis hin zu datenbasiertem Feedback aus der relevanten Zielgruppe.
Vorbereitung: Team zusammenstellen, „War Room“ klarmachen
„Ein klassischer Design-Sprint fängt mit der Zusammenstellung eines möglichst vielfältigen Teams an, das sich an einem Ort, dem ,War Room’, für fünf Tage einrichtet“, sagt Fandrich. „Wichtig ist die bereichsübergreifende Zusammenstellung des Sprint-Teams aus vier bis acht Hauptentscheidungsträgern. Das kann zum Beispiel ein Mix aus Produktmanagern, Produktentwicklern, Designern, Marketern und Verkäufern sein.“ Bei Bedarf ziehe das Team dann weitere Experten fallweise hinzu. Geht es um sehr innovative Produkte, bietet sich eine Vorabstudie zum Markt an. „In unserem Beispiel hilft der online durchgeführte „Category Association Test“ von quantilope zu verstehen, welche Bedürfnisse und Anlässe Konsumenten mit der Kategorie ,tragbare Musik für unterwegs‘ verbinden,“ erläutert Fandrich die Phase vor dem Start.
Tag 1, Montag: Problem verstehen, Kundenbedürfnisse erkennen
Am ersten Tag geht es um Grundsätzliches. „Wir entwickeln ein gemeinsames Verständnis zu den Herausforderungen, der Zielsetzung und der Business Opportunity – in unserem Fall die Musik für unterwegs“, beschreibt Fandrich die Phase 1. Sie ist geprägt von Input. Kurzvorträge von Experten, sogenannte „Lightening Talks“, erhellen die Rahmenbedingungen. „Der eine spricht beispielsweise über den Business Case, der andere beleuchtet relevante Wettbewerber und ein weiterer berichtet über bereits bestehende Consumer Insights.“ Ohnehin steht der Kunde im Fokus, denn anhand von Customer Journey Maps beschreibt das Team die verschiedenen Kundenprozesse, bei denen ganz konkrete Lebenssituationen von Kunden, die „Personas“, die Verbraucher lebendig werden lassen. Stellt sich heraus, dass noch mehr Einblick in Kundenwelt nötig sind, bieten sich quantilope-Tools wie der „Usage & Attitude Test“ oder der „Need Analyzer“ an. Sie liefern sehr kurzfristig Insights, so Fandrich: „Beide könnten am Morgen des Montags gestartet werden, um über den Tag verteilt 150 Teilnehmer online zu befragen und in Echtzeit zu analysieren. Die Analysen stehen dann am Nachmittag in Live-Dashboards zur Verfügung.“ So erfährt das Sprint Team schnell, dass bei Musik für unterwegs das „gemeinsame Erleben mit Freunden“ und ein „stoß- und spritzwassergeschütztes Gehäuse“ an vorderer Stelle steht.
Der Input des ersten Tags hinterlässt viele Spuren, denn die Teilnehmer sind gehalten, sich möglichst viele Notizen zu machen, die nach dem Prinzip „How Might We“ („Wie könnten wir…“) aufgebaut sind. „Sie greifen die Probleme und Pain Points aus den Vorträgen auf“, sagt Fandrich, „und verwandeln sie in Chancen und Möglichkeiten. Etwa „Wie können wir Lautsprecher mit tiefen Bässen mobil machen?“. Nach den Vorträgen werden diese auf Whiteboards geklebt, nach Ähnlichkeit gruppiert und nach Relevanz bewertet.
Tag 2, Dienstag: Skizzieren, Notieren, Variieren
„Jetzt gilt das Motto: remix and improve“, umschreibt Fandrich, was der zweite Tag mit sich bringt. In der ersten Hälfte suchen die Teamteilnehmer nach bereits bekannten oder verwandten Lösungsansätzen für die erkannten Kundenbedürfnisse. Diese werden dem Sprint-Team als „Lightening Demos“ vorgestellt und dienen als Inspiration für die zweite Tageshälfte. Dann entwickeln die Teilnehmer in einem vierstufigen Prozess konkrete Produktideen. Das sollen möglichst viele sein, dafür sorgt unter anderem Stufe 3, die „Crazy8s“: Ein Papier wird in acht Teile zerteilt, auf jedem soll dann innerhalb einer Minute eine Variante der Grundidee stehen. Der Prozess endet mit einer Lösungsskizze, die die Teilnehmer als dreiteiliges Storyboard anonym in den Ring werfen. Fandrich: „Die visuelle Ausführung ist dabei weniger wichtig als ein ,catchy‘ Titel und die verbale Beschreibung.“
Tag 3, Mittwoch: Erkennen und Entscheiden
Tag 3 ist der Tag der Entscheidung darüber, welche Idee zu einem Konzept weiterentwickelt und getestet wird. Hier bewährt sich einmal mehr, dass die Tools von quantilope auch kurzfristig Customer Insights liefern können. Denn neben dem wichtigen Votum der Sprint Teilnehmer zeigt zum Beispiel der „Idea Screener“, wie die Kunden ticken. „Mit Hilfe impliziter Marktforschung können wir so,“ erläutert Fandrich, „eine große Anzahl von Ideen schnell und spontan bei Konsumenten testen. Dieser Teil lässt sich an einem Tag repräsentativ online untersuchen. So steht am Ende des Tages sowohl die Präferenz der Sprint-Teilnehmer aber vor allem auch die der tatsächlichen Zielgruppe fest“. Aus einer Fülle von Idee kristallisieren sich die vielversprechendsten heraus. Im Falle des mobilen Lautsprechers war es eine Idee, die auf den bekannten Bassrollen beruhte, die sich Tuning-Fans in den Kofferraum ihrer Show-Cars bauen, um Sound der Spitzenklasse zu erzeugen. Für unseren Anwendungsfall eben nur auf ein Zehntel der Größe reduziert und mit robustem Neopren aus dem Wassersport ummantelt.
Tag 4, Donnerstag: Prototyp formen
Aus dem oder den Favoriten vom Vortag formt das Team an Tag vier möglichst realitätsnahe Prototyp-Konzepte – „wir gehen hier nach der ,fake-it‘-Philosophie vor“, sagt Fandrich. Ziel sei es, diese Konzepte im Lauf des Tages für die Testphase bereit zu machen, bei der dann wieder Marktforschungssoftware zum Einsatz kommt. „Die verbalen oder visuellen Konzepte können z.B. mit dem Advanced Concept von quantilope unmittelbar online getestet werden. Wir erheben dabei detailliert, welche Kaufbereitschaft vorhanden ist, wie hoch die Zahlungsbereitschaft wäre, ob es noch Barrieren gibt oder welche Likes und Dislikes in den Köpfen der Konsumenten vorhanden sind, wenn sie den neuen mobilen Lautsprecher betrachten.“
Tag 5, Freitag: Testen aus verschiedenen Blickwinkeln
Im Lauf des Vormittags treffen die ersten Ergebnisse aus dem am Vorabend gestarteten Konzepttest ein – das Dashboard von quantilope wird zum Dreh- und Angelpunkt intensiven Prüfens und Variierens. Die Sprint-Teammitglieder können live verschiedene Konzepte benchmarken und andere Blickwinkel wählen, etwa indem sie bei bestimmten Altersgruppen oder beliebigen weiteren Subzielgruppen genauer hinschauen. Immer verändert sich das Ergebnis sofort live im Dashboard. „So kann nun auf Basis belastbarer Zahlen entschieden werden, ob das finale Konzept erfolgsversprechend ist und weiterverfolgt werden sollte oder eben nicht,“ so Fandrich. Für den mobilen Lautsprecher mit großem Bassvolumen, erhielten wir am Ende sehr positives Feedback und eine Zahlungsbereitschaft von weit mehr als 200 EUR – besonders in der Zielgruppe zwischen 25-35 Jahren und bei Leuten, die regelmäßig Wandern und Surfen gehen.
Fazit: Schnelles und verlässliches Innovationsmanagement
Der Vorteil dieser Kombi aus innovativem Projektmanagementansatz und schnellen, validen Marktforschungs-Tools liege auf der Hand, erläutert Fandrich. „Egal, ob Sie nun zu einem Go oder einem No-Go kommen, der Prozess hat nur fünf Tage gedauert und damit Zeit und Geld gespart. Außerdem ist er keine Bauchentscheidung mehr, sondern datenbasiert. Er liefert konkrete Prototypen oder Konzepte, zu denen Sie bereits quantifiziertes Kundenfeedback ermittelt haben. So verschmelzen agiles Projektmanagement und agile Consumer Insights zu einem unschlagbaren Innovationsmanagement.“