Marketer lassen sich immer noch von Klickzahlen irreführen

Marketer suchen nach verlässlichen Daten darüber, wie viele Personen bestimmte Werbebotschaften gesehen oder gehört haben. Aber: Nur weil eine Markennachricht wahrgenommen wurde, kommt es noch nicht zu einer Markenwirkung. Ein Plädoyer für klare Markenbotschaften.
Cannes zeigt ein Dilemma der Werbebranche: Die ausgezeichneten Kampagnen sind höchst kreativ, führen aber längst nicht immer zu mehr Umsatz. (© Cannes Festival)

Markenwirkung ist die Botschaft, die sich auf das Markenimage und vor allem auf die Markenpräferenz auswirkt. Der ultimative Markenpreis ist nicht eine hohe Anzahl an Views oder Hearings. Der ultimative Lohn ist ein höherer Umsatz. Das Wall Street Journal berichtet beispielsweise, dass Spotify ein neues Tool für seine Podcast-Werbetreibenden erstellt hat. Mit diesem Tool kann ein Werbetreibender wissen, wer, wie viele und wie häufig Personen seine Anzeige gehört haben. Das Hörverhalten des Zuhörers wird vollständig transparent gemacht. Unternehmen sind begeistert. Aber: Das Tool korreliert nicht das Hören mit der tatsächlichen Verbesserung der Markenpräferenz. Eigentlich eine Marketing-Sünde.

Ein weiteres Beispiel kommt aus der „New York Times“. Nutzer riefen auf YouTube und Twitter ein zweiminütiges Renault Clio-Video insgesamt rund zehn Millionen Mal auf. Das Video ist höchst professionell gemacht. Es erinnert an einen Autorenfilm. Den Markennamen lernt der Zuschauer allerdings erst in den letzten Sekunden. Es gibt kaum erkennbare Verbindungen zwischen der Erzählung und dem Produkt. Renault verkauft speziell in den USA, wo der Film signifikant die meisten Klicks bekommen hat, nach dem Werbespot nicht mehr Autos. Das zeigen Erhebungen deutlich.

Markenwert entsteht nicht aus Markensichtbarkeit

Klicks sind kein Synonym für Wirkung und erst recht kein Umsatzgarant. Markenwert entsteht nicht aus Markensichtbarkeit. Dieser Grundsatz galt in der Werbung schon immer, hat sich durch Social Media aber nochmal verstärkt. Der Markenwert ergibt sich aus der Wahrnehmung der Kunden über das gesamte Erlebnis der Marke im Verhältnis zu den Gesamtkosten.

Die Marktforscher von Kantar verglichen Ende 2019 Daten, die sie zu über 200.000 Anzeigen gesammelt hatten. Ihr Fazit: Nur etwa 25 Prozent der im vergangenen Jahr mit einem Löwen beim Werbefestival in Cannes ausgezeichneten Anzeigen erzielten eine tatsächliche Markenwirkung. Das bedeutet, dass die allermeisten Anzeigen keinen wirksamen Markenumsatz generierten. Die in Cannes ausgezeichneten Anzeigen waren unglaublich kreativ. Sie führten jedoch nicht zu Verkäufen. Dies ist nicht nur laut Kantar ein Zeichen für eine nachlassende Werbewirksamkeit.

Budweiser-Spot hoch kreativ, aber ohne Einfluss auf Marke

Werbung, die keine Wirkung hat, ist machtlos. Spitz formuliert: Vermarkter, die sich über die Gesehen-oder-Gehört-Metriken freuen, schaden nicht nur ihren Marken, sondern auch ihrem Unternehmen. Eine Anzeige zu lieben ist nicht dasselbe wie eine Marke zu kaufen. Ein weiteres Beispiel kommt ebenfalls aus den USA: Nach dem Erfolg der Dilly Dilly-Kampagne von Bud Light zeigten die Daten, dass der Umsatz nicht gestiegen war. Dabei gilt die Kampagne als Vorzeigebeispiel, schließlich ist sie kreativ wie beliebt.

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Die Kampagne startete im August 2017 mit dem Film „Bankett“, der im Mittelalter spielt. Aufgrund der großen Beliebtheit folgten weitere Bud Light-Filme unter gleichen Slogan und Thema. Sie wurden teilweise während der Playoffs im American Football und des Super Bowl LII ausgestrahlt. Der Ausspruch „Pit of Misery“ sowie die Charaktere wie der Bud Light King und der Knospenritter waren in den ganzen USA bekannt. Aber die Dilly Dilly-Anzeigen sagten nichts über das Bier aus und trugen nicht dazu bei, die Budweiser-Verkäufe zu steigern. Sie zeigten Kreativität, aber ohne Einfluss auf die Marke.

Hohe Klickzahlen tun dem Ego gut

Ohne eine zusammenhängende, überzeugende, fokussierte Markenbotschaft mit kreativen, aufmerksamkeitsstarken, aufregenden und preisgekrönten Anzeigen werden keine Käufe erzielt.

Diese Erkenntnisse sind nicht neu, aber werden gerade im Zuge des Erfolgs von Social Media häufig außer Acht gelassen. Ohne Frage tun hohe Klickzahlen nämlich dem Ego gut. Vermarkter konzentrieren sich damit aber auf die falschen Messwerte. Metriken sind wichtig. Natürlich wollen wir alles über unsere potenziellen Kunden wissen. Wir möchten ihre Gewohnheiten, ihre Meinungen, Interessen, Einstellungen, ihre Demografie und ihre Wahrnehmung unserer Marken kennen. Diese Art der Werkzeuge werden zwar immer zahlreicher und brauchbarer, sie reichen jedoch nicht aus. Entscheidend sind die Instrumente, die auf den Aufbau von Marken für ein nachhaltiges profitables Wachstum hinweisen.