Wie kann sich der Mittelstand der Markenbewertungsproblematik nähern?
Meffert:
Wir haben es in den mittelständischen Unternehmen meistens nicht mit großen Multi-Marken-Strategien zu tun, sondern hier ist oft der Inhabername mit dem Firmennamen gleich der kommunizierten Marke. Und wenn ein Mittelständler beispielsweise in einer Marktnische mit seiner Firmenmarke erfolgreich arbeitet, dann stellt sich für mich die Frage, kann er ein Preispremium gegenüber seinen Wettbewerbern realisieren? Über diesen Aufschlag kann er durchaus auch seinen Markenwert bestimmen. So gesehen ist Markenbewertung mit einfacheren Verfahren denkbar. Wenn die Marke auch von Mitarbeiterseite ein gutes Image ausstrahlt, dann kann zwar auch hier keine ökonomische Bewertung vorgenommen werden, aber man kann die Markenstärke aus dem Verhalten und der Loyalität der Mitarbeiter, ähnlich wie mit den zufriedenen Kunden, ableiten und messen. Das heißt also, ein Mittelständler braucht einige Indikatoren wie Kundenzufriedenheit, Mitarbeiterloyalität und natürlich auch sein Ansehen in der lokalen Öffentlichkeit, um den Wert seiner Marke grob einschätzen zu können.
Aber eine Markenbewertung wie in der wissenschaftlichen Diskussion oder wie derzeit bei Beratern en vogue ist, bietet sich nicht an?
Meffert:
Wir hatten gerade einen Kongress über die Unternehmung als Marke. Und dort hatten wir herausgestellt, dass Unternehmen immer wieder in bestimmten Abständen ihr Image messen sollten, das heißt das Vertrauenskapital bei unterschiedlichen Zielgruppen, aber auch seine Leistungsfähigkeit, Preis-Leistungs-Verhältnis, Lieferzuverlässigkeit , Kundendienst sowie Servicefähigkeit. Diese Indikatoren müssen von Zeit zu Zeit bei den Kunden abgefragt werden. Damit hätte auch ein Mittelständler ein Marken-Monitoring, bei dem er Stärken und Verbesserungspotenziale erkennt. Das reicht aus unserer Sicht.
Wie kann man eigentlich Image und Marke trennen? Das vermischt sich hier und da in der Diskussion recht stark. Trotzdem sind die beiden Begriffe nicht deckungsgleich.
Meffert:
Die Marke hat zweierlei Perspektiven. Einmal ist die Marke von innen heraus natürlich ein Rechtsgut, also ein geschützter Begriff und damit hat die Marke schon einen Eigentumswert. Auf der anderen Seite gibt es die Outside-In-Betrachtung: Wer kennt diese Marke? Was wissen außenstehende Zielgruppen über die Marke und was haben sie für ein Vorstellungsbild? Und das ist die Bekanntheit und das Image einer Marke.
Welche Chance hat denn überhaupt ein Mittelständler heute, eine Marke aufzubauen? Die großen Unternehmen gehen her und drücken im Zweifel mit großem Kommunikationsaufwand Marken in den Markt, siehe Eon.
Meffert:
Hier ist vor allem kreative und innovative Kommunikation nach dem Motto „Anders als die Anderen“ gefragt. Was KMUs in ihrem Umfeld machen können sind Sponsoringaktivitäten. Oder nehmen Sie den Automobilhändler vor Ort, der kleinere Events macht, wenn ein neues Modell herauskommt. Und natürlich versucht er über Direktkommunikation und Mund-zu-Mund-Empfehlungen das Markenbild und das Vertrauen zu stärken.
Wobei er letztlich sein ganzes Unternehmen darauf trimmen muss.
Meffert:
Das ist entscheidend. Marke wird nicht von außen aufgebaut, sondern von innen gelebt. Das heißt: Für was stehen die Mitarbeiter? Wie verhalten sie sich im Kontakt mit den Kunden? Wie verhalten sie sich im Kontakt mit den Lieferanten? Vertrauen als wichtigstes Kennzeichen starker Marken entsteht eben erst durch kontinuierliches Einlösen von Leistungsversprechen. Wir sagen daher immer: Die Identität und die Führung der Mitarbeiter prägt letztendlich auch das Bild der Marke.
Eine ketzerische Frage zum Schluss: Wird das Thema „Marke“ derzeit überbewertet?
Meffert:
In bestimmten Bereichen ja. Es gibt sicherlich viele Kongresse, die das ganze Thema Markenbewertung hochstilisieren. Aber der Grund, warum wir heute so viel über die Marke reden, ist der, dass wir in einer immer komplexeren Welt vereinfachte Anker suchen. Wir können nicht mehr alles bewerten. Denken Sie an die neuen Medien. Auf der anderen Seite werden für Marken im Zuge von Akquisitionen und Fusionen zum Teil viel Geld gezahlt oder es werden sogar teure Marken vernichtet. Nehmen Sie Mannesmann, nehmen Sie Hoechst. Wertvolle Marken, die es nicht mehr gibt. Das ist der Grund, warum wir uns über Marken und deren Bewertung Gedanken machen müssen.
Auch das Spektrum meiner Forschung zeigt, dass immer mehr unter dem Aspekt der Marke betrachtet wird: Beispiel Politik und Marke. Wie wird die CDU/CSU wahrgenommen? Oder Regionen als Marke. Und Sie haben in Ihrer absatzwirtschaft im Dezember die Stadt als Marke thematisiert. Gerade so eine Stadt ist ein komplexes Gebilde. Hier brauche ich wieder den vereinfachten Anker und komme dann zur Stadt als Marke. Das heißt, das Thema „Marke“ ist nicht zu unrecht ein viel beachtetes!
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Das Gespräch führte Christian Thunig.
eingestellt am 28. März 2002