Marke statt Staat?

Wann auch immer die aktuelle Krise vorbei sein wird. Und unabhängig davon, wie die Krise überwunden wird. Ein Ergebnis steht fest: Unsere Staaten werden in schwindelerregender Höhe verschuldet sein. Das Wort Sparzwang wird uns in der Folge allgegenwärtig begleiten. Wo der sprichwörtliche Gürtel enger geschnallt werden wird, wissen wir noch nicht.

Aber nehmen wir einmal an, dass Kulturförderung zu den Sparopfern zählen wird. Vielleicht auch die Förderung des Breitensports. Und schließlich sogar die Förderung von Erziehungseinrichtungen und sozialen Institutionen. Welche Rolle könnten Marken in dieser neuen Welt einnehmen? Eine größere? Eine andere?

Eine quantitativ umfangreiche Rolle werden Marken wohl einnehmen, wenn sie sich nach der Krise wieder an die positiven Beiträge des Kultur-, Sport- und Sozialsponsorings zum Aufbau und zur Entwicklung von Marken erinnern. Markenerlebnisse lassen sich im Sponsoringumfeld in deutlich höherem Maße positiv emotionalisieren.

Sponsoring kann die gewünschten Zielgruppen zielgenauer erreichen als die meisten anderen Kommunikationsaktivitäten. Exzellentes Sponsoring erhöht nicht nur das Ansehen der Marke. Es macht auch ihre Angebote attraktiver. Erfolgreiches Sponsoring dient nicht nur „irgendwie“ dem Markenaufbau. Erfolgreiches Sponsoring ist Absatzförderung.

Forderungen nach höherer Effektivität und Effizienz werden nach der Krise die Kommunikationswelt sicher noch mehr beherrschen als heute. Dies sollte das Thema Sponsoring beflügeln. Ebenfalls beflügeln müsste das Thema der zu erwartende Anstieg der Nachfrage infolge der Reduktion oder des Ausfalls staatlicher Unterstützung. Not macht bekanntlich erfinderisch. Und Not lässt sicher auch langgehegte Skrupel und liebgewonnene Abneigungen unter Erziehenden und Kulturschaffenden abschmelzen. Vereinzelt vielleicht sogar bei Gutmenschen und Weltverbesserern. Wenn Geld dann erst einmal nicht mehr stinkt, dann lässt sich die Umweltschutzorganisation von Energieunternehmen unterstützen, dann kann die Waffenschmiede die Friedensinitiative fördern, und dann darf der Marktführer der Boulevard-Presse als Sponsor der kulturellen Vielfalt oder der anspruchsvollen Unterhaltung auftreten.

Beide Seiten, Geber und Empfänger von Sponsorengeldern, müssen sich natürlich darum bemühen, dass dies Sinn macht. Sonst wirkt Sponsoring eben nicht wie idealtypisch erwartbar. Eine besondere Aufgabe, auch eine in deren Wahrnehmung wohl vollkommen neue Aufgabe, kommt dabei auf die Empfänger zu. Sie werden erkennen und akzeptieren müssen, dass sie etwas zu verkaufen – was für eine Vorstellung! – haben.

Sie werden ihre Begehrlichkeit nicht einfach erwarten und voraussetzen dürfen: „warum werden uns so wenig Sponsorenmittel angeboten?“. Sie werden lernen müssen, ihren Verkaufserfolg, oder Misserfolg, auch mit der Qualität ihrer Verkaufsanstrengungen zu erklären. Marketing bleibt dann nicht länger ein Schimpfwort. Marke nicht länger ein Fremdwort aus einem fremdländischen Wortschatz.

So könnte sich das Thema Sponsoring in ein Win-Win-Spiel weiterentwickeln, mit rationalen, professionellen und engagierten Akteuren auf beiden Seiten. Ein Bedeutungsgewinn des Sponsoring wäre zu erwarten. Noch immer gemessen in quantitativen Dimensionen.

Könnten Marken zukünftig auch in gänzlich andere Rollen schlüpfen und substantiell und nachhaltig das eingangs skizzierte dem staatlichen Rückzug geschuldete Vakuum füllen? Dazu müsste das Thema Sponsoring wohl zurück in die Zukunft entwickelt werden. Befreit vom Diktat des kalten, technischen Controlling. Mäzenatentum müsste entstaubt, modernisiert und als respektable Haltung wiederbelebt werden. Corporate Social Responsibility müsste so mit Tiefgang und Nachhaltigkeit versehen werden, dass sich Zynismus und Zweifel in Glaubwürdigkeit und Vertrauen verwandeln würden. „Vorbildlich“ müsste „best practise“ als Leitidee ersetzen.

Könnte dies Sinn machen? Für Mitarbeiter, die auch am tieferen Sinn ihrer Tätigkeit interessiert sind, schon. Und für Konsumenten, die ihre Kauflust nicht ständig mit schlechtem Gewissen ausleben wollen, auch. So könnte es dann sogar für Markenmanager Sinn machen. Marke also statt Staat? Schon möglich. Wenn nur der finanzielle Rückzug des Staates nicht mit staatlicher Regelungswut (geschenkte Konzertkarten als Straftatbestand) kompensiert wird. Noch leidet das Sponsoring darunter.

Über den Autor: Prof. Dr. Jürgen Häusler ist ist Chairman von Interbrand Central and Eastern Europe.