Von Vera Hermes
Während des Kurzstreckenflugs überarbeiten Sie die Präsentation. Landung. Schnell die Mails checken. Gleich mal in der Niederlassung anrufen. Im Taxi: Mails beantworten. Im Meeting wird wieder viel dummes Zeug geredet. Gut, dass Sie per iPad einen Blick auf den aktuellen Stand der Finanzkrise werfen können. Das Meeting war überflüssig, den Tag hätten Sie besser im eigenen Büro verbracht. Denn da stapelt sich schließlich die Arbeit. Zurück zum Flughafen. Gleiches Ritual: Smartphone, Laptop. Abends noch mal schnell ins Büro, dann steht eine private Verabredung beim Italiener an. Der Freund schickt drei SMS, weil er etwas später kommt. Macht nichts, Sie bestellen sich schon mal einen Rotwein und gehen die Präsentation noch mal durch.
Der Freund kommt, ein guter alter Kumpel. Sie vertrauen ihm an, dass Sie sich wahnsinnig erschöpft fühlen, ausgebrannt. Ob wohl ein Burnout droht?
Im Jahr 2011 schwappte die Burnout-Welle über Deutschland. Kaum eine gesellschaftliche Debatte wurde so gehypt wie die über das scheinbar massenhaft grassierende Gefühl des „Ausgebranntseins“. Jeder, der etwas auf sich hält, ist sehr, sehr müde, so scheint es. Nun ist völlig unbenommen, dass Menschen mit Burnout in einer beklagenswerten Situation sind. Andererseits möchte man unserer Gesellschaft mitunter zurufen: Ihr seid selbst Schuld!
Wer ständig ein Handy am Ohr, ein Smartphone in der Hand oder ein Laptop auf dem Schoß hat, kommt nicht zur Ruhe. Niemals in der Geschichte seien die Menschen dermaßen außengeleitet gewesen, wie heute, sagt. Psychologie-Professor Dr. Matthias Burisch. Burisch verfasste bereits 1989 das heute als Standardwerk geltende Buch „Das Burnout-Syndrom – Theorie der inneren Erschöpfung“. Er widmet sich heute insbesondere der Burnout-Prophylaxe, dem sogenannten Energy Management. Und rät zum Innehalten. Weil wir uns permanent selbst mit Medien aller Art beschäftigen, kommen wir vor lauter Informationen nicht zum Nachdenken.
Wer aber immer von außen beeinflusst wird, steht über kurz oder lang nicht mehr auf seinen eigenen Beinen, warnt Burisch. Statt Mainstream, Jugendkultur und Trends hinterherzujagen, solle jeder sich ab und an auf das besinnen, was ihn ausmacht.
Matthias Burisch rät, sich immer mal wieder seiner eigenen Identität zu vergewissern und über sich selbst nachzudenken. Wer bin ich eigentlich? Was kann ich gut? Was kann ich richtig schlecht? Worauf reagiere ich aggressiv? Worauf bin ich stolz? Wofür schätzen mich die Menschen? Womit haben die Menschen bei mir Schwierigkeiten?
Wer derlei Fragen für sich beantwortet, stärkt seinen inneren Kern und macht sich damit stabiler gegen äußere Angriffe. Und kann den medialen Standby-Modus vielleicht einfach mal auf Komplett-Aus schalten. Das wäre vielleicht mal ein guter Vorsatz für das neue Jahr!