Künstler als Markenmacher?

Dank Hollywood wissen wir es jetzt: Der Teufel trägt Prada. Da Kleider bekanntlich Leute machen, werden wir den Teufel in Zukunft mit der Marke Prada verbinden. Und Jesus mit Birkenstock? Nun lässt sich noch darüber streiten, ob wir es hier schon mit einer Verbindung von Marken und Kunst zu tun haben.

Aber auch ein kursorischer Durchgang durch die literarische Welt des letzten Jahrhunderts fördert die zunehmende Bedeutung von Marken zutage. Im Alltag der Buddenbrocks und auf dem Zauberberg sind Marken noch abwesend. In den Werken von zeitgenössischen Autoren wie T. C. Boyle, Jonathan Franzen, Judith Hermann oder Ian McEwan spielen sie dagegen eine schon selbstverständliche Rolle in der Beschreibung von Situationen und für die Identifizierung von Personen.

Natürlich ist die größere Präsenz von Marken im Umfeld von Kunst und Kultur zunächst schlicht ein Reflex ihres generellen Bedeutungsgewinns. Anfänglich markierten Marken Produkte, dann Unternehmen. In diesen Tagen möchte alles und jeder zur Marke werden: Der Ort, die Region, die karitative Einrichtung, schließlich der Mensch. Der moderne Star will auch Marke sein. „Den Begriff Marke“ benutzt Harald Schmidt, „weil er so nach Medienprofi klingt.“

In den letzten Jahren hegen verstärkt auch kulturelle Angebote und Einrichtungen den Wunsch, zur Marke zu werden. Bemerkenswert und bedeutungsvoll ist die mit dieser Entwicklung einhergehende unterschwellige Veränderung des Verhältnisses von Marke und Kunst. Prinzipiell ist dieses Verhältnis bekanntlich voller Gegensätze. Wo die Marke klar, homogen, stabil, sympathisch und empathisch sein muss, kennzeichnet Kunst die Irritation, der Schock, das Unbehagen und das Unverständnis. Wo Marke eindeutige Botschaften mit klarer Absicht zu senden hat, gewinnt große Kunst ihr utopisches Potential durch ihren „Rätselcharakter“ (Theodor W. Adorno).

Traditionell möchte Kunst das Kommerzielle am liebsten ignorieren, bestenfalls kritisch begleiten. Eher selten und meist zögerlich thematisiert die Kunst, dass sie eigentlich immer auch den Bedingungen des Kommerziellen genügen muss. Die Vermarktung von Kunst begleitet daher stets auch eine gehörige Portion Skepsis. Professionelle Markenbildung bildet unter Kulturschaffenden wohl immer noch eher die Ausnahme. Aber immerhin: das Interesse ist neuerdings immens, und einschlägige Erfolgsgeschichten häufen sich. Michael Haefliger steht mit seinem Lucerne Festival für eine solche Erfolgsgeschichte.

Und in umgekehrter Richtung? Schon immer unterstützten Unternehmen Kunst. Als Mäzene mit hehren Absichten. Als Sponsoren mit schon sehr konkreter Absicht und klarem Interesse. Und ganz modern im Product Placement zur unverhohlenen Verkaufsförderung.

Als Höhepunkt der Annäherung der zwei Sphären scheint jetzt die Zeit gekommen, dass Marken unvermittelt zum Gegenstand von Kunst werden. Andy Warhol hat als Prophet dieser Vereinigung Marken geadelt. Wenn sich dieses Jahr sein Todestag zum zwanzigsten Mal und nächstes Jahr sein Geburtstag zum achtzigsten Mal jähren, wird diese Diskussion sicher erneut und intensiver aufflammen. Und vielleicht werden wir neue und spannende künstlerische Inszenierungen der Marke als bedeutende Institution in modernen Gesellschaften erleben.

Über den Autor: Prof. Dr. Jürgen Häusler ist CEO bei Interbrand Zintzmeyer & Lux.