KPIs, Bauchgefühl und das Geheimnis der Marke Ankerkraut

Anne und Stefan Lemcke, Gründer von Ankerkraut, haben in acht Jahren ihr kleines Start-up für Gewürzmischungen richtig groß gemacht. Annes Vater trägt den Erfolg sogar auf der Haut. Was ist das Erfolgsgeheimnis der Marke Ankerkraut?
Die Ankerkraut-Gründer Anne und Stefan Lemcke peilen einen Umsatz von 100 Millionen Euro an. (© Nicky Walsh)

Die beiden sind ein echtes Dream-Team, im richtigen Leben und im Business. Zwar sind sich Anne und Stefan Lemcke nicht immer einig – und machen daraus auch im Interview keinen Hehl. Doch Reibung erzeugt bekanntlich Energie, und davon haben die Ankerkraut-Gründer reichlich. Ihr gemeinsames Ziel: 100 Millionen Euro Umsatz. Ihr Geheimnis?

Stefan sagt: „Wir sind extrem KPI-getrieben.“

Anne sagt: „Markenarbeit ist Bauchgefühl.“

Bei Ankerkraut ist das kein Widerspruch.

2013 haben Sie die Geschmacksmanufaktur Ankerkraut gegründet. Wie kamen Sie eigentlich auf die Idee?

STEFAN LEMCKE: Ich war damals im SEO- und Digitalbereich eines Verlags tätig und nicht so richtig glücklich damit. Außerdem hatte ich schon immer Lust, mal ein eigenes Produkt zu machen und eine eigene Marke aufzubauen. Anne hatte dann die Idee mit den Gewürzen, weil ich sehr gerne und wohl auch ganz gut koche.

ANNE LEMCKE: Allerdings war die Idee nicht ganz uneigennützig. Stefan hatte damals überall in unserer Küche Gewürze rumstehen. Und da ich – sagen wir mal zumindest oberflächlich – ordentlich bin, wollte ich, dass er etwas Ordnung in die Sachen bringt und aus den einzelnen Gewürzen Gewürzmischungen macht. So hat es, kurz gesagt, angefangen. Seither ist Ihr Unternehmen extrem schnell gewachsen.

STEFAN LEMCKE: Das stimmt. 2019, also sechs Jahre nach Gründung, waren wir schon von zwei auf 120 Mitarbeiter angewachsen. Und heute sind es fast 200. Seit Corona haben wir uns beinahe noch mal verdoppelt.

ANNE LEMCKE: Es tut mir in der Seele weh, das zu sagen, weil so viele Leute und Unternehmen unter der Pandemie leiden. Aber uns hat Corona einen Wahnsinnsschub gebracht. Wir sind 2020 förmlich explodiert. Die Menschen kochen jetzt viel mehr zu Hause und nehmen sich Zeit für gute Lebensmittel und guten Geschmack.

Gilt die Verdopplung nur bei den Mitarbeitern oder auch beim Umsatz?

STEFAN LEMCKE: Bei beidem. In unserem Geschäft ist die Mitarbeiterzahl sehr eng an den Umsatz gekoppelt. Wir machen alles komplett selbst: die Produkte und die Verpackung, aber auch Vertrieb, Marketing, Personal und so weiter. Das wächst alles gemeinsam.

ANNE LEMCKE: Wir sind keine App, die man einmal produziert und dann x-beliebig oft downloaden kann. Bei uns muss jedes einzelne Gewürzglas produziert und von mindestens einem Mitarbeiter angefasst und verpackt werden.

Wie hoch ist aktuell der Umsatz beziehungsweise was ist das Umsatzziel für 2021?

STEFAN LEMCKE: Ankerkraut wird 2021 zwischen 35 und 40 Millionen Euro umsetzen.

Es heißt, dass sich Annes Vater das Ankerkraut-Logo als Tattoo hat stechen lassen, als Sie die Grenze von zehn Millionen Euro geknackt haben. Stimmt das?

ANNE LEMCKE: Ja, das stimmt. Mein Vater hat uns von Anfang an unterstützt, obwohl er gar nicht so richtig an den Erfolg geglaubt hat. Irgendwann sagte er dann: „Wenn ihr die ersten zehn Millionen Euro Umsatz macht, lasse ich mir das Ankerkraut-Logo auf den Oberarm tätowieren.“ 2019 war es dann so weit, und er hat Wort gehalten. So kam mein Vater mit über 70 Jahren zu seinem ersten Tattoo.

STEFAN LEMCKE: Ich habe ihm gesagt: Du musst das nicht machen. Mein Schwiegervater war früher Präsident der Creditreform in Deutschland, und jetzt zeigt er im Golfclub immer stolz sein Ankerkraut-Tattoo.

Sie wirken beide unglaublich entspannt – wie stemmen Sie das rasante Wachstum?

STEFAN LEMCKE: Seit Corona geht das nur, weil wir Anfang 2020 einen zweiten Standort zur Produktion aufgemacht haben. Was allerdings nicht sonderlich effektiv ist. Vor ein paar Wochen haben wir deshalb ein neues, rund 10.000 Quadratmeter großes Grundstück gekauft. Dort werden wir künftig wieder alle Bereiche, also Produktion, Versand und Verwaltung, zusammenführen. Wenn alles gut läuft, werden wir spätestens Ende 2022 einziehen können.

Wie hoch ist Ihr Marketingbudget und wo liegen Ihre Schwerpunkte im Marketing-Mix?

STEFAN LEMCKE: Wir geben im Monat rund 300.000 Euro für Marketing aus, rund drei bis fünf Millionen pro Jahr. Grundsätzlich baut unser gesamtes Marketing auf Performance-Marketing auf. Das ist die Welt, aus der ich und CMO Timo Haas kommen. Wir sind bei Ankerkraut sehr KPI-getrieben, schauen uns neue Kanäle an und entscheiden dann sehr schnell, wo wir weitermachen. Wenn etwas gut läuft, geben wir da richtig Gas. Twitch ist dafür ein gutes Beispiel.

ANNE LEMCKE: Twitch haben wir vor einem Jahr entdeckt und sind dort mittlerweile sehr erfolgreich. Teils mit eigenen Koch-Events, überwiegend aber mit Kooperationen mit anderen Content Creators. Letztlich sind alle Social-Media-Kanäle wichtig für uns. Unsere Facebook-Gruppe hat rund 40.000 Mitglieder. Aber wie Stefan schon sagt: Wichtig ist, dass sich alles, was wir machen, auch lohnt.

STEFAN LEMCKE: Bis auf das Influencer-Marketing, das du immer machen willst und das sich viel zu wenig lohnt. Ich halte da gar nichts von, wenn man Leuten 20.000 Euro für einen einzigen Post bezahlt.

ANNE LEMCKE: Influencer-Marketing ist eben kein Performance-Marketing, sondern Brand-Marketing. Man kann sich bei diesem Thema nicht von anderen die Butter vom Brot nehmen lassen.

Es scheint, beim Thema Influencer-Marketing verläuft eine kleine, zarte Linie durch Ihr super Team.

STEFAN LEMCKE: Eine große Linie.

ANNE LEMCKE: Ich finde, das ist ausgewogen. Wir diskutieren das Thema eben sehr intensiv.

STEFAN LEMCKE: Genau. Wäre Anne allein der Chef, würden wir im Monat vermutlich 100.000 Euro für Influencer-Marketing ausgeben. Aber wir sind ja insgesamt vier Chefs – neben Anne, mir und Timo Haas noch Alexander Schwoch.

Wie sieht es mit klassischen Medien aus – Ihr Werbebudget würde das hergeben?

STEFAN LEMCKE: Print machen wir fast gar nicht mehr. Das lohnt sich einfach nicht. TV-Werbung wollen wir in diesem Jahr erstmals ausprobieren.

ANNE LEMCKE: Wobei wir sicher nicht gleich die klassische TV-Kampagne in der Primetime machen werden, sondern erst einmal digital starten.

STEFAN LEMCKE: Ich glaube schon, dass auch klassisches TV einen Versuch wert wäre. Wir peilen dafür jetzt mal das dritte Quartal an. Wobei das Timing erst an zweiter Stelle kommt. Im Moment sind wir auf der Suche nach einer wirklich guten Spot-Idee.

ANNE LEMCKE: Ich möchte den Edeka-Spot haben. Allerdings nicht für den Preis, den Edeka bezahlt hat. Und da wird es dann schwierig.

Und wenn nach Veröffentlichung dieses Interviews die eine oder andere Agentur bei Ihnen anruft?

STEFAN LEMCKE: Gerne doch.


Ankerkraut: 2013 gründeten Anne und Stefan Lemcke die Geschmacksmanufaktur Ankerkraut und machten aus einem Zwei-Personen-Start-up ein Unternehmen mit heute fast 200 Mitarbeitern und rund 40 Millionen Euro Umsatz. Ihr Marketing fußt auf einer intensiv gepflegten Marke, ausgebufftem Performance-Marketing und Kooperationen mit Influencern.


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ist seit mehr als 20 Jahren Journalistin, spezialisiert auf Marketing, Medien, New Work und Diversity. Sie war stellvertretende Chefredakteurin bei “Horizont”, schreibt seit 2014 als freie Autorin für diverse Wirtschafts- und Fachmedien und liebt es, als Dozentin für Fachjournalismus und Kommunikation junge Menschen für die Branche zu begeistern. Privat muss es bei ihr sportlich zugehen – am besten beim Windsurfen oder Snowboarden.