Konjunkturerwartung der EU-Bürger bricht ein

Europäische Verbraucher sind verunsichert, vermeldet die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK). Sie sind dies aufgrund der anhaltenden Diskussionen über eine Rettung Griechenlands sowie aufgrund der verschärften Schuldensituation in Frankreich und Italien. Die Studie „Konsumklima Europa“ belegt, dass lediglich Deutschland weiterhin mit sehr guten Wirtschaftsdaten punkten kann, doch auch hierzulande seien die Aussichten für das Wachstum zuletzt deutlich zurückgegangen.

Für die weitere wirtschaftliche Entwicklung der Europäischen Union ist es laut GfK unabdingbar, dass die einzelnen Länder ihre Schuldenlast schnell und nachhaltig reduzieren. Wie die EU in den nächsten Wochen die Krise in Griechenland bewältigt und was dabei an Kosten auf die einzelnen Länder zukommt, werde entscheidend dafür sein, ob und wie schnell die europäischen Verbraucher wieder an eine wirtschaftliche Erholung Europas glauben. Der Studie zufolge ist die Konjunkturerwartung in fast allen betrachteten Ländern der Europäischen Union seit Juni geradezu eingebrochen. Am stärksten war der Rückgang in Deutschland (von 50,3 auf 4,8 Punkte), Österreich (von 19,6 auf minus 26,2 Punkte) und Frankreich (von minus 15,3 auf minus 42,2 Punkte). Lediglich Polen, Bulgarien und Rumänien konnten sich diesem generellen Trend zumindest teilweise entziehen.

Die Bürger Griechenlands haben das Vertrauen in eine Konjunkturerholung in absehbarer Zeit verloren. Ihre Erwartung erreicht den Rekordwert von minus 58,7 Punkten. Die Wirtschaftsleistung des Landes ist im zweiten Quartal dieses Jahres um 5,5 Prozent zurückgegangen. Für das Gesamtjahr wird eine ähnliche Zahl erwartet. Die öffentlichen Ausgaben steigen weiterhin und gefährden somit jeden Plan von EU und Internationalem Währungsfonds, den Griechen bei der Bewältigung ihrer Krise zu helfen. Das Staatsdefizit liegt derzeit bei rund neun Prozent. Mehr als jeder sechste Grieche ist arbeitslos. Bis zum Ende des Jahres wird es voraussichtlich jeder fünfte, im Jahr 2012 sogar jeder vierte sein. Maßnahmen wie die Liberalisierung und Privatisierung der Wirtschaft oder die Reduzierung der Staatsbeamten werden von der Regierung nicht zügig und energisch genug umgesetzt. Das Haushaltsloch wird am Ende des Jahres voraussichtlich mehr 8,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betragen. Auch der Konsum kann nicht als Konjunkturstütze fungieren.

In Großbritannien geht die wirtschaftliche Erholung deutlich langsamer und ungleichmäßiger voran als in den beiden vergangenen Rezessionen (1979 bis 1981 und 1990/91). Das Wirtschaftswachstum lag im zweiten Quartal bei 0,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dass es nicht höher ausgefallen ist, ist auch auf den Tsunami in Japan zurückzuführen. Vor allem die Autoimporte waren davon betroffen. Die Sparmaßnahmen der Regierungen Großbritanniens beginnen langsam zu greifen, was sich allerdings negativ auf das Wirtschaftswachstum auswirkt. Auch die Sparsamkeit der britischen Verbraucher trug zu dem geringen Wirtschaftswachstum bei. Höhere Inflation, kaum Gehaltserhöhungen und höhere Arbeitslosigkeit lassen sie nicht gerade optimistisch in die Zukunft blicken. Der Indexwert für die Konjunkturerwartung liegt aktuell bei minus 29,7 Punkten. Bulgarien hingegen kann seinen positiven Kurs halten. Die Wirtschaft wächst derzeit im Vergleich zum vergangenen Jahr um rund zwei Prozent. Der Indikator der Konjunkturentwicklung steht derzeit bei minus 15,3 Punkten. Allerdings hat es Bulgarien geschafft, in diesem Jahr sein Staatsdefizit zu reduzieren und die wirtschaftlichen Rahmendaten zu stabilisieren.

Im Zuge der stärkeren wirtschaftlichen Unsicherheit musste auch die Einkommenserwartung europaweit Einbußen hinnehmen. Am pessimistischsten sind erwartungsgemäß Griechen (minus 59,3 Punkte) und Portugiesen (minus 58,5), doch auch Frankreich (minus 51,9) erwartet stark sinkende Einkommen. Den Verbrauchern in Italien ist in den vergangenen drei Monaten möglicherweise zum ersten Mal bewusst geworden, dass ein Staatsbankrott ein realistisches Szenario darstellt. Sie haben sich offensichtlich mit der Situation auseinandergesetzt und sind bereit, Opfer zu bringen, um gegen die Krise anzukämpfen. Vor allem die Besserverdiener, die bereits 42,8 Prozent ihres Gehalts an den Staat überweisen, würden Steuererhöhungen akzeptieren. Größer ist die Angst hingegen vor Kürzungen bei den Sozialleistungen sowie den Folgen von zu wenig Wirtschaftswachstum. Insgesamt rechnen die Italiener nicht in absehbarer Zeit mit einer Verbesserung der Wirtschaftslage. Die Arbeitslosigkeit liegt derzeit bei rund acht Prozent; die Jugendarbeitslosigkeit sogar bei fast 28 Prozent. Das ist eine der höchsten Quoten in Europa. Mit minus 43 Punkten weist der Indikator der Einkommenserwartung einen der niedrigsten Werte aller betrachteten Länder auf.

Die steigenden Steuern und Abgaben sowie das verlangsamte Wirtschaftswachstum in den EU-Ländern beeinflussen auch die Anschaffungsneigung der Verbraucher. Die höchsten Werte verzeichnen nach wie vor Deutschland (29,7 Punkte) und Österreich (26 Punkte). Danach folgt mit großem Abstand Bulgarien (minus 2,2 Punkte). Am meisten überlegen sich Portugiesen (minus 49,6 Punkte), Briten (minus 49,1) und Rumänen (minus 37,6), ob sie eine größere Anschaffung auf später verschieben können. Uneinheitlich ist derzeit die Situation in Rumänien. Auf der einen Seite ist die Rezession überwunden. Auf der anderen Seite wirken sich diese Verbesserungen noch nicht auf das alltägliche Leben der Bürger aus. Die Inflation liegt bei 7,9 Prozent, die Mehrwertsteuer bei 24 Prozent. Im vergangenen Jahr wurden im Zuge der Sparmaßnahmen die Gehälter der Staatsbediensteten um 25 Prozent gekürzt. Die Verbraucher müssen den größten Teil ihres Einkommens für Lebensmittel und nicht-alkoholische Getränke aufwenden. Die Ausgaben beschränken sich somit automatisch auf das absolut Notwendige. Der Indikator der Anschaffungsneigung liegt daher aktuell bei minus 37,6 Punkten.

Portugal kämpft sich durch die Krise und setzt das Sparprogramm, das die Troika der EU dem Land aufgegeben hat, konsequent um. Erste kleine Erfolge sind bereits zu verzeichnen: Die Staatsfinanzen scheinen sich leicht zu verbessern und die Inflation liegt kontinuierlich zwischen zwei und drei Prozent. Die durchschnittliche Steuerquote liegt bereits bei 40 Prozent und wird aufgrund der Troika-Programme noch steigen. Lohnerhöhungen gibt es nicht. Entsprechend geben die Portugiesen Geld nur für die notwendigsten Alltagsdinge aus. Der Autoabsatz beispielsweise ist um 30 Prozent zurückgegangen, langlebige Konsumgüter allgemein wurden um zehn Prozent weniger nachgefragt. In Frankreich liegt die Staatsverschuldung aktuell bei 88 Prozent des BIP. Die von Deutschland und Frankreich federführend organisierten weiteren Bürgschaften für Griechenland könnten das Staatsdefizit in kurzer Zeit noch weiter ansteigen lassen. Hinzu kommt, dass die Wirtschaft langsamer wächst als bisher angenommen. Die Franzosen rechnen mit weiter steigenden Steuern und Abgaben und geben dementsprechend Geld nur für die Dinge aus, die für das alltägliche Leben unverzichtbar sind. Diese Ergebnisse sind ein Auszug aus der internationalen Ausweitung der Studie GfK-Konsumklima Maxx und basieren auf Verbraucherinterviews, die im Auftrag der EU-Kommission in allen Ländern der Europäischen Union monatlich durchgeführt werden.

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