Kommentar zum Diesel-Gipfel: Ein markenpolitischer Offenbarungseid für alle Beteiligten

Der Diesel-Gipfel offenbarte nicht nur tiefe Kratzer am heilen Markenimage der deutschen Autoindustrie. Die Marken stolpern über ihre selbst verursachten Schlaglöcher entlang der Customer Journey und auch die Politik sorgt sich ganz offensichtlich nicht genug um die Glaubwürdigkeit des Gütesiegels „Made in Germany“.
Die deutschen Autobauer agieren derzeit ausgesprochen vorsichtig und stellen alles auf den Prüfstand. (© Fotolia)

Von Gastautorin Katrin Böhme, Inhaberin der Markenberatung Markenwelten und Leiterin des Competence Circle Markenmanagement des DMV

Sie haben den Mythos der deutschen Ingenieurskunst geprägt mit legendären Produkten, die auf vier Rädern überzeugten und darauf große Marken aufgebaut. Marken, die einen meist schon seit Kindertagen begleiteten und auf die man sich verlassen konnte – immer. Heute müssen sich die deutschen Autobauer die Frage gefallen lassen, ob sie wirklich für das stehen, was sie sich da auf die Fahnen geschrieben haben.

Eine Frage der Haltung

Glaubwürdigkeit ist eine Haltung die Marken stark und für Kunden zum Vertrauensanker macht. Eine solche Haltung lässt sich nicht durch aufwändige Imagekampagnen inszenieren, die muss man immer wieder beweisen. Wo das gelingt, belohnen Kunden die Marken mit Loyalität und dem Glauben an die Spitzenleistung. Dieser Glaube entbindet die Marken aber nicht von der Verantwortung, die entsprechende Leistung abzuliefern – immer. Das heißt auch, dass man dafür geradestehen muss, wenn ein. Diesel „Made in Germany“ die zugesicherten Qualitätsmerkmale in Sachen Umweltschutz gar nicht erfüllen kann. Für den Käufer führt das im schlimmsten Fall zu Fahrverboten in deutschen Städten und schränkt Nutzen und Wert eines solchen Fahrzeugs erheblich ein.

Emotionaler Totalschaden

Wenn Marken im großen Umfang nicht liefern, was sie vorher an allen möglichen Touchpoints vollmundig versprochen haben, kann man durchaus von einem emotionalen Totalschaden sprechen. Das Vertrauen ist erst einmal dahin und dann geht es um Schadensbegrenzung: durch Transparenz, Verantwortung und Wiedergutmachung. Mit Blick auf die Marke wäre eine Hardware-Nachbesserungen durch den Einbau der SCR Katalysatoren der einzig richtige Schritt gewesen, um das Vertrauen der Diesel-Fahrer wiederherzustellen. Dieser Ansatz wurde auf der Grundlage der gemeinsamen Absprachen kostenseitig von vornherein ausgeschlossen. Und so bleibt die Frage, was sind die ganzen tollen Botschaften und Versprechen der Marken heute überhaupt noch wert?

Verraten und verkauft

Marke muss nach innen wirken um nach außen zu strahlen. Es sind die Mitarbeiter, die Werte und Ansprüche einer Marke mit Leben erfüllen. Warum kommen dann aber ausgerechnet bei der Marke, die sich selbst als originale „peoples brand“ sieht und ihre Kunden als „Volk“ sogar im Markennamen trägt, Ingenieure auf die Idee, irgendeine „Schummelsoftware“ zu entwickeln? Vielleicht haben die Techniker und Manager der deutschen Automarken da etwas falsch verstanden? Wo die Kundenbedürfnisse wirklich das Maß der Dinge sind, geht es eben nicht um den Vorsprung durch fragwürdige Software Manipulationen oder die Freude an höherer Rendite durch Abstimmungen mit den Wettbewerbern. In Sachen Diesel ist das Beste offensichtlich doch nicht so gut, wie es scheint. Dann lieber nichts, möchte man den Dieselfahrern förmlich zurufen, die mit Software Updates und Abwrackprämie verraten und verkauft werden. Die angekündigten Rabatte sind einmal mehr clevere Absatzförderung für die Hersteller als Mehrwert für den Kunden. Verantwortung für die Marke und die Zukunft der Mobilität übernehmen sieht definitiv anders aus!

Ohne Mut und Gerechtigkeit für #fedidwgugl

Aber auch die Politik, die dieses Maßnahmenpaket mitträgt, schummelt sich an ihren eigenen Versprechen und den Bedürfnissen der Menschen vorbei. Nur eines kann sie sich auf die Fahnen schreiben: Der gefundene Kompromiss ist emissionsfrei – zumindest für die betroffenen Autohersteller. Mit etwa 10 Millionen schmutzigen Dieselfahrzeugen wird Deutschland allerdings kein Land, in dem wir gut und gerne leben (UNION). Da fehlt ganz offensichtlich der Mut, aus dem die Zukunft gemacht wird (Die Grünen) und von Zeit für mehr Gerechtigkeit (SPD) ist der ausgehandelte Kompromiss meilenweit entfernt. Was für uns Marketeers aber noch viel schwerer wiegt – der Lack ist ab, bei Deutschlands Vorzeigemarken…

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Über die Autorin

Katrin Böhme ist Inhaberin der Markenberatung Markenwelten und leitet den Competence Circle Markenmanagement des DMV. Das Handwerk der Markenführung lernte die Markenexpertin in deutschen Luxusmanufakturen für Uhren und Porzellan sowie an der Graduate School of Business der Stanford University.