Ist Marketingkommunikation künftig ein Roulette-Spiel?

Mit einem Roulette-Spiel vergleicht Dr. Antonella Mei-Pochtler, Boston Consulting Group, die Vielfalt der Möglichkeiten, die sich künftig den Werbekunden eröffnen. Beim Onlinegipfel während der Medientage München stellte sie die Kernergebnisse ihrer Studie "The Future of Advertising" vor und beschrieb ein "langsames Dahinschwinden" der traditionellen Medien.

Online- und Mobile-Angebote seien auf dem Weg zu Massenmedien, blickt die Senior-Partnerin der Gruppe in die Zukunft. 48 Prozent der gesamten Werbe-Spendings werden nach ihrer Prognose bis zum Jahr 2015 auf diese neuen Medien entfallen. Die Kernstrategie hinter dem Media-Roulette, so Mei-Pochtler, sei der Wunsch der Werbetreibenden, näher an den Konsumenten zu rücken. Als Connecting bezeichnete sie diesen Trend.

Klaus-Peter Schulz, Vorstand Sales & Marketing bei ProSiebenSat.1 Media, widersprach vehement: Die Fernsehnutzung sei stabil oder steige in bestimmten Zielgruppen sogar an. Seiner Meinung nach werde zu häufig in starren Gattungsbegriffen gedacht, anstatt die Sicht des Konsumenten einzunehmen. So verbrachten die Deutschen 67 Prozent ihrer Mediennutzungszeit vor den verschiedensten Bildschirmen. Und die attraktivsten Inhalte der Online-Abrufportale sind laut Schulz professionell erstellte Produktionen. „Ich habe keine Sorge vor der Zukunft“, betonte der Marketing-Experte.

Auch Dr. Bernd Buchholz, Vorstand Deutschland bei Gruner + Jahr, unterstrich die „Position der Stärke“, die traditionelle Medien auf dem Werbe- und Nutzermarkt hätten. „Ich sehe die Dramatik nicht“, kommentierte Buchholz die Boston-Studie, denn die Wachstumsraten der Internet-Werbung verlangsamten sich bereits. „Völlig irre“ seien aus seiner Sicht die Vergleiche von Reichweiten der Communities mit den Auflagen von journalistischen Qualitätsangeboten. Online-Angebote wie Chefkoch.de zeigten vielmehr, dass auf einem Kanal die unterschiedlichen Welten vereint werden könnten. Der G+J-Manager sagte zudem voraus, dass die Menschen nicht nur on demand Informationen konsumieren wollten, sondern sich auch in der Zukunft von Medien berieseln und inspirieren lassen wollten.

Die Bedürfnisse der Werbekunden schilderte Jens-Uwe Steffens, Geschäftsführer der Agentur pilot 1/10. Die Vielfalt der Medien führt nach seinen Beobachtungen zur Verwirrung bei den Entscheidern im Marketing. Zugleich sei es noch nicht gelungen, guten Journalismus im Internet umzusetzen. Steffens räumte ein, dass die Reichweiten im World Wide Web sehr hoch seien. Es sei für die Media-Planer jedoch noch sehr schwierig, die Menschen dort auch abzuholen. Die massiven Preiserhöhungen der Online-Vermarkter, so die Erfahrung von Steffens, hätten inzwischen dazu geführt, dass sogar E-Commerce-Anbieter auf klassische Werbung setzten.

Alexander Duphorn, Senior Vice President von MTV Networks, kritisierte, dass die Konsumenten und ihre Bedürfnisse zu selten beachtet würden. „Wir müssen neue Wege erschaffen“, forderte Duphorn mit Blick auf die Versuche der traditionellen Medien, ihre Angebote eins-zu-eins im Internet wiederzugeben. Einen hohen Stellenwert des Content prophezeite denn auch Terry von Bibra, Geschäftsführer von Yahoo! Deutschland & Vice President Business Management APG Yahoo! Europe. „Was will der Nutzer jetzt konsumieren?“, sei die zentrale Frage der Zukunft.

Mut zu Experimenten, insbesondere auch auf dem Werbemarkt, forderte Dr. Karl Ulrich, Geschäftsführer beim Süddeutschen Verlag. „Wir müssen mehr probieren“, appellierte der Manager, der künftig enger mit den Key Accounts zusammenarbeiten und die aktuelle Krise als Chance nutzen will. Matthias Ehrlich, Vorstand bei United Internet Media, sagte den echten Boom für die Online-Werbung für den Zeitpunkt voraus, an dem das Medium nicht mehr nur als Instrument des Direktmarketings begriffen werde. Die Orientierung an Umfeldern funktioniere nicht, meinte der Online-Experte, der zugleich jedoch den „Leuchttürmen“, also den etablierten Marken, eine steigende Bedeutung prophezeite.

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