Ipsos-Studie: Kluft zwischen wohlhabend und nicht-wohlhabend verringert sich

Jeder zweite Deutsche stuft sich selbst als wohlhabend ein, zeigen die jüngsten Auswertungen des Nationalen Wohlstands-Index‘, den das Markt- und Meinungsforschungsinstitut Ipsos erhebt. In den letzten vier Jahren ist der Anteil dieser Personen von 42,1 auf 50,1 Prozent gestiegen. Nur noch 16,9 Prozent der Bundesbürger sagen von sich, sie seien nicht wohlhabend
Immer weniger Gewinner und immer mehr Verlierer: Das deckt sich nicht mit den Ergebnissen der Studie, die Hans-Peter Drews von Ipsos Observer verantwortet

In diesem Sommer erreicht der Nationale Wohlstands-Index für Deutschland (Ipsos NAWI-D) erstmals wieder den Rekordwert des Vorjahressommers. Im März 2016 war der Index auf 48,4 Prozent gesunken. Der Rückgang im subjektiv empfundenen Wohlstand ging demnach zeitlich einher mit dem Zustrom an Flüchtlingen in Deutschland. Doch der Einbruch war nicht nachhaltig, wie die aktuelle deutliche Erholung des NAWI-D zeigt.

„Damit stützt unsere kontinuierlich durchgeführte Studie nicht die oft geäußerte Meinung, dass die Kluft zwischen Wohlhabenden und Nicht-Wohlhabenden immer größer wird, dass es immer weniger Gewinner und immer mehr Verlierer in der Gesellschaft gibt“ resümiert der Leiter der Studie, Hans-Peter Drews von Ipsos Observer.

Man fühlt sich finanziell abgesicherter, freier und glücklicher

Dazu beigetragen haben neben der Verbesserung ökonomischer oder individueller Faktoren auch positiv wahrgenommene gesellschaftliche Entwicklungen. So nehmen die Befragten wahr, dass Arbeitsplätze und Einkommen in Deutschland sicherer geworden sind. Gestiegen sind innerhalb der vier Jahre, in denen Ipsos den Index erhebt, auch die Anteile innerhalb der Bevölkerung, die von sich behaupten, glücklich zu sein und in Frieden mit ihren Mitmenschen zu leben. Gleiches gilt für das Empfinden, frei in Entscheidungen zu sein oder über gute soziale Kontakte zu verfügen.

NAWI-D_ZR September 2016

„Damit man sagen kann, dass ein Mensch in Wohlstand lebt, müssen eine Reihe an ökonomischen, individuellen, gesellschaftlichen und auch ökologischen Voraussetzungen erfüllt sein“, erklärt Marktforscher Drews. Aktuell seien bei drei von sechs Bundesbürgern diese Voraussetzungen in sehr hohem Maße erfüllt. Bei zwei von sechs Deutschen seien sie nur mittelmäßig und bei jedem 6. Befragten nur geringfügig erfüllt.

„Umverteilung halbiert die Ungleichheit“

Die Kluft zwischen Arm und Reich wird auch nach Ansicht des Direktors des unternehmernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, etwas schmaler. Der Badischen Zeitung sagte er: „Entgegen der weitverbreiteten Wahrnehmung hat sich im letzten Jahrzehnt weder die Einkommensungleichheit noch die Vermögensungleichheit erhöht.“

Im internationalen Vergleich schneidet Deutschland laut IW bei der Verteilung der Nettoeinkommen überdurchschnittlich gut ab. Bei den Bruttolöhnen gehe es zwar noch recht ungleich zu, doch die Umverteilung der Einkommen durch Steuern, Sozialabgaben und Transferleistungen halbiere die gemessene Ungleichheit. „Nur drei EU-Staaten erzielen eine stärkere effektive Umverteilungswirkung“, erläuterte Hüther. So verdienten die zehn Prozent der Spitzenverdiener in Deutschland das 3,4-fache von den zehn Prozent, die am wenigsten erhalten. In den USA liege das Verhältnis bei 5:1.

Zwar räumt der IW-Direktor ein, dass es vom Ende der 1990er Jahre bis etwa 2005 eine wachsende Kluft zwischen den Einkommensschichten gab. Seit 2005 sieht er allerdings eine Trendwende, da die Erwerbstätigkeit stetig steigt und der Anteil der unbefristeten Vollzeitstellen ebenfalls wieder zunimmt.

Zur Studie NAWI-D: Im Frühjahr 2012 konzipierte Ipsos Observer gemeinsam mit Zukunftsforscher Prof. Dr. Opaschowski ein neues Wohlstandsbarometer als Basis für einen umfassenden Nationalen WohlstandsIndex für Deutschland (NAWI-D), das seitdem kontinuierlich quartalsweise durchgeführt wird. Basis für die Sommerwelle 2016 sind Befragungen von 2.000 Personen ab 14 Jahren.