Industriegüter nicht länger „verramschen“

In der Krise haben viele Industriegüterunternehmen selbst kleinsten Kunden mit geringem Umsatzpotenzial hohe Rabatte gewährt und Produkte mit ausgewiesenen Alleinstellungsmerkmalen zu Commodity-Preisen verkauft. Das rächt sich nun, denn die Auftragsbücher der meisten Industriegüterunternehmen sind wieder gut gefüllt - die Preise aber immer noch im Keller. Für Stefan Herr, Partner des Beratungsunternehmens Simon-Kucher & Partners, ist die Ursache klar: „Von den drei Einflussfaktoren auf den Gewinn – Menge, Kosten und Preise – verwenden viele Industriegüterunternehmen 90 Prozent der Zeit und Ressourcen auf die Themen Kosten und Menge; übersehen wird dabei die hohe Bedeutung des Themas Pricing.“

Häufig würden Preise „als gegeben“ hingenommen. Aussagen vom Vertrieb wie „Wir müssen uns an die Wettbewerbspreise anpassen“ oder „Die Kunden haben sich an die Preise der Krise gewöhnt“ zeigten, dass viele Industriegüterunternehmen ihre Produkte regelrecht verramscht hätten, kritisiert Herr. Wichtig sei es, ein leistungs- und wertorientiertes Pricing für das Produkt- und Kundenportfolio zu verankern.

Die Gestaltungsmöglichkeiten im Pricing hingen insbesondere vom Geschäftstyp ab. Das Produktportfolio eines Komponentenherstellers enthalte beispielsweise eine fast unüberschaubare Anzahl von Produktgruppen und Einzelprodukten. Die Kundenbasis sei vergleichsweise breit. Neben einigen wenigen Großkunden gebe es meist sehr viele Kleinkunden. Komponentenhersteller seien außerdem in einer Vielzahl von Vertriebskanälen aktiv: Direktgeschäft, Geschäft über Repräsentanten, Händlergeschäft, Webshop. Maschinenbauer hingegen hätten meist wenige Produkte, nutzten nur ein bis zwei Vertriebskanäle und die Kundenbasis sei deutlich kleiner. Diese Besonderheiten beeinflussten auch das Pricing. So gebe es im Bereich Services, Ersatzteile und Gebrauchtmaschinen noch Raum für Gewinnsteigerungen. Für Komponentenhersteller seien in diesem Bereich dagegen kaum große Gewinnsteigerungen realisierbar. Gute Möglichkeiten böten sich hier aufgrund des breiten Produktportfolios bei Neben- und Nischenprodukten sowie Kleinstkunden.

Stefan Herr empfiehlt Maschinenbauern und Komponentenherstellern, ihr Pricing wertorientierter zu gestalten. Dabei unterscheidet er Pricing-Maßnahmen, die auf den Kundenwert zielen (Kleinkunden vs. Großkunden) und solche, die auf den Produktwert zielen (Nebenprodukte vs. Fokusprodukte). „Die Produktwertigkeit hängt in erster Linie vom Kundennutzen ab, den die Produkte stiften“, erklärt der Strategieberater. Wichtige Bausteine für den Kundenwert seien die spezifische Umsatzeinstufung des Kunden sowie der eigene Lieferanteil. Kriterien wie Potenzial des Kunden oder Referenzwirkung sollten in die Kundenklassifizierung ebenfalls aufgenommen werden.

Ein Pricing, das sich nach dem spezifischen Produkt- und Kundenwert richtet, generiere nachhaltige Gewinnsteigerungen. Die Unternehmen sollten vorrangig folgende Punkte angehen: Unterstützung des Vertriebs bei der Preisfestlegung zur Sicherstellung der preislichen Konsistenz von vergleichbaren Deals, Optimierung der bisherigen Preisdifferenzierung durch Entwicklung einer Preislogik sowie Identifikation von Kunde-Produkt-Kombinationen mit zu niedrigen Preisen zur Realisierung zukünftig selektiver anstatt pauschaler Preiserhöhungen. Auch gelte es, die Kunde-Produkt-Kombinationen mit zu hohen Preisen aufzuspüren, um Umsatzsteigerungen durch gezielte Preissenkungen zu realisieren. Schließlich sollte die Migrationsstrategie zur marktverträglichen Überführung von derzeitig zu niedrigen Preisen in Richtung Zielpreise definiert werden.

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