Im Interview zählt fundiertes Marktwissen

Wenn Vorstandsvorsitzende von europäischen Journalisten interviewt werden, sollten sie ihr herausragendes Wissen über das Unternehmen und seinen Markt unter Beweis stellen und sich außerdem treu bleiben, nicht arrogant zu sein. Für die Journalisten sind Geschäftsberichte das zentrale Recherchemedium im Vorfeld, hingegen stellen Social Media nur für 16 Prozent von ihnen eine wichtige Informationsquelle dar.

165 Wirtschaftsjournalisten aus 14 europäischen Ländern gaben der Cometis AG Auskunft, was sie von Interviews mit CEOs erwarten und wie sie sich darauf vorbereiten. Die deutsche Beratungsgesellschaft für strategische Finanz- und Unternehmenskommunikation führte die Studie zusammen mit 13 europäischen Partnern des Public Relations Global Network (PRGN) im Frühjahr 2014 durch.

Interviews am liebsten im Unternehmen

Die Top-Recherchequellen für Journalisten sind Geschäftsberichte (64 Prozent), Pressemitteilungen (59 Prozent) sowie vergangene Berichterstattung (58 Prozent). Social Media landen auf dem 10. Platz (16 Prozent). Bevorzugte Orte von Journalisten für CEO-Interviews sind der Unternehmenssitz oder Produktionsstandort (67 Prozent) sowie Restaurants oder Bars (55 Prozent). Telefonische Interviews kommen für 53 Prozent der Befragten in Frage.

Zu den wichtigsten Erwartungen von Journalisten an CEOs gehört, dass diese über eine umfassende Kenntnis ihres Unternehmens und des Marktes verfügen (92 Prozent), gefolgt von Persönlichkeit (86 Prozent) und Track Record/Leistung (72 Prozent). Negativ bewertet werden aus journalistischer Perspektive ein arrogantes Verhalten des CEOs (75 Prozent), das Nichtbeantworten kritischer Fragen (73 Prozent) sowie inhaltslose und unkonkrete Statements (62 Prozent). Dabei zeigen sich die Wirtschaftsjournalisten durchaus verhandlungsbereit: 41 Prozent von ihnen akzeptieren es grundsätzlich, Zitate und Texte abzustimmen. Je nach Beziehung zum Unternehmen oder der PR-Agentur würden 21 Prozent auch den gesamten Artikel abstimmen.

Verhaltenstipps für Vorstandsvorsitzende

Die PRGN-Partneragenturen haben auf Basis der Studie sechs wesentliche Empfehlungen für CEOs entwickelt, die bei Interviews mit europäischen Medien berücksichtigt werden sollten:

  1. Kennen Sie Ihre Investoren- und PR-Dokumente.
  2. Seien Sie gut informiert über die Medienberichterstattung über Ihr Unternehmen und Ihre Person.
  3. Bieten Sie Journalisten ein Treffen in Ihrem Büro an.
  4. Zeigen Sie Ihre fundierten Kenntnisse über Ihr Unternehmen und seien Sie sich im Klaren darüber, dass Ihre Persönlichkeit einen großen Einfluss auf die Beurteilung durch die Medien hat.
  5. Seien Sie bescheiden, offen und sachlich.
  6. Respektieren Sie die Spielregeln in Bezug auf die Unabhängigkeit der Medien – diese sind von Land zu Land unterschiedlich.

Länderspezifische Erkenntnisse

Die Unabhängigkeit der Medien ist kulturell bedingt: Die Bereitschaft, Zitate und Texte abzustimmen, ist eher gering bei Journalisten aus angelsächsischen (Großbritannien und Irland) und südeuropäischen Ländern (Spanien, Italien, Portugal). Anders sieht dies bei mittel-, ost- und nordeuropäischen Journalisten aus, die etwa in Deutschland, den Niederlanden, Polen und Dänemark arbeiten. In Deutschland gibt es eine bemerkenswerte Ausnahme: 54 Prozent der Journalisten sind mit der Abstimmung von Zitaten einverstanden – allerdings ist die externe Abstimmung des gesamten Artikels für 75 Prozent der befragten deutschen Umfrageteilnehmer tabu.

Schweizer Journalisten folgen dem Schwarm: Die Berichterstattung über ein Unternehmen und seinen CEO ist die wichtigste Recherchequelle für 94 Prozent der befragten Schweizer Journalisten. Zum Vergleich: Der europäische Durchschnittswert liegt bei 58 Prozent. Das dürfte es schwierig machen, ein einmal festgefahrenes Meinungsbild in den Medien zu ändern.

Britische und irische Journalisten bleiben lieber in der Nähe der Redaktion: Während Vor-Ort-Interviews im europäischen Durchschnitt einen hohen Stellenwert haben (67 Prozent), sind es in Großbritannien und Irland nur 33 Prozent beziehungsweise 43 Prozent. Viel lieber wird zum Telefonhörer gegriffen, genauso wie in Dänemark. Unklar bleibt, wie so die Persönlichkeit des Interviewpartners adäquat bewertet werden soll, wird doch darauf in allen drei Ländern großen Wert gelegt. Ein persönliches Treffen ist hierfür weitaus besser geeignet.

Spanische Journalisten erwarten gute Manieren: Arrogante Vorstände kommen bei Journalisten selten gut an – in Spanien kann ein solches Verhalten das Image eines ganzen Unternehmens beschädigen. Für 94 Prozent der spanischen Journalisten ist arrogantes Verhalten deshalb das zentrale „No-Go“ in Interviews, der Wert für Europa insgesamt liegt hier bei 75 Prozent.

Deutsche und italienische Wirtschaftsjournalisten durchforsten bei der Vorbereitung auf ein Vorstandsinterview besonders gerne dessen Privatleben.

Englischsprachige Umfrage nur teilweise möglich

Mit Bezug auf die aus der Umfrage ersichtlich gewordenen länderspezifischen Unterschiede erklärt Michael Diegelmann, Vorstand der Cometis AG: „Deutlich geworden ist, dass wir in Europa nicht in allen Belangen einen länderübergreifenden Konsens haben. Die Arbeitsweise und die Einstellungen von Journalisten unterscheiden sich zwischen den einzelnen Ländern teils erheblich. Für Unternehmensvertreter, die mit internationalen Medienanfragen konfrontiert sind, ist das wichtig zu wissen.“

Wirklich überraschend war es für die Studienautoren, dass es in manchen Ländern nicht möglich war, eine englischsprachige Studie durchzuführen – hier mussten die Fragebögen in die jeweilige Landessprache übersetzt werden. Somit sind laut Diegelmann weitere Fremdsprachenkenntnisse für CEOs ein wichtiges Gut – im Zweifel sollten sie auf einen Übersetzer zurückgreifen. Uwe Schmidt, Vorstand der zweiten deutschen PRGN-Partneragentur Industrie-Contact und derzeitiger PRGN-Präsident, stellt eine Ausweitung der Studie in Aussicht. Im nächsten Schritt sei geplant, die Länderumfragen in Nord- und Südamerika sowie Asien durchzuführen.

(cometis AG/asc)