Sie sagen: Eine gute Wirtschaftszeitung ist präzise, tiefgründig und überraschend. Erfüllt das „Handelsblatt“ unter Ihrer Leitung diesen Dreiklang?
GABOR STEINGART: Ich sehe Fortschritte, die Mannschaft ist motiviert, die Zeitung hat sich verändert und entwickelt sich weiter. Aber für eine ernsthafte Bilanz ist es natürlich nach 14 Wochen noch zu früh.
Wie fällt die Reaktion der Leser aus?
STEINGART: Wir bekommen sehr gute Rückmeldungen in E-Mails und von den Gästen der Redaktion. Es waren in den vergangenen Wochen einige Vorstandschefs bei uns zur Blattkritik, zum Beispiel Theodor Weimar von Unicredit, Dirk Notheis von Morgan Stanley oder Rüdiger Grube von der Deutschen Bahn. Die Umstellung auf das kleinere Business-Format, das noch unter meinem Vorgänger umgesetzt wurde, kam bei ihnen prima an. Und auch die veränderte Titelseite wird geschätzt. „You have energized your readers“, schrieb mir der Investmentbanker und ehemalige „Financial Times“-Reporter David Marsh.
Welches Ziel verbinden Sie mit der Erneuerung der Zeitung?
STEINGART: Viele Leser – und das gilt nicht nur für das „Handelsblatt“ – sind heute so genannte Scan-Readers, die also schnell und oberf lächlich durch die Zeitung zappen. Diese Menschen will ich emotional wieder dichter an ihre Zeitung binden. Sie sollen jeden Tag etwas finden, das sie überrascht, erstaunt, zum Nachdenken anregt. Das müssen in erster Linie exklusive Nachrichten sein, wie zuletzt das Kooperationsangebot der Russen an RWE, die Pläne von Piëch mit Porsche oder die Vorab-Bilanzzahlen des Merckle-Imperiums. Das können aber auch originelle Kommentare und Analysen sein wie die unserer Stammautoren Friedrich Merz, Bert Rürup oder Noriel Roubini. Oder Interviews, die es so woanders nicht gibt. Ich erinnere an unser Interview mit Nobelpreisträger Paul Krugman, der Bundesbank-Chef Weber als Gefahr für die Euro-Zone bezeichnete.
Wirtschaftsmedien müssen also nicht nüchtern sein?
STEINGART: Im Gegenteil: Wirtschaft hat sehr viel mit Emotion zu tun – und das zeigen wir im „Handelsblatt“ auch. Nehmen wir zum Beispiel die Titelgeschichten über die aufstrebenden Frauen der deutschen Wirtschaft, die Griechenland-Krise, den märchenhaften Lebensweg des Investmentbankers Anshu Jain, der heute Favorit für die Ackermann-Nachfolge ist. Solche Themen sind niemandem gleichgültig, der sich für Wirtschaft interessiert.
Welche Zeitung lesen Sie selbst am liebsten?
STEINGART: Das „Wall Street Journal“ ist für mich die herausragende Zeitung weltweit. Hartes, kritisches Reporting und deutliche Einordnung des Reportierten sind deren Markenzeichen. Viele deutsche Tageszeitungen berichten für meinen Geschmack zu sehr über das, was ich durch das Internet bereits weiß. „Köhler zurückgetreten“ ist für mich am Morgen danach keine gelungene Überschrift mehr. Das stand bereits über den Eilmeldungen 15 Stunden vorher. Das Fernsehen, das Radio, der Nachbar, alle haben berichtet. Die Zeitung, die auf Seite eins mit der reinen Nachricht aufwartet, macht es sich zu bequem, glaube ich.
Hat das Internet die Rolle der Zeitung verändert?
STEINGART: Natürlich! Die Tageszeitung ist immer noch ein schnelles Medium, aber im Unterschied zu früher – und diese Entwicklung hat das Internet befördert – muss sie heute zusätzlich zur Geschwindigkeit auch eine präzise Einschätzung liefern. Nur die kluge, überraschende, wenn es sein muss unbequeme Einordnung der Nachrichten rechtfertigt heute noch große Korrespondentennetze. „Berlusconi, ein deutsches Missverständnis“, überschrieb unsere Italien-Korrespondentin ein Essay über den starken Mann ihres Landes. Das hat die Leser interessiert, weil sie „den anderen Berlusconi“ noch nicht kannten.
Müssen Tageszeitungen zum Tagesmagazin werden?
STEINGART: Nein, bloß nicht. Ein Magazin ist immer auch ein Kunstprodukt, weil es ganz eigene Themen erfindet, weil es eine Mediengattung ist, die – siehe „Stern“, „Time“, „Focus“, „Geo“, „Bunte“ – eine wichtige unterhaltende Funktion hat. Einer Zeitung aber muss man ansehen, von welchem Tag sie ist. Deshalb orientieren wir uns an aktuellen Ereignissen, bewerten sie und spitzen sie zu. Wir schreiben nicht: „Konjunkturindikatoren stimmen sehr positiv“, sondern fassen das in die Schlagzeile „Das neue deutsche Wirtschaftswunder“. Oder: Wirtschaftsminister Rainer Brüderle hat verhindert, dass seine Partei umkippt, als sie Steuererhöhungen und staatlichen Subventionen für Opel zustimmen wollte. Da kann man schreiben: „FDP:Doch keine Steuererhöhung für Reiche“. Im „Handelsblatt“ haben wir die Angelegenheit personalisiert. Die Titelzeile hieß „Der Unterschätzte“.
Müssen Sie künftig mit weniger Personal auskommen? Es heißt, neun Redakteure erhalten die Kündigung.
STEINGART: Wir bauen nicht ab, sondern um! Mehr Außendienst, weniger Innendienst – darum geht es. In unserem Newsroom kommen wir mit weniger Leuten aus, verstärken uns zugleich aber anderswo mit Top-Leuten. Zum Beispiel kommt vom „Spiegel“ Wolfgang Reuter als Ressortleiter Unternehmen & Märkte, den „Brand eins“-Autor Roman Pletter haben wir als Leiter des Reportage-Ressorts verpf lichtet, aus Peking wird künftig der ausgewiesene China-Kenner Frank Sieren als Autor für uns berichten. Und dann würde ich gerne einen „Handelsblatt“-Journalisten im Silicon Valley haben, sobald die Kassenlage es erlaubt.
Der neue Trainer Gabor Steingart fordert ein höheres Tempo, mehr Bewegung, eine moderne Spielweise. Geht das mit der bestehenden Mannschaft überhaupt?
STEINGART: Die „Handelsblatt“-Redaktion überrascht mich jeden Tag. Das sage ich nicht nur so, das stimmt. Wir haben verdammt gute Rechercheure, intime Kenner ihrer Branchen und Firmen, kluge Kolumnisten und herausragende Auslandskorrespondenten an Bord. Trotzdem muss es von Zeit zu Zeit Veränderungen auf einzelnen Positionen geben, wie beschrieben. Die gute Botschaft: Es ist keine neue Einsparrunde geplant. Alle Personalentscheidungen dienen der Qualitätsverbesserung der Zeitung.
Ihr jetziges Team spielt also auf Bewährung?
STEINGART: Nein. Eine Redaktion kann keine permanente Verunsicherung gebrauchen. Wichtiger als das Auswechseln ist das Motivieren. Ich wünsche mir, dass jeder und jede den Platz findet, wo er oder sie sich bestmöglich entfalten kann. Wir können nicht alle dasselbe. Aber jeder kann etwas, sonst wäre er nicht hier. Diese individuellen Fähigkeiten will ich entwickeln helfen. Der Anspruch für das Team ist und bleibt hoch: Wir wollen die beste Wirtschaftsberichterstattung in Deutschland machen.
Wird das genügen, um die Auflage zu steigern?
STEINGART: Die Print-Auf lage allein ist für die Zeitungen nicht mehr entscheidend. Das „Handelsblatt“ hat, wie die meisten Zeitungen, heute doppelt so viele Leser wie vor zehn Jahren. Sie lesen die Zeitung über iPhone, Blackberry, PC. Die Marke „Handelsblatt“ hat gerade über die digitalen Kanäle auch viele jüngere Leser gewonnen. In Kürze werden wir mehr Leser auf den digitalen Plattformen erreichen als auf Papier. Das ist keine Bedrohung. Das ist eine gute Entwicklung.
Die Jungen sind aber nicht gewohnt und willens, für Online-Inhalte zu zahlen.
STEINGART: Das wollen wir ändern. Verlag und Redaktion arbeiten daran, zumindest im Wirtschaftsjournalismus die völlige Umsonst-Kultur zu beenden.
Klingt, als hätten Sie den Master-Plan in der Schublade. An dem Thema beißen sich Verlage seit Jahren die Zähne aus.
STEINGART: Wir Medienleute befinden uns doch alle auf der Wanderschaft in ein fernes Land. Abgesehen vom Blattmachen beschäftige ich mich den ganzen Tag mit Dingen, von denen ich und viele andere Journalisten früher keine Ahnung hatten, es geht um iPad-Applikationen, Paid Content et cetera. Wir müssen alle miteinander Neues ausprobieren, neugierig sein, etwas riskieren. Online-Journalismus wird als mediale Charity-Veranstaltung nicht funktionieren, das will und kann sich kein Verlag leisten.
Woher nehmen Sie die Zuversicht, dass Nutzer für „Handelsblatt“-Informationen künftig zahlen werden?
STEINGART: Im Musik-Business ist es doch ähnlich: In jeder Fußgängerzone wird geträllert, in vielen Familien spielt jemand ein Instrument, dann gibt es den Alleinunterhalter für kleines Honorar – und trotzdem schaffen es manche Musiker, zum Ticketpreis von 200 Euro ganze Stadien zu füllen. Man muss einfach richtig gute Musik machen, dann zahlen die Leute dafür. Das Argument „Warum gehst du ins AC/DC-Konzert, das gibt’s doch im Radio kostenlos“ habe ich noch nie gehört.
Schönes Beispiel. Nur: Die Medien haben bislang weder das richtige Instrument noch die richtige Melodie gefunden.
STEINGART: Deshalb müssen wir weiter danach suchen. Auf Handelsblatt.com haben wir seit kurzem das Bezahlen per Handy eingeführt. Das geht ganz einfach, ohne Nutzer durch inquisitorische Fragen zu verschrecken. Hier können sie zum Beispiel für 2,99 Euro Titelthemen und Bilanzanalysen der DAX-Unternehmen herunterladen. Solche Inhalte müssen wir künftig verkaufen und nicht verschenken. In ihnen steckt viel Geld und viel journalistische Arbeit.
Haben die Verlage versäumt, gezielt in Forschung und Entwicklung zu investieren?
STEINGART: Sie hatten ja keinen Druck. Die Eigentümer von regionalen Tageszeitungen erzielten laut einer Studie von Heidrick & Struggles über Jahrzehnte hinweg Renditen von bis zu 30 Prozent. Das macht glücklich, aber auch satt und faul. Jetzt sind alle aufgewacht. Um die Zukunft von Print ist mir nicht bange. „Die Zeit“ zeigt, wie es geht. Auch der „FAZ am Sonntag“ ist ein Riesenerfolg gelungen.
Verändert sich das Selbstverständnis der Zeitung?
STEINGART: Das „Handelsblatt“ wird zu einer digitalen Zeitung, aktuell und verfügbar zu jeder Tages- und Nachtzeit. Und die Redaktion ist heute so etwas wie ein Kompetenzzentrum für Wirtschafts- und Finanzinformation, die ihre Leser auf allen technischen Wegen erreicht. Unsere Industrie sollte sich nicht selber in eine Krisenstimmung hineinreden. Wir erleben einen historischen Umbruch, keine Krise.
Der „Financial Times Deutschland“ haben Sie öffentlich nur noch eine kurze Lebensdauer vorhergesagt. Warum?
STEINGART: Wir leben in friedlicher Eintracht mit dem kleineren Wettbewerber. Aber ich bin überzeugt, dass es auf lange Sicht hierzulande nur eine Wirtschaftstageszeitung geben wird – so wie in England und den USA. Die „FTD“ ist kaufmännisch durchoptimiert und erscheint in einem außerordentlich gut geführten Verlagshaus. Dennoch schreibt sie seit zehn Jahren durchgehend Verluste. Warum ist das so? Ich glaube: Der Markt hat sein Urteil gesprochen. Auch gut gemachte Zeitungen können untergehen. „Die Woche“ unter Manfred Bissinger hat ein ähnliches Schicksal erlebt.
Der Kampf um die Entscheider
Keine andere Gattung erreicht Führungskräfte besser als die Wirtschaftspresse. Müssen sich
Verlagsmanager und Blattmacher von diesem zementiert geglaubten Privileg verabschieden?
von Roland Karle
Die „Financial Times Deutschland“ trug ein rosa Kleidchen, „Net Business“ sollte das gedruckte Gesicht einer neuen Generation werden, „Die Telebörse“ kam als Print-Schwester der TV-Sendung auf die Welt und „Focus Money“ als Abkömmling einer erfolgsverwöhnten Medienmarke. „Bizz“, „Business 2.0“, „Econy“, „Net Manager“ und wie sie alle hießen: Es war New Economy, im Kreißsaal der Wirtschaftspresse herrschte Hochbetrieb.
Zehn Jahre, zwei Börsencrashs und eine Weltfinanzkrise später ist die Zahl der Business-Blätter übersichtlich geworden. Weil es zwischendurch an lebenswichtigen Infusionen der werbungtreibenden Wirtschaft mangelte, überlebte nur eine Handvoll Neulinge. Aber auch die Älteren müssen strampeln. Steffen Klusmann findet die ökonomischen Wechselbäder zwar „aus journalistischer Sicht grandios“. Doch für die Verlagskasse, das weiß der Chefredakteur der Gruner + Jahr-Wirtschaftsmedien, „ist das ernüchternd. Anzeigenkunden bleiben in der Defensive, und auch am Kiosk verkaufen sich Wirtschaftstitel in guten Zeiten besser.“
Speziell das Krisenjahr 2009 hinterließ Spuren. Die Top 20 der in Entscheidermedien werbenden Branchen reduzierten ihre Ausgaben laut Nielsen Media Research um 22 Prozent. Traditionstitel wie „Wirtschaftswoche“, „Capital“ und „Manager Magazin“ verloren im Vergleich zum Vorjahr jeweils rund ein Drittel an Anzeigenumsatz. Noch dicker war das Minus bei „Euro am Sonntag“ und „Euro“ – Axel Springer hat die Blätter inzwischen an den früheren Eigentümer Frank-B. Werner verkauft. „Geldidee“, „Junge Karriere“ und „Wertpapier“ wurden gar komplett eingestellt.
Entgegen früheren Erfahrungen spiegelt sich die unerwartet starke Konjunkturerholung kaum in den Auftragsbüchern der Anzeigenverkäufer. Laut VDZ-Statistik haben die meisten Titel im ersten Halbjahr 2010 gegenüber Vorjahr weiter an Werbevolumen eingebüßt. Tröstlich allenfalls, dass die Verlustkurve abflacht. Die Folge: schrumpfende Margen, weniger Personal, dünnere Hefte.
Das Privileg, dass keine andere Gattung Führungskräfte besser erreicht als die Wirtschaftspresse, galt lange Zeit als zementiert. Tatsächlich bestätigen Studien wie die Leseranalyse Entscheidungsträger (LAE), Communication Networks und Financial Community „Wirtschaftswoche“, „Manager Magazin“, „Capital“ & Co noch immer eine imposante Reichweite in den begehrten Zirkeln. Doch durch die digitale Kommunikation ist zum einen das Angebot an nützlichen Informationen jenseits von Print deutlich gestiegen, zum anderen haben sich die Gewohnheiten in der Mediennutzung auch bei Entscheidern erheblich verändert.
„Es gibt mittlerweile viele hoch spezialisierte Wettbewerber, die Nutzungszeit von klassischen Medien abziehen“, sagt Marktforscher Sven Dierks vom Hamburger Institut Ifcom Research. Mehr Informationen verbreiten sich schneller und sind überall verfügbar. Konsequenz: „Leser werden ungeduldiger, Texte müssen sofort überzeugen“, sagt Dierks. Die Jungen wollen stimuliert werden, betont Medienexperte Axel Dammler von Iconkids & Youth in München. „Gestalterisch muss man sich auf eine lesefaule Zielgruppe einstellen.
Bleiwüsten sind tabu.“
Es wächst eine Generation heran, sagt Dammler, der es fremd sei, sich Informationen über Printmedien zu beschaffen. Verlage sollten daher ihre Kernthemen im Internet besetzen, indem sie Communitys, Foren, Archive anbieten, stets aktuell und in hoher Qualität. Wenn die „Digital Natives“ in die Führungsetagen einziehen, betont Forscher Dierks, „werden wir es mit Medienjongleuren zu tun haben, die damit aufgewachsen sind, vier und mehr Medien parallel zu nutzen, und die sich souverän Informationen beschaffen, völlig losgelöst von bisher gelernten Mustern“. Tageszeitungen werden das besonders zu spüren bekommen, aber auch die Zeitschriften. Wenngleich, so Dierks, „sie auch bei jungen Entscheidern als Inseln der Ruhe angesehen werden“.
Frank Pöpsel glaubt nicht, dass sich die x.0-Generation den Konsum gedruckter Medien abgewöhnen wird. „Tiefgründige Themen brauchen Raum, und den bietet die Zeitschrift“, sagt der Chefredakteur von „Focus Money“. In den vergangenen zehn Jahren habe sich das Blattmachen allerdings „extrem verändert“. Pöpsel: „Es geht nicht mehr um die Vermittlung, sondern um die Einordnung von Information. Statt vorgefertigter Tipps erwartet der Leser heute Argumente und erklärende Inhalte.“ Früher habe das Burda-Wochenmagazin zahlreiche Ein-Seiten-Artikel gebracht. Nun seien Tiefe und Entschleunigung gefragt. „Die Geschichten laufen eher auf drei Seiten, illustriert von wenigen, ausdrucksstarken Bildern“, konkretisiert Pöpsel.
Medienforscher Dierks bezweifelt, dass längere Artikel eine Zeitschrift attraktiver machen. Die Tendenz gehe zu weniger umfassenden Beiträgen, zugleich werde sich das Spektrum der Themen deutlich differenzieren. „Ich glaube, dass man den Auf bau der bestehenden Titel grundlegend reformieren muss, um den neuen Entscheider-Typus redaktionell zu packen.“ „FTD“-Chefredakteur Steffen Klusmann schätzt das ähnlich ein. „Vor allem junge Leser sind tagsüber mobil unterwegs und kennen die Nachrichtenlage sehr genau. Das erfordert einen Spagat zwischen News-Navigator und vertiefender Magazin-Analyse.“ Der Platz zwischen Internet und Magazin wird also enger. „Wir müssen einen besonderen Spin bieten“, so Klusmann.
„Brand eins“ hat darin eine gewisse Meisterschaft erlangt – und sich als Lesebuch unter den Business-Blättern profiliert. Mit 37 005 Stück erreicht es die höchste Einzelverkaufsauflage unter den monatlichen Wirtschaftstiteln und zählt zugleich ein überdurchschnittlich junges Publikum. Dass die Leser scharenweise ins Digitale flüchten, befürchtet Chefredakteurin Gabriele Fischer nicht: „Das Heft bietet einen besonderen Mehrwert, den gerade auch jüngere Leser schätzen.“ Doch „Brand eins“ ist gewappnet. Inzwischen gibt es auch eine iPad-Version. Sie kostet 6,99 Euro, Print-Abonnenten zahlen 2,99 Euro. „Wir lieben das Experiment. Und wir nehmen unsere Leser ernst, die immer mal wieder nach einem E-Reader-Format fragten“, sagt Fischer.
Ob sich das iPad nicht nur für Apple, sondern auch für die Verlage zur Geldmaschine entwickeln wird? Bei „Brand eins“ läuft Werbung auf dem elektronischen Lesegerät derzeit gratis. Und der Verkauf von knapp 1 000 iPad-Ausgaben sei, so Fischer, „erfreulich, aber noch kein relevanter Umsatzbringer“.
Ziemlich defensiv agiert die Wirtschaftspresse bislang in sozialen Netzwerken im Internet. Mit mehr als 16 000 gemeldeten Anhängern marschiert „Brand eins“ klar vorneweg. Ein Aufstieg mit wenig Aufwand. „Unsere Facebook-Seite ist eine Initiative von Fans, die wir natürlich unterstützen“, sagt Fischer. Das Beispiel könnte Schule machen. „Focus Money“ zum Beispiel wird bald „kräftig aktiv werden in Social Media“, so Chefredakteur Pöpsel. Marken wie Adidas und Coca-Cola locken Millionen von Menschen auf ihre Facebook-Seite. „Da verändert sich Wesentliches, das Folgen für die Art des Kommunizierens und die Verteilung von Werbegeld haben wird“, so Pöpsel.
Geräte wie iPad, Blackberry, iPhone und Plattformen wie Facebook, Xing sind oder werden für Entscheider zum Standard. „Medien und Werbungtreibende können ihre Zielgruppen dadurch viel differenzierter und wahrscheinlich auch situationsgebundener erreichen“, sagt Experte Dierks. Seine Prognose: „Die klassischen Entscheidermedien werden verlieren, vielleicht sogar die Sahnestückchen des Werbekuchens.“