„Für einen Konzern wie Daimler, der zuletzt 153 Milliarden Euro Umsatz erzielte, ist es peinlich, dass sie sich einen Tesla offensichtlich nicht kaufen wollten „, so Markenexperte Karsten Kilian zur absatzwirtschaft. Aber vor allem: Wenn Daimler das Tesla-Mietfahrzeug wirklich demoliert hat, warum übernimmt der Konzern nicht die Kosten der festgestellten Schäden und der Wertminderung? Dass hinter der Anmietung des Topmodells der jungen kalifornischen E-Automarke in Wirklichkeit ein deutscher Marktrivale steckt, sollte offenbar von Anfang an vertuscht werden, wie Redakteure des Nachrichtenmagazins recherchierten. Gleich für sieben Wochen fragte der Autovermieter Sixt bei einem kleinen, auf Tesla spezialisierten Vermieter die Anmietung des rund 200.000 Euro teuren Spitzenmodells an. Wie es sich herausstellte, ging es nicht um eine ausgiebige Reise, sondern augenscheinlich darum, das Fahrzeug eines Wettbewerbers auf Herz und Nieren zu prüfen. Auch wenn solche Praktiken in der Branche vielleicht nicht unüblich sind, so verwundert es doch, dass sich ein nach außen so dominant und selbstbewusst auftretender Konzern wie Daimler derartige Versteckspiele leistet, um sich über die technischen Finessen eines Newcomers zu informieren.
Ein möglicher Grund: Der Hersteller vornehmlich luxuriöser und leistungsstarker Automobile hat den Einstieg in die Elekromobilität gründlich verschlafen und die Behmühungen der Konkurrenz lange eher weggelächelt, als sich an die Spitze der Innovationskultur zu stellen. Inzwischen hat der Vorstand signalisiert, dass man auch diesen Zukunftsmarkt erobern und beherrschen will – da geht es auf Ingenieursebene dann vor allem erstmal darum, zu ergründen, wie die derzeit erfolgreichen Fahrzeuge bis ins Detail konzipiert sind, welche Stärken und Schwächen sie aufweisen.
Lange Zeit, vielleicht zu lange, war Daimler generell skeptisch, was das Thema Elektromobilität angeht. Den Anteil von rund neun Prozent an Tesla in Form von Aktien gaben die Stuttgarter 2014 zum Verkauf frei. 2017 hat die Batterietechnik große Fortschritte gemacht und der Erfolg des Tesla Model S lässt Daimler aufschrecken. Natürlich läuft bei Elon Musk, dem Erfinder des Teslas, nicht alles rund: So bekommen Kunden, die jetzt bestellen, ihren Wagen frühestens Ende 2018. Nach Deutschland dürfte es kaum ein Model 3 vor dem kommenden Jahr schaffen. Doch eines gelang ihm: 400.000 Vorbestellungen mit Anzahlung in einer Woche für das neue Model 3. Dabei stand zu diesem Zeitpunkt nicht einmal mehr fest, wie das Fahrzeug überhaupt aussehen wird. Fakt ist: Der gepriesene Diesel hat es durch den Abgasskandal schwer und auch durch die strengen Umweltvorgaben für Fahrzeugflotten, werden sich Automobilhersteller in Zukunft auf Elektroautos fokussieren. In China ist das schon der Fall: Dort erwartet die Regierung bis 2020 rund drei Millionen E-Autos auf den Straßen.
Daimler geht es darum, den Anschluss nicht zu verlieren
Laut Spiegel hat sich der Daimler-Konzern also über den Autoverleiher Sixt das Modell X von Tesla für sieben Wochen gemietet. Soweit so gut. Sixt wiederum habe das Auto von einem Ehepaar aus Bayern angemietet. Die verleihen im Nebenerwerb Tesla-Modelle. Als das Ehepaar seinen Wagen zurückbekam, hatte dieses nicht nur erheblichen Schaden genommen, im Handschuhfach habe auch ein Zettel gelegen mit der Aufschrift: „Sie parken falsch.“ Der Zettel stammte demnach aus dem Mercedes Benz Technology Center in Sindelfingen – nur ein Beweis, der zeigt, was Daimler tatsächlich mit dem Mietwagen gemacht hat. „Die Anmietung von Fahrzeugen für Vergleichsfahrten ist in der Automobilbranche ein üblicher Vorgang“, erklärt Daimler auf Anfrage von absatzwirtschaft Online. Möglicherweise wurde also der Tesla in dieser Zeit auseinander geschraubt, zumindest halten das die Besitzer für möglich. So hat sich der Daimler-Konzern mit einer dubiosen Methode Einblick in die Technologie von Tesla verschafft. „Der Umstand, dass das Wettbewerbsfahrzeug getestet wurde, ist nicht ungewöhnlich. Das ist nicht nur in der Automobilbranche Usus. Sofern kein Patenschutz, Gebrauchsmusterschutz oder geschütztes Design vorliegt, ist Nachbauen durchaus üblich, wenngleich Daimler als Erfinder des Automobils so etwas eigentlich nicht nötig haben sollte“, erklärt Kilian.
Klar ist aber auch, dass Daimler im Bereich Elektromobilität wie fast alle westlichen Autohersteller, mit Ausnahme von BMW und Tesla, hinterherfährt. „Der Konzern fabuliert seit über 20 Jahren von der Brennstoffzelle und auch beim Thema E-Mobilität hat der Stuttgarter Autobauer bis dato viel angekündigt, aber erst wenig geliefert“, so Kilian.
Die Besitzer bleiben auf Schaden sitzen
Für Dudenhöffer scheint die Methode nichts Neues zu sein. Gegenüber der absatzwirtschaft erinnert er sich: „Vor einigen Jahren war ich mal bei Stern TV, als die Sendung noch von Günther Jauch moderiert wurde. Da war das Thema ‚Wie Deutsch sind die Autos der deutschen Autobauer?‘. Man hatte im Studie einen BMW 3er auseinandergeschraubt, der übrigens auch von einem Vermieter war.“ Doch höchstwahrscheinlich ist dabei kein so hoher Schaden am Vermieter entstanden.
Im Vertrag mit Sixt soll die Nutzung auf Teststrecken und das Auseinanderbauen verboten worden sein. Doch eigentlich geht es nicht um die Konkurrenz zwischen Daimler und Tesla, um die Testfahrten auf Rüttelstrecken und sogenannten Traktionsstrecken oder die Einblicke in die Technik des Teslas. Es geht um die Besitzer in Bayern, die laut Gutachter auf einem Schaden von rund 90.000 Euro sitzen. Sixt hat zumindest die Reparaturkosten erstattet und den Wertverlust, Daimler habe sich bislang nicht gemeldet und nichts bezahlt. „Werden die Fahrzeuge während der Miete beschädigt, kommt die Versicherung zum Tragen und es wird eine Schadensregulierung vorgenommen“, so Daimler auf Anfrage. Kilian sieht das ein wenig anders: „Für einen Konzern wie Daimler, der zuletzt 153 Milliarden Euro Umsatz erzielte, ist es peinlich, dass sie sich einen Tesla offensichtlich nicht kaufen wollten – und stattdessen für sieben Wochen mieteten und anschließend mit Schäden im fünfstelligen Bereich zurückgaben.“
Es wäre nur fair, wenn Daimler seiner moralischen Verpflichtung nachkommen und den Geschädigten eine Summe zukommen lassen würde. Dass Daimler für die Zukunft der E-Mobilität noch nicht gewappnet ist, scheint nun allen klar zu sein. „Offensichtlich ist aktuell zumindest noch Startup-Hilfe von Tesla notwendig“, äußert Kilian.