Stellt ein Unternehmen seine Werbekampagne vor- oder ein, interessiert das normalerweise nur hartgesottene Marketingspezialisten. Bis vor zwei Wochen. Da kündigte Saturn an, sich von seiner „Geiz-ist-geil“-Kampagne verabschieden zu wollen – und auf einmal wurden alle zu Werbeexperten. Ein Aufatmen ging durch die Nation: Endlich wieder Qualität statt Rabattschlachten! Glaubt man den zahlreichen seither erschienenen Beiträgen in Medienfachblättern, Tageszeitungen oder Blogs, so stehen wir kurz vor einer Trendwende. Und doch bleibt ein Quäntchen Skepsis: Wie konnte eine angeblich so unbeliebte und agressive Werbebotschaft trotzdem so erfolgreich sein?
Die Wahrheit ist, dass fast jeder – egal wie sehr er auf Qualität pocht – für ein gutes Schnäppchen zu haben ist. Dies gilt im privaten wie im unternehmerischen Bereich. Ich erlebe es jeden Tag. Zwar leuchtet es ein, dass eine rein auf Preise basierte Geschäftsstrategie langfristig versagen wird. Trotzdem ist sowohl im Umgang mit meinen Kunden als auch in meinen
Seminaren die Preisfrage nach wie vor die brisanteste und meistdiskutierte.
Auf die direkte Frage „Was kostet’s?“ sind die wenigstens Verkäufer ausreichend vorbereitet, auf den Kommentar „Das ist ja viel zu teuer!“ noch viel weniger. Gleichzeitig aber suchen potenzielle Geschäftspartner Servicequalität, Kundenorientierung und Sicherheit. Unter diesen gegensätzlichen Voraussetzungen scheint ein Konsens unmöglich. Kunden haben sich bereits innerlich darauf eingestellt, dass ein guter Preis entsprechende Leistungen ausschließt. Beispiel: Wer erwartet beim Discounter schon eine umfassende Beratung oder zusätzliche Leistungen?
Die einzige Lösung zu diesem Dilemma ist es, den Mehrwert von Leistungen und Produkten konsequent und transparent darzustellen. Ich bin immer wieder überrascht, wie schnell sich Verkäufer und Vertriebsmitarbeiter in die Preisfalle locken lassen, statt den Wert der angebotenen Leistung klar zu vermitteln und dem Kunden ganzheitliche Lösungen zu bieten, mit denen
sie sich von denen des Wettbewerbs klar differenzieren. Steht allein der Preis im Vordergrund, lassen sich intensive und tragfähige Beziehungen nur schwer aufbauen. Am Beispiel Saturn: Wie viele geizige Kunden haben in dem Glauben, ein Schnäppchen zu machen, dort etwas gekauft, nur um wenig später herauszufinden, dass es das gleiche Produkt woanders noch preiswerter
gegeben hätte?
Insofern fällt das Ende der Kampagne mit der Einsicht der Verbraucher zusammen, dass die Folgekosten eines guten Deals denselben oft doch nicht wert sind. Eine über Jahre kultivierte Ich-will-billig-Mentalität lässt sich aber nicht so einfach über Nacht abschütteln. Von der Einsicht zum Handeln ist es deshalb noch ein weiter Weg. Ob dieser von Seiten der Unternehmen tiefer hinein in die Mottenkiste der Preis-Werbung oder endlich hin zu Qualität von Service und Beratung führt, wird sich zeigen.
Thomas Burzler (45) ist Geschäftsführer der auf Vertriebsthemen spezialisierten Seminaragentur Sales Motion.