Gegenrede: Kontrollverlust über die Markenkommunikation!?

Derzeit ist die Zukunft der Kommunikation mehr als ungewiss. Was ist richtig, was falsch: Verlieren Unternehmen die Kontrolle über ihre Markenkommunikation vollständig, so dass die Säule des strategischen und operativen Marketings erodiert; oder werden Unternehmen und Marken die Kommunikationshoheit behalten, weil sie intelligent agieren werden und Social Media zu relevanten Teilen nur ein Hype ist? Im Folgenden will ich zwei Thesen vorstellen, die sich beide gut begründen lassen. Was meinen Sie?

These: Unternehmen verlieren die Kontrolle über ihre Markenkommunikation vollständig. Folglich erodiert diese Säule des strategischen und operativen Marketings.
Begründung der These: In Deutschland haben 2010 bereits 13 Prozent der für die TNS Studie „Digital Life“ Befragten Onliner, die in Sozialen Netzwerken aktiv sind schon einmal einen negativen und 19 Prozent einen positiven Kommentar über ein Produkt oder einen Service für diese Plattformen geschrieben. 15 Prozent der Deutschen suchen in diesen Netzwerken nach Produkten oder Services. Mit den weiter steigenden Nutzerzahlen sozialer Netzwerke ist davon auszugehen, dass auch die Kommentare exorbitant ansteigen werden.

Die weiter voranschreitende Digitalisierung erlaubt es jedem Konsumenten, jederzeit, überall und über verschiedenste, zum Teil sehr reichweitenstarke Online-Plattformen seine Erfahrungen, Meinungen, Diskussionsbeiträge und auch Gerüchte zu platzieren. Zuerst lernten Netzavantgardisten oder die Digital Natives diese Kommunikation einzusetzen. Mittlerweile sprechen zumindest alle darüber und viele nutzen sie. Im Zusammenhang mit der Markenkommunikation darf dabei nicht vergessen werden: Wer im Internet über Marken diskutiert, ist involviert, ist engagiert, ist kreativ und vor allem für alle anderen glaubwürdig: Glaubwürdiger und wirksamer als die unternehmensgesteuerte Kommunikation. Und hier stehen wir erst am Anfang.
Dieser Dynamik und Kraft kann die klassische Unternehmens- und Markenkommunikation nicht standhalten. Sie wird nur noch intelligent reagieren können. Die eigentliche Autorität über die wichtigsten Themen und Inhalte und vor allem über Zeit und Ort aber liegt in den Händen der Verbraucher. Social Media-Beiträge werden nicht mehr nur bereits Vorhandenes kritisieren und bewerten, sondern kreieren. Der Verbraucher steht nicht mehr als Adressat am Ende der Informations- und Kommunikationskette, sondern am Beginn mit steuernder Funktion. So werden „die Vielen“ Neues im digitalen Raum entstehen lassen und in die Offline-Welt hinaus tragen.

Antithese: Unternehmen und Marken werden die Kommunikationshoheit behalten, weil sie intelligent agieren werden und Social Media zu relevanten Teilen nur ein Hype ist.

Begründung der Antithese: Laut „Digital Life“ suchen die Deutschen wesentlich häufiger die Website eines Herstellers oder eines Serviceanbieters für Informationen vor einem Produktkauf auf, als das sie sich dazu in sozialen Netzwerken informieren. Bei Audio-, TV- oder HiFi-Geräten informieren sich 27 Prozent der Deutschen online beim Hersteller oder Serviceanbieter, dagegen nur sechs Prozent in sozialen Online-Netzwerken. Zu allen abgefragten Produkten recherchierten maximal zehn Prozent der Deutschen in sozialen Netzwerken zu Produkten, die sie in den letzten zwölf Monaten gekauft haben. Über Marken haben „gelegentlich“ zwölf Prozent der Befragten in sozialen Netzwerken recherchiert. Nicht mehr. In allen 48 an der Studie beteiligten Ländern sind es durchschnittlich 29 Prozent.

Unternehmen und Markenführer verteidigen mit aller Macht und Können ihre Handlungsautonomie. Dies geschieht mit optimierten Crossmedia-Ansätzen, mit intelligentem Agenda-Setting und mit einer eigenen aktiven Social Media-Kommunikation. Unternehmen und Markenführer setzen mit eigenen Kommunikationsmaßnahmen die Themen, platzieren Diskussionsforen und konzipieren an das Internet angepasste Marketingaktionen. Sie nutzen die neuen Medien als individualisierbares Massenmedium. Denn für den Verbraucher wird es zunehmend langweilig(er), Social Media nach bekanntem Duktus zu nutzen. Es wird ermüdend sein, immer und überall und mit allen u. a. auch über Produkte und über Marken zu kommunizieren und es wird ebenso monoton sein, all die Äußerungen Einzelner zu lesen, zu sehen, eventuell dann auch noch zu kommentieren oder zu beantworten. Wer es trotzdem tut, hat offenbar nichts Besseres zu tun. Die Meisten aber haben Besseres zu tun. Die gegenwärtigen markenbezogenen und kreativen Aktivitäten in Social Media sind nur ein erster Hype! User Generated Content hat sich nach einer gewissen Zeit überholt.

Über den Autor: Hartmut Scheffler ist Managing Director bei TNS Infratest.

Zum Nachschlagen die Quellen:
discoverdigitallife.com,
www.tns-infratest.com/presse/digital-life.asp