Garantien beflügeln oft Kaufabsichten

In der Praxis hält sich die Meinung, dass sehr gute Unternehmen es nicht nötig haben, Geld-zurück-Garantien (GzG) anzubieten. Das unterstreichen Studienergebnisse von Dr. Matthias Vieth, Projektleiter im Bereich Strategic Development bei der Hermes Europe GmbH, nicht unbedingt. Im absatzwirtschaft-Interview erklärt der vom Deutschen Marketing Verband (DMV) ausgezeichnete Wissenschaftspreisträger 2009, warum GzG ein wirkungsvolles Instrument darstellen, um die Kaufabsicht zu steigern.

Herr Vieth, wo sind Geld-zurück-Garantien ihrer empirischen Wirkungsanalyse aus Konsumentensicht zufolge sinnvoll und wem nützen Sie nichts?

MATTHIAS VIETH: Aus meiner Sicht bieten sich Geld-zurück-Garantien vor allem bei höherpreisigen „Erfahrungsgütern“ an, also bei Gütern, über die sich Konsumenten aufgrund des Preises vor dem Kauf viele Gedanken machen und deren Qualität sich vor dem Kauf nur schwer beurteilen lässt. So muss man etwa mit Laufschuhen einige Kilometer zurückgelegt haben, um zu wissen, ob Dämpfungseigenschaften und Passform tatsächlich gut sind. GzG für niedrigpreisige Güter wie Joghurt oder Wasser stehe ich aus verschiedenen Gründen eher skeptisch gegenüber.

Wie definieren Sie Geld-zurück-Garantien?

VIETH: Eine Geld-zurück-Garantie ist das Versprechen eines Herstellers, die getestete Ware innerhalb einer bestimmten Frist ohne Angabe von Gründen gegen Erstattung des vollen Kaufpreises zurückzunehmen, sofern ein Käufer nicht zufrieden ist. Dabei sind zwei Aspekte wichtig: Erstens darf die Ware tatsächlich getestet werden, das heißt es handelt sich nicht um ein reines Umtauschrecht, bei dem die Ware unbenutzt und häufig in Originalverpackung zurückgegeben werden muss. Zweitens bezieht sich das Garantieversprechen nicht auf bestimmte Leistungsmerkmale des Produkts, sondern global auf die Zufriedenheit des Kunden.

Bei welchen Produktkategorien wirkt die GzG bereits als Qualitätssignal?

VIETH: Ist eine GzG bei Erfahrungsgütern vorhanden, kann sie die wahrgenommene Qualität nachweislich erhöhen. Dagegen ließ sich diese Wirkung nicht bei Suchgütern wie Notebooks feststellen, deren Qualität sich anhand Produktmerkmalen wie Prozessorleistung, Arbeitsspeicher usw. bereits vor dem Kauf recht gut bewerten lässt. Dies ist insofern interessant, als eigentlich alle GzG-Anbieter in der Praxis in ihren Werbeversprechen auf die Qualität des Produktes abzielen – unabhängig von der Produktkategorie. Das zeigt sich in Botschaften wie „Wir sind so überzeugt von der Qualität unseres Produktes, dass wir Ihnen eine GzG anbieten.“

Wie beeinflusst eine Marke die GzG-Wirkung auf die Qualität?

VIETH: Die Marke ist in der Lage, die Wirkung einer GzG auf die wahrgenommene Qualität positiv oder negativ zu beeinflussen. Einfach ausgedrückt glauben Konsumenten der GzG als Qualitätsversprechen nicht, wenn diese von einem Unternehmen mit schlechter Reputation angeboten wird. Andererseits wirkt die GzG umso stärker auf die Qualität, je positiver das anbietende Unternehmen wahrgenommen wird.

Ein Ergebnis Ihrer empirischen Wirkungsanalyse aus Konsumentensicht ist, dass die GzG bei Erfahrungsgütern stärker zur Qualitätsbeurteilung herangezogen wird als bei Suchgütern. Welchen Einfluss üben Produktmerkmale auf die Qualität sowie den emotionalen Wert aus?

VIETH: Zunächst einmal sind – insbesondere bei Erfahrungsgütern – die Produktmerkmale Marke, Preis und GzG in der Lage, als Qualitätssignal zu wirken und insofern die wahrgenommene Qualität eines Produktes zu erhöhen. Die Marke und vor allem die GzG sind zusätzlich noch in der Lage, auf einen emotionalen Wert zu wirken. Was bedeutet das? Konsumenten sind bei jeder Kaufentscheidung einer unglaublichen Vielfalt von Produkten ausgesetzt, die sich in kaum mehr nachvollziehbaren Merkmalen unterscheiden. Dies wird auch als „tyranny of choice“ bezeichnet. Wenn ein Konsument jetzt ein Produkt mit einer GzG entdeckt, kann das zu Freude oder Erleichterung führen.

Eine GzG ist also ein wirkungsvolles Instrument zur Steigerung der Kaufabsicht?

VIETH: Eine Unterscheidung ist ganz wichtig: Eine GzG kann die Kaufabsicht für ein Produkt grundsätzlich über die wahrgenommene Qualität oder den emotionalen Wert beeinflussen. Die schlechte Nachricht für GzG-Anbieter ist, dass die Wirkung als Qualitätssignal nicht immer funktioniert – sie ist von verschiedenen Faktoren wie Produktkategorie, Reputation und Produktkenntnis der Konsumenten abhängig. Die gute Nachricht lautet dagegen, dass die Steigerung der Kaufabsicht über den emotionalen Wert auf Basis meiner Ergebnisse immer gegeben ist. Hiermit ist – wie gerade angesprochen – die Freude oder Erleichterung gemeint, die ein Konsument beim Angebot einer GzG empfindet, da er mit dem Kauf kein Risiko eingeht und ihm die Kaufentscheidung so erleichtert wird.

Wenn der emotionale Wert von Produktmerkmalen nicht berücksichtigt worden wäre, hätten Sie die GzG bei Suchgütern womöglich für kein wirksames Marketinginstrument gehalten, um die Kaufabsicht zu steigern. Was empfehlen Sie Herstellern solcher Güter jetzt mit dem Wissen, dass eine GzG den emotionalen Wert erhöht?

VIETH: Ein Unternehmen sollte sich sehr genau fragen, welche Ziele mit dem Anbieten der GzG verfolgt werden. Wenn dies – wie sehr häufig in der Praxis – das Signalisieren von Qualität ist, stellt die GzG bei Suchgütern kein wirksames Instrument dar, da die GzG hier nicht als Qualitätssignal wirkt. Man muss sich bewusst machen, dass das Anbieten einer GzG kein billiges Vergnügen ist. Neben Kosten für die Werbekampagne muss vor allem ein exzellentes Beschwerdemanagement für die Rückgabe der Produkte gewährleistet sein. Daher halte ich es für wichtig, die Ziele der Werbekampagne genau festzulegen und sich dann zu fragen, mit welchem Marketinginstrument man diese bestmöglich erreichen kann.

In Ihrer empirischen Wirkungsanalyse haben Sie 22 Hypothesen aufgestellt. Welche Erkenntnis haben Sie dadurch gewonnen, die zuvor noch gar nicht bekannt war?

VIETH: Aus meiner Sicht war die Berücksichtigung des emotionalen Wertes ein ganz wesentlicher Aspekt. Obwohl die Aufnahme solcher emotionaler Größen seit Jahren gefordert wird, werden sie von den meisten empirischen Untersuchungen nach wie vor vernachlässigt. Eine zweite ganz wesentliche Erkenntnis lag in der systematischen Betrachtung der Wechselwirkungen, die sich aus dem Zusammenspiel verschiedener Produktmerkmale wie Marke, Preis und Garantie bei der Qualitätsbeurteilung ergeben.

Wie funktioniert die GzG bei Marken wie Whiskas oder wie lässt sich prüfen, ob die Katze eines reklamierenden Besitzers das Futter nicht verträgt?

VIETH: Whiskas fordert ja eine kurze Begründung, warum der Katze das Futter nicht schmeckt, damit der Kunde sein Geld zurückbekommt. Auf der einen Seite können solche Bedingungen Konsumenten abschrecken. Auf der anderen Seite können so gewonnene Informationen genutzt werden, um ein Produkt weiterzuentwickeln und den Kundenbedürfnissen anzupassen. Wie dies im Beispiel von Whiskas funktionieren soll, dafür fehlt mir ehrlich gesagt die Fantasie – aber vielleicht unterschätze ich da auch das Verhältnis von Katzenliebhabern zu ihrem Tier. Insgesamt kann ich Unternehmen nur eindringlich raten, uneingeschränkt zu ihrem Werbeversprechen zu stehen und den Kunden das Geld zurückzuerstatten, wenn diese nicht zufrieden sind. Ansonsten kann so eine Garantie ganz schnell zum Eigentor werden.

Angenommen, vier Batterien wurden gekauft, mit einem CD-Player leer gehört und am nächsten Tag unter der Ausrede im Geschäft zurückgegeben, sie wären nach dem Auspacken leer gewesen. Wie können sich Unternehmen unter betriebswirtschaftlichen Aspekten gesehen gegen dreiste Lügen von Kunden absichern?

VIETH: Ganz schützen können sich Unternehmen gegen so ein Verhalten nie. Wenn man GzG für Produkte anbietet, die kurzfristig hohen Nutzen stiften, muss man so ein Verhalten von vornherein einkalkulieren. Mediamarkt hat mal eine GzG auf eine Spielekonsole angeboten. Hier wurde in Internetforen darüber diskutiert, dass man diese zwei Wochen intensiv nutzen und dann zurückgeben könnte. Bei Laufschuhen bringt mir so ein Verhalten hingegen wenig. Der beste Schutz für ein Unternehmen ist daher meines Erachtens die sorgfältige Produktauswahl.

In welchen Produktkategorien wird häufig von GzG Gebrauch gemacht?

VIETH: Es ist erstaunlich, für welche Vielfalt von Produkten inzwischen GzG angeboten werden: Joghurt, Wasser, Katzenfutter, Espressomaschinen, sogar Toilettenpapier und Autos. Es ist aber auffällig, dass GzG gerne für niedrigpreisige Güter angeboten werden. Allerdings sehe ich bei diesen Produkten das Risiko, dass vielen durch die Aktion neu gewonnenen Kunden der Aufwand zu hoch ist, im Fall von Unzufriedenheit eine Begründung zu schreiben usw., nur um 2,50 Euro zurückzubekommen. Durch die Garantie wird dann möglicherweise sogar noch die Unzufriedenheit verstärkt, da sich die GzG aus Kundensicht im Nachhinein als Mogelpackung erweist. Außerdem lässt man wesentliche Chancen einer GzG ungenutzt, da man keine Informationen von unzufriedenen Kunden bekommt. Für eine kurzfristige Absatzsteigerung sind aus meiner Sicht also andere, gegebenenfalls billigere oder einfachere Marketinginstrumente geeigneter.

Falls verschriebene Arzneien bei Patienten nicht die versprochene Heilwirkung zeigen, sollen Krankenkassen womöglich bald Kosten von Herstellern zurückfordern können. Was halten Sie vom Vorschlag einer GzG für Medikamente, den Bayerns Gesundheitsminister Markus Söder kürzlich im Streit um Arzneimittelkosten vorgebracht hat?

VIETH: Ohne dass ich den Vorschlag im Einzelnen kenne, stelle ich mir die Umsetzung sehr schwierig vor. Hier handelt es sich ja nicht mehr wie bei der GzG um ein unspezifisches, sondern ein spezifisches Garantieversprechen, nämlich die Heilung. Die Wirkungsweise von Medikamenten kann nach meinem Kenntnisstand sehr individuell sein. Bei einem Patienten schlägt ein Medikament an, bei einem anderen nicht. Insgesamt kann ich mir kaum vorstellen, dass man sich bei den Summen, um die es letztlich gehen würde, mit allen beteiligten Parteien auf Kriterien einigen kann, wann diese GzG greift und wann nicht.

Wie viele Kunden nehmen die GzG in der Regel tatsächlich bei einem Unternehmen in Anspruch?

VIETH: Es ist sehr schwer, von Unternehmen hierzu Zahlen zu bekommen. Mir ist nur bekannt, dass gerade bei geringwertigen Gütern die Rückgabequoten zum Teil im einstelligen Bereich liegen. Dies kann natürlich an den hervorragenden Produkten liegen oder meine These unterstreichen, dass vielen unzufriedenen Kunden der Aufwand der Rückgabe einfach zu hoch ist.

Wie lässt sich die Absicherung negativer Kauffolgen kommunizieren?

VIETH: Man kann Konsumenten beispielsweise durch das plakative Beispiel eines unzufriedenen Konsumenten vor Augen führen, dass ihn die Wahl des falschen Produktes teuer zu stehen kommen kann. Wenn man gleichzeitig kommuniziert, dass er das Produkt mit GzG quasi sorgenfrei kaufen kann, dürfte dies bei ihm zu Erleichterung führen und die Wahl des Produktes mit GzG begünstigen.

Binnen welcher Frist sind Unternehmen gehalten, die GzG einzulösen?

VIETH: Die Auswahl des Garantiezeitraums sollte so festgelegt werden, dass das Produkt innerhalb dieser Frist tatsächlich auch getestet werden kann. Dabei muss berücksichtigt werden, dass eine zu kurze Frist die Glaubwürdigkeit der Garantie negativ beeinflussen kann. Extrembeispiel in diesem Zusammenhang ist Lands’ End, die eine „lebenslange“ GzG auf ihre Produkte anbieten.

Welche Firmen sollten eine GzG in Kundenclubs anbieten und wie?

VIETH: Wie bereits erwähnt, ist die Wirkung der GzG auch von der Reputation eines Unternehmens abhängig. Wenn man davon ausgeht, dass Konsumenten nur in Kundenclubs von aus ihrer Sicht „guten“ Unternehmen eintreten, kann eine GzG bei diesen Kunden eine besonders positive Wirkung auf die Kaufabsicht entfalten. Außerdem wirkt sich eine exklusive GzG-Aktion für Kundenclubmitglieder natürlich positiv auf die Kundenbindung aus.

Womit ist bei GzG in den kommenden fünf Jahren zu rechnen?

VIETH: Ich gehe davon aus, dass kurzfristig viele Hersteller aus verschiedensten Branchen für die unterschiedlichsten Produkte GzG anbieten werden. Langfristig werden GzG in Deutschland von einer Hersteller- zu einer Händlergarantie. So wie es in den USA schon üblich ist.

Das Gespräch führte Martina Monsees.