Erträge steigern – aber wie?

Die schwache Konjunktur und Konkurrenz aus Fernost drücken auf die Preise. Viele Firmen sind versucht, dem Preisdruck nachzugeben und mit Preissenkungen den Absatz zu steigern. Reine Preissenkungen sind jedoch nur selten erfolgreich. Innovative Preismodelle leisten mehr.

Meistens zieht die Konkurrenz schnell nach, so dass sich positive Effekte nach kurzer Zeit in Luft auflösen. Dennoch ist der Preis eine Handlungsoption, die Optimierungspotential bietet. Es stehen eine Reihe neuer, innovativer Preismodelle zur Verfügung, die Unternehmen bisher nicht oder nur unzureichend einsetzen. Erfahrungsgemäß können Unternehmer ihren Gewinn mit innovativen Preiskonzepten um 15-30 Prozent steigern, ohne dass sie Kostensenkungen realisieren. Gleichzeitig werden sie mit den Preiskonzepten die Preistransparenz im Markt senken und Vergleiche erschweren.

Die folgenden Ausführungen zeigen die Grundformen innovativer Preismodelle und einzelne Ansätze, die erklären, wie es Marketingexperten gelingen kann, die Potentiale zu heben.

1. Nutzungsunabhängige Preismodelle
Nutzungsunabhängigen Preismodellen entsprechen dem klassischen Kaufmodell zu einem Festpreis. Der Preis ist unabhängig zu der tatsächlichen Inanspruchnahme des Produkts. Intelligente Preiskonzepte lassen sich hier durch eine leistungsbezogene Preisdifferenzierung oder Preisbündelung erreichen.

Neben Kunden mit hohen Leistungsforderungen gibt es zunehmend Kundensegmente mit nur mittleren oder geringen Anforderungen an das Produkt und/oder die zugehörigen Dienstleistung. Um die damit einhergehenden unterschiedlichen Preisbereitschaften abzuschöpfen, ist eine Differenzierung des Leistungsangebotes und der zu-gehörigen Preise erforderlich.

Ein klassisches Beispiel stellen First-/Business-/Economy-Tarife in der Luftfahrtbranche dar. Die Veränderung der Grundleistung ist gering. In jedem Fall wird der Kunde an sein Ziel gebracht. Dennoch ermöglicht die Variation der Zusatzleistungen (Check-in, Verpflegung, Sitzabstand, etc.) eine Preisdifferenzierung von bis zu 1000 Prozent.

Aber auch im Maschinenbau finden sich solche Preismodelle. So bietet beispielsweise ein weltweit führender Anbieter von Fördertechnik seine Maschinen in zwei Ausstattungsvarianten an. Eine Basis- und eine Professionalversion. Die günstigere Basisversion verfügt über eine geringere Geschwindigkeit und kann weniger Lasten heben. Dafür ist diese Version 28 Prozent günstiger.

Über die Preis- und Leistungsdifferenzierung können verschiedene Marktsegmente angesprochen werden. Wichtig ist, dass die Leistung dort verändert wird, wo der Kunde dies wahrnimmt. Nur so ist eine klare Trennung der Segmente zu gewährleisten.

Weiteres Ertragspotential steckt in der Preisbündelung. Diese liegt vor, wenn ein Unternehmen verschiedene Produkte/Dienstleistungen zu einem Paket zusammenfasst und dieses zu einem Gesamtpreis anbietet. Dabei ist der Gesamtpreis in der Regel günstiger als die Summe der Einzelproduktpreise. Die Preisbündelung findet sich in der Praxis häufiger. Einer der Vorreiter war das Pricing von Pauschalreisen, bei denen Flug inklusive Hotel und Leih-wagen zu einem gemeinsamen Preis angeboten wird. McDonald´s hat die Preisbündelung perfektioniert. Das Fastfood-Unternehmen bietet eine Vielzahl von Menüs an, die immer billiger sind als die Summe der Einzelbestand-teile. Die Menüs sind nicht nur bei den Kunden beliebt, sondern auch für McDonalds entsprechend rentabel.

Aber auch Industriegüterhersteller verwenden häufig diese Art des Pricings, wenn sie ihre Güter zusammen mit ihren Dienstleistungen wie Wartung, Beratung oder Planung in einem Paket anbieten. Häufig entsteht eine win-win-Situation für Käufer und Verkäufer. Der Anbieter erreicht ein profitables Wachstum, da er die volle Zahlungsbereitschaft des Kunden ausnutzt und gleichzeitig seine Cross-Selling-Potentiale ausschöpft. Zudem besteht die Möglichkeit, sich als Systemanbieter zu profilieren und damit dem reinen Preiswettbewerb zu entkommen. Der Käufer profitiert seinerseits von dem geringeren Bündelpreis und der höheren Convenience, da er alle Leistungen aus einer Hand erhält.

2. Nutzungsabhängige Preismodelle
Zumeist werden Produkte auf Stückbasis verkauft: Der Kunde verlangt eine bestimmte Leistung und kauft deshalb das Produkt, die entsprechende Maschine oder die gewünschten Komponenten. Dabei ist der Kunde eigentlich nur mittelbar an dem Produkt beziehungsweise der tatsächlichen Maschine interessiert. Der eigentliche Nutzen des Kunden resultiert aus der Leistung, die erbracht wird. Daher bietet es sich an, das Preismodell nicht mehr an der Maschine zu orientieren, sondern an der Leistung, welche die Maschine erstellt. Der Kunde zahlt also keinen festen Preis für eine Maschine, sondern zahlt für die erbrachte Leistung der Maschine (hergestellte Produkte, Betriebsstunden, etc.). Es lassen sich prinzipiell drei nutzungsabhängige Preismodelle unterscheiden:

Im ersten Modell ist der Preis pro Ausbringungsmenge vollständig variabel. Der Kunde zahlt pro Mengeneinheit einen festen Preis und somit nur nach tatsächlicher Nutzung bzw. benötigtem Nutzenpotenzial. Dieses Preismodell verfolgt beispielsweise ein internationales Technologieunternehmen, das anstatt Produktions-maschinen für Elektrokomponenten Nutzungskontingente verkauft. Die Maschine zählt die Ausstoßmenge und stoppt, sobald das Kontingent von zum Beispiel 100.000 Stück erreicht ist. Der Kunde muss dann für weitere Kontingente bezahlen, um die Maschine wieder freizuschalten.

Ähnliche Preismodelle kommen auch in der Wohnungswirtschaft zum Einsatz. Hier bieten Contracting-Unter-nehmen Betreibermodelle für komplette Heizungsanlagen an. Die Unternehmen installieren und betreiben die Heizungsanlage eines Gebäudes und die Mieter bzw. Eigentümer zahlen lediglich für die gelieferte Wärme. Durch dieses Preismodell bleiben den Bewohnern die hohen Investitionskosten für eine Heizungsanlage erspart. Auf der anderen Seite realisiert das Contracting-Unternehmen anstatt eines einmaligen Mittelzuflusses einen konstanten Einnahmenstrom.

Das zweite Modell geht von einem Grundpreis für die Nutzung aus. Dazu addiert sich dann noch ein Preis pro Mengeneinheit. Neben dem Grundpreis zahlt der Kunde, wie im ersten Fall, für die die tatsächliche Nutzung bzw. das Nutzungspotenzial. Die Deutsche Bahn verfolgt mit ihrer Bahn Card ein wie oben beschriebenes Preismodell. So zahlt der Kunde für die Bahn Card einen jährlich festen Grundbetrag, egal wie häufig er die Karte benutzt. Des Weiteren zahlt der Kunde einen – gegenüber Kunden ohne Bahn Card stark ermäßigten – Betrag pro gefahrenen Kilometer. Ein weiteres Beispiel ist der Kopiergerätehersteller Xerox, der seine Kopierer als erster vermietete anstatt sie zu verkaufen. Dabei wurde eine bestimmte Grundgebühr erhoben. Daneben fielen für die Kunden Kosten pro Kopie an. Das folgende Beispiel zeigt anhand eines Zahlenbeispiels die Vorteilhaftigkeit solch eines Preismodells.

Xeroxvermietete seine Kopiergeräte nur und bestimmte den Preis auf Basis der Kopien, die mittels eines Zählers an der Maschine kontrolliert wurden. Der Kopiergerätehersteller berechnete bei einem Minimum von 2 000 Kopien pro Monat einen festen Grundpreis von 25 US-Dollar sowie 3,5 Cent pro Kopie. Betrachtet man beispielsweise einen Kunden A, der genau 2 000 Blatt pro Monat kopiert, und einen Kunden B, der 20 000 Kopien pro Monat macht, zahlt der erste Kunde 1 140 US-Dollar und der zweite Kunde 8 700 US-Dollar im Jahr. Bei einem Lebenszyklus von fünf Jahren für ein Kopiergerät summiert sich der Gesamtumsatz auf 5 700 US-Dollar für den ersten und 43 500 US-Dollar für den zweiten Kunden. Hätte Xerox die Fotokopierer verkauft, so hätte Xerox entweder zwei Maschinen für einen Stückpreis von 5 700 US-Dollar oder nur einen Kopierer zum wesentlich höheren Preis von 43 500 US-Dollar verkaufen können. Bei herstellerkosten von 2 500 US-Dollar pro Maschine würde sich beim Verkauf der Kopierer ein gewinn von 6 400 beziehungsweise 41 000 US-Dollar ergeben. dagegen liegt der Gewinn bei der nutzungsabhängigen Preisgestaltung bei 44 200 US-Dollar, also in jedem Fall über dem Ertrag durch verkauf der Kopiergeräte (plus 8 Prozent).

Das dritte nutzungsabhängige Preismodell besteht darin, dass im Grundpreis eine gewisse Grundnutzung bereits enthalten ist. Erst wenn diese Freimenge überschritten wird, fallen variable Gebühren pro Einheit an. Dieses Modell verwendet eine englische Autoversicherung für einen Tarif für Kunden zwischen 18-21 Jahren. Die Versicherungsprämie besteht aus einer Einmalgebühr (für Unfallversicherung und Diebstahl) in Höhe von 199 £ und einer nutzungsabhängigen Gebühr pro gefahrene Kilometer. Eine Box im Wagen zeichnet dabei die gefahrenen Kilometer auf. In der Zeit von 22-06 Uhr zahlt der Kunde für die Meile 1 £, zu allen anderen Zeiten nur 6 Pence pro Meile. Die erhöhte Gebühr wird fällig, da dies die Zeit ist, in der junge Autofahrer statistisch an mehr Unfällen beteiligt sind.

Die hier hinterlegte Abbildung stellt die oben beschriebenen Grundformen der nutzungsunabhängigen und nutzungsabhängigen Preismodelle noch einmal gegenüber. Darüber hinaus existieren in der Praxis eine Vielzahl an Ausgestaltungs- und Variationsmöglichkeiten. Der Preis ist eine sehr sensible Komponente der Marketing- und Vertriebsstrategie. Vor der Markteinführung neuer Preismodelle müssen die damit einher-gehenden Chancen und Risiken intensiv analysiert und bewertet werden.

Dabei lassen sich folgende Kriterien heranziehen.

  • Akzeptanz des Kunden
    Wichtig ist die Bereitschaft des Kunden, das neue Preis-modell anzunehmen. Dies wird vor allem durch ein ein-faches und verständliches Modell erreicht. Zudem muss der Kunde das Gefühl haben, dass es sich um ein faires Preismodell handelt, bei dem beide Seiten gleichmäßig gewinnen. Dies kann z.B. durch eine degressive Preisstei-gerung bei Mengenzuwächsen erreicht werden.
  • Kundenbindungseffekt
    Durch ein neues Preismodell sollte beim Kunden ein Lock-in Effekt erzielt werden. Der Kunde wird durch das Modell an den Anbieter gebunden. Während der Kunde beim Ein-stieg mit geringerem Investitionsrisiko oder besserem Serviceangebot belohnt wird, muss ein Wechsel zum Mitbewerber zu einem Anstieg des Durchschnittspreises führen.
  • Umsatz- und Gewinnsicherheit
    Neue Preismodelle sollten dem Hersteller einen stetigen und planbaren Geldzufluss sichern. Zudem ist darauf zu achten, dass der Kunde verursachungsgerecht zum Aufwand, den er beim Anbieter hervorruft, zahlt.
  • Abgrenzung zum Wettbewerb
    Schließlich sollte ein neues Preismodell auch zur Differen-zierung gegenüber dem Wettbewerb beitragen. Vor allem kann so die Vergleichbarkeit beim Preis erschwert werden, wodurch andere Kaufkriterien wie Qualität und Leistung in den Vordergrund rücken.

Die genannten Faktoren stellen die zentralen Erfolgskriterien dar. Je nach Unternehmen, Branche und Ausge-staltung des Preismodells müssen diese entsprechend er-weitert und angepasst werden.

3. Fazit
Bei der Konzeption innovativer Preismodelle ist der Kundennutzen des jeweiligen Produkts zugrunde zu legen. Dies ist der Ausgangspunkt und die Messlatte für eine erfolgreiche Einführung. Bei der Ausgestaltung der Preismodells stehen dann eine Vielzahl verschiedener Varianten zur Verfügung: Prinzipiell lassen sich nutzungsabhängige und nutzungsunabhängige Modelle unterscheiden. Diese haben wiederum verschiedene Untervarianten.
Die hier hinterlegte Abbildung zeigt überblicksartig weitere oben noch nicht beschriebene Beispiele innovativer Preismodelle.

Welches Modell zum Tragen kommt, hängt von einer Vielzahl branchen- und firmenspezifischer Einzelfaktoren ab. In jedem Fall bieten innovative Preismodellen aber hohe Ertragspotentiale, die bisher nur von wenigen Unter-nehmen systematisch bearbeitet werden.

Autoren
Dr. Martin Wricke ist als Senior Consultant im Competence-Center Technology bei SIMON w KUCHER & PARTNERS, Strategy & Marketing Consultants in Bonn tätig.
Dr. Oliver Roll ist als Senior Consultant im Competence-Center Technology bei SIMON w KUCHER & PARTNERS, Strategy & Marketing Consultants in Bonn tätig.

eingestellt am 24. November 2005