Endlich: Unternehmen interessieren sich stärker für Kundenerfahrungen

Einen deutlich höheren Reifegrad der CRM-Projekte in deutschen Konzernen und Mittelständlern und eine Änderung der CRM-Ansätze stellt die Cintellic Consulting Group fest. Geschäftsführer Dr. Jörg Reinnarth erläutert drei Trends für Customer Relationship Management und digitales Marketing 2015.
Jörg Reinnarth (© Cintellic Consulting Group)

1. Marketing Digitalisierung wird erwachsen und von CEOs vorangetrieben

Die Themen CRM und digitales Marketing haben in den letzten Jahren regelmäßig den Namen gewechselt. Das vor einigen Jahren gepriesene Multi-Channel Marketing wandelte sich über Omni-Channel Marketing und der Big Data Welle zur Digitalisierung des Marketings. Generell geht es grundsätzlich darum, über die unterschiedlichsten Kanäle den Endkunden zu erreichen und ihm zum Kaufabschluss zu verhelfen.

Die Projekte in diesem Umfeld wurden in den letzten Jahren entweder von der IT vorangetrieben, die neue Lösungen zur Automatisierung einführte und neue Kanäle implementierte, oder von den Marketing-Fachseiten, die eine kundengenauere Ansprache und damit Umsatzsteigerung durch CRM erreichen wollten. Nichtsdestotrotz war CRM immer ein Nischenthema im Konzern, welches neben den großen Themen Marketing und Vertrieb zurücksteckte und daher nicht immer die Aufmerksamkeit der Vorstände genoss.

In diesem Jahr zeichnet sich aber ab, dass die große Big Data und Digitalisierungswelle, die durch die Medien in die Vorstands- Etagen schwappte, die Themen Kundendatenanalyse und optimale Kundenansprache stärker ins Bewusstsein der CEOs rücken lässt.

Ich zitieren Martin Pfeifer, den Leiter des Bereichs CRM Strategie bei der Cintellic: „In den Köpfen des Top-Managements geht es nicht mehr länger um die Frage, was wir für Prozesse und Software brauchen, um mehr Umsatz zu machen. Auf Messen, Kongressen und unseren Workshops wird vor allem die Frage diskutiert: Wie baue ich Bereiche auf, die sich mit der Analyse von Kundeninformationen beschäftigen? Welche Mitarbeiter benötige ich? Wie bekomme ich die?“

Die Themen haben sich daher stark von Lösungen, Kanälen und Prozessen zum eigentlich Engpass hin gewandelt, nämlich den richtigen Mitarbeitern. Diese sind, sofern es sich um komplexe beziehungsweise sehr neue Themen handelt, schwer zu finden und ein rares Gut für Unternehmen, die ihre Digitalisierung voranbringen wollen.

2. Customer Experience rückt in den Mittelpunkt

In 2015 ist ebenso ein Wandel im Bewusstsein zu bemerken, was das Thema Customer Experience Management angeht. Die letzten Jahre stand vor allem die Customer Journey im Mittelpunkt der Entscheider, die den Kunden entlang seiner gesamten „Reise“ mit dem Unternehmen begleiten wollte. Viel wurde über Kanalanbindungen, Integration von Daten und real-time diskutiert, um möglichst zu jedem Zeitpunkt zu wissen, was der Kunde gerade tut und um darauf reagieren zu können.

Eines der Hauptthemen wurde innerhalb dieser Diskussion um die Customer Journey gerne übersehen: Wenn das Produkt und Preis-Leistungsverhältnis im Vergleich zum Wettbewerb schlechter ist, nützen die besten Real-Time Aktionen und Produkt-Vorschläge nichts, wenn der Kunde keinen Vorteil dabei sieht. Zu oft konzentrierte man sich auf das Thema Abverkauf, ohne die Kundenbrille dabei einzunehmen.

Dieses Jahr erscheint auch hier vieles anders. Anstelle von Diskussionen über Kanäle und real-time Aktionen, steht die Kundenerfahrung im Vordergrund der Überlegungen. „Was möchte der Kunde? Welche Produkte interessieren ihn und warum? Welche Prozesse vereinfachen das Leben des Kunden bei der Bestellung? Welcher Service ist für ihn wichtig?“ Dies gehört eigentlich standardmäßig zu den Hausaufgaben einer guten CRM-Abteilung, ging aber die Jahre sehr oft durch die stark IT-getriebenen Themen Prozesse, Kanalanbindungen und Software unter.

In diesem Jahr stehen die Projekte unter einem anderen Stern. Die Unternehmen fokussieren sich deutlich stärker auf Ihre Kernkompetenz und auf die optimalen Prozesse gegenüber dem Kunden. Erst dann baut CRM und Digitalisierung die notwendigen Prozesse und Ansprache- Aktionen auf, um dem Kunden hierauf basierend die optimalen Angebote zu machen.

3. Think small, start small and make results

Eines der Hauptprobleme der letzten Jahre im CRM-Umfeld waren die vielen Buzzwords und Möglichkeiten, mit denen CRM konfrontiert wurde. Omni-Channel, real-time, Big Data und 360-Grad-Kundensicht sind nur einige von den Schlagworten, mit denen sich die Marketing-Abteilungen konfrontiert sahen. Kein CRM-Konzept war vollständig, wenn nicht alle Buzzwords und Möglichkeiten umfassend abgedeckt waren.

Das Hauptproblem dabei ist aber: Um die große Vision umzusetzen und alle Buzzwords im Unternehmen zu verankern, veranschlagten die Projektpläne höhere Millionenbeträge und 3 – 5 Jahre Laufzeit, ohne dabei einen wirklichen Mehrwert garantieren zu können. Viele Unternehmen erarbeiteten ein Big- Bang-Konzept (von Nichts auf Alles) und scheiterten anschließend dabei, die Unternehmensleitung von den hohen Investitionskosten zu überzeugen. Das Hauptproblem war, dass z.B. real-time gut klingt, aber die Kosten gegenüber einer „near real-time“-Lösung exorbitant steigen, während die Vorteile kaum überwiegen.

Auch hier ist im Markt eine deutlich sinnvollere Herangehensweise der Unternehmen spürbar. Der Big-Bang-Ansatz ist Geschichte und Unternehmen, die sich mehr oder weniger aus dem Nichts heraus mit dem Thema Big Data, CRM und Digitalisierung beschäftigen, denken nun auf deutlich intelligentere Weise. Anstatt die Vision der Welt voller Möglichkeiten aufzumalen, werden die zehn bis 15 sinnvollsten und gewinnversprechendsten Use Cases definiert, auf denen dann die Anforderung an Lösungen und IT abgeleitet wird. Der Erfolg dabei: Die Umsetzung ist deutlich günstiger und schneller und die ersten Erfolge werden damit schneller sichtbar. Hierdurch wird Vertrauen bei der Unternehmensleitung geschaffen, den Weg weiter zu gehen und den Kunden weiterhin in den Mittelpunkt zu stellen.

Letztlich lässt sich sagen, dass die Themen CRM und Marketing-Digitalisierung einen deutlich höheren Reifegrad in der Projektumsetzung erreicht haben. Unternehmen entwickeln keine Fantasie- Gebäude mehr, die in der Umsetzung scheitern, sondern beschäftigen sich auch im Top-Management mit den sinnvollen Fragen, nämlich: Wie kann man Kundenbeziehung sinnvoll, pragmatisch und vor allem dauerhaft im Unternehmen verankern?

Über den Autor: Dr. Jörg Reinnarth ist Geschäftsführer des Beratungshauses Cintellic Consulting Group. Spezialisiert hat sich das Unternehmen auf die Themen Customer Experience Management (CEM), Customer Relationship Management (CRM) und Digitalisierung.