Ein Wort kann die Seelen der Konsumenten aktivieren

Die Idee war zu schön: Man nennt seine Inkasso-Firma „Inkasso Team Moskau“, kommt im schwarzen Anzug und kann ziemlich sicher sein, dass auch der bockigste Schuldner gewaltfrei weich wird. Allein durch seinen Namen hat sich das „Team“ unmissverständllich positioniert und die gewünschte Wirkung bei seinen Kunden und deren Kunden ausgelöst.

Wer immer die Idee zu dem Namen hatte, er nutzte ein Prinzip, das man generell als „Aktivierung von Resonanzfeldern“ bezeichnen kann. In des Menschen Seele finden sich unendlich viele solcher Felder; Vorstellungsbilder, die durch Erziehung und Beobachtung, durch eigene und anderer Leute Erfahrung in uns eindringen und in uns wirken, einige von ihnen vielleicht sogar von Geburt an. Sie sind mit spezifischen Empfindungen besetzt, erregenden, beruhigenden, angenehmen wie unangenehmen. Jeder Anbieter von Produkten oder Dienstleistungen kann diese Resonanzfelder mitsamt ihren Stimmungen für sich nutzen, wenn er um sie weiß und die aktivierenden kommunikativen Auslöser, die passenden Schlüsselbilder oder Schlüsselwörter, kennt.

Ein hochinteressanter Anwendungsbereich dieser Technik ist die Namensgebung für Marken oder die Bezeichnung von Produkten. (Es sei denn, man sucht nach einem Kunstnamen, der wie Xonox oder Viano international möglichst bedeutungsrein ist und nicht in irgendeiner fremden Sprache als „Klo“ oder „gebrochener Arm“ zu übersetzen ist.) Die Familie Wagner aus dem saarländischen Otzenhausen, anfangs ein kleiner Betrieb zur Herstellung von tiefgefrorenen Pizzen, nutzte sie beispielsweise, indem sie ihr bis dahin relativ austauschbares Produkt „Steinofen“-Pizza benannte. Welch schönes Resonanzfeld wird damit aktiviert!

Vor dem Seelenauge des Konsumenten glüht der mit Holz beheizte Ofen des Pizzabäckers, der seine Köstlichkeiten noch mit der langen Holzschaufel bewegt. Ein guter Griff des Unternehmers. Und – was hervorzuheben ist – ein solch resonanzstarker Name kostet nichts. Es gibt das Wort mitsamt seinen Bedeutungen bereits. Man muss es nur aufnehmen und an den Gattungsbegriff koppeln. Vom ersten Tag an, ohne irgendeinen kostspieligen Lernprozess, arbeitet das Wort „Steinofen“ für die Wagners; genauer gesagt, arbeitet eigentlich der Konsument mit seiner Phantasie für sie. Von den Wagners kommt lediglich das Wort. Eine höchst ökonomische und zugleich gefühlvolle Beziehung.

Ein Resonanzfeld ganz anderer Art hat ein österreichisches Molkereiunternehmen genutzt, um die langweilige und ertragsschwache fettreduzierte Milch mit Bedeutung aufzuladen – es nennt sie „Fasten“-Milch. Die renommierte Marktforscherin Helene Karmasin weiß von der wundersamen Wirkung dieses Wortes zu berichten: Während ein Kaffeekränzchen in Sahnetorten schwelgt, gießt es die Kaffeetassen mit Fastenmilch auf und befreit sich damit vom schlechten Gewissen. Denn das Resonanzfeld „Fasten“ ist nicht mit schlichter Reduktion geladen wie eine Diät, sondern gibt dem Vorgang noch eine moralische Note. Auch das Wort „Fasten“ hat nichts gekostet.

Als älterer Zeitgenosse fühlt man sich an den Coup des Granini-Trinkgenuss-Erfinders Heinz Schürmann erinnert, der dieses sämig fließende Gemisch aus Fruchtsaft, Wasser und Zucker unter dem Begriff „Fuchtnektar“ einführte und einen sensationellen Erfolg damit landete. Welche eine Vorstellung für den Konsumenten, im Supermarkt auf Flaschen gezogen kaufen zu können, was seit Jahrtausenden als Göttertrank durch die Sagenwelt wabert. Verbraucherschützer und Frauenzeitschriften haben immer wieder versucht, die Produktrealität hinter dem Wort aufzudecken, und erklärt, dass der von Bürokraten so genannte „Direktsaft“ viel besser sei. Der Nektar hat sich als unkaputtbar erwiesen.

Es ließe sich noch manches schöne und ermunternde Beispiel aufführen, wie man Wörter der deutschen Sprache für die wirtschaftlichen Zwecke seines Unternehmens einspannen kann. Auf dass es das eigene Angebot aus dem Meer des Wettbewerbs heraushebe und kostenfrei ohne Zeitverzug mit Bedeutung lade. Eines sei noch genannt, weil die Konstellation außerordentlich putzig anmutet: Der chinesische Autobauer Jiangling startet in diesem Monat den Verkauf seines ersten Geländewagen in Europa, und zwar unter der Marke „Landwind“. Die Entscheidung für dieses lyrische Wort, so schreibt die Financial Times Deutschland, entspringe der Leidenschaft der Chinesen für Deutsch klingende Namen. Wir könnten es ihnen gleichtun.

Über den Autor: Dr. Klaus Brandmeyer ist Geschäftsführer der Brandmeyer-Markenberatung.