Die Viscom, Fachmesse für visuelle Kommunikation, Technik und Design, ist seit 2007 auch der Branchentreff in Sachen digitaler Beschilderung und Information. Der Fokus liegt zu ihrer siebten Auflage wieder klar auf der Praxis: Die Aussteller bieten den Besuchern Anregungen, wie sie das Medium optimal nutzen können, sei es im Einzelhandel, in Hotels und Restaurants, in Bahnhöfen und Flughäfen, Kultureinrichtungen oder öffentlichen Plätzen.
Vertu präsentiert mit Digital Signage
Für ein innovatives Store-Design entschied sich vor zwei Jahren zum Beispiel Vertu, Hersteller hochpreisiger Mobiltelefone. Als Smartphone-Ausführung kosten die handgefertigten Luxusgeräte etwa 10.000 Euro. Vertu möchte sich auch beim Vertrieb von der Masse der Mobilfunker abheben. Die Flagship-Stores des Unternehmens befinden sich daher in London, Paris, Mailand, Singapur, Hongkong, New York und Las Vegas. Hinzu kommt ein internationales Vertriebsnetz aus über 500 Verkaufsstellen – darunter mehr als 70 Vertu-Boutiquen in 66 Ländern.
Entsprechend des neuen Store-Design-Konzepts hielt immer mehr Technologie Einzug in die gläsern gehaltenen Nobel-Showrooms. Besonders die innovativen Präsentationsmöglichkeiten durch Digital Signage hatten es den Konzernmanagern angetan. Verschiedenartig gefertigte Bildschirme zieren die Innenräume, die rotationsfähig sind und sowohl Einzelbilder als auch paarweise synchronisierte Inhalte wiedergeben können. Solid-State-Mediaplayer sorgen für stabile Dauer-Loops in herausragender Bildqualität – und können über ihre Hologramm-Verarbeitungseinheit dem interessierten Betrachter überraschende visuelle Reize bieten.
Die ganzen Sinne ansprechen – das ist der neue Trend im Store-Design. Ein stimmiges Gesamtkonzept, das neben Architektur und Interieur auch mittels abgestimmter Technik die Augen und Ohren einbezieht. „Wichtig ist, sich immer wieder neu zu erfinden“, sagt Claudia Horbert, Leiterin des Forschungsbereichs Ladenplanung und Einrichtung am EHI Retail Institute, Köln. „Etwa durch ideenreiche und unkonventionelle Einrichtungsdetails aus dem Visual Merchandising oder auch durch den Test neuer Technologien.“
Kicker-Tische bei der Telekom
Die Telekom lockt mit Kicker-Tisch und Lounge-Atmosphäre junge Kundschaft in ihre „4010“-Ladengeschäfte – vom Konzern nunmehr als Community Store bezeichnet. Die Produkte werden eher beiläufig inszeniert, schleichen sich daher eher subkutan ins Markengedächtnis der Besucher ein. Jedoch dürfen die vornehmlich jungen Kunden alle verfügbaren Geräte ausprobieren. Nach Geschäftsschluss wird zu Lesungen von Blog-Größen und technik-affinen Veranstaltungen wie etwa einer „Android Session“ eingeladen. „Es geht heute nicht mehr allein um die Ware“, analysiert EHI-Expertin Horbert, „ein moderner Laden bietet heute ebenso Unterhaltung und soziale Kontakte.“
Auch das Thema Instore-Music entwickelt sich immer mehr zum Trend bei den Store-Konzeptionen. Bei diesem „Sinnesschmeichler“ geht es nicht mehr nur darum, im Hintergrund einfach nur einen Dauer-Klangteppich auszubreiten. Für Heinz Hackl, Geschäftsführer des Modelabels René Lezard, muss ein Klangformat die Lebenswelt des Produktes widerspiegeln und „den Kunden darin eintauchen lassen“. Aus diesem Grund setzt René Lezard in den eigenen Monostores und Showrooms auf individuelle Instore Music, die das Label konzeptionell gemeinsam mit dem Münchner Spezialdienstleister S12 entwickelte.
Aufwendiges Instore-Audio-Konzept bei S.Oliver
Auch die neuesten Aktivitäten der Bekleidungskette S.Oliver untermauern den Audio-Trend. Sie stattete jüngst ihre 580 Läden in Deutschland mit einem aufwendigen Instore-Audio-Konzept aus. Verantwortlich für die Umsetzung zeichnete der Augsburger Full-Service Anbieter Echion AG, der sich auf Instore-Musik und Digital Signage Projekte im filialisierten Einzelhandel spezialisiert hat. „Kunden erleben die Marke am intensivsten vor Ort im Store“, sagt Echion-Vorstand Marc Doderer. Die Instore-Audioprogramme seien ein wichtiges Element für die Schärfung des Unternehmensprofils und den Erlebniseinkauf, „dem die Zukunft gehöre“.
Fakt ist: Mit Digital Signage lassen sich Shopper sozusagen „digital an die Hand nehmen“, wie es bereits der große Betreiber von Einkaufszentren, die mfi Management für Immobilien AG, praktiziert. Sie nutzt Digital Signage-Konzepte nicht nur großflächig zur Wegeleitung oder audiovisuellen Kommunikation, sondern auch ganz besonders zur Kundenbindung. Bestehende Couponingsysteme werden in den Malls mit interaktiven Stelen verknüpft, die mit großen touchfähigen Displays, einem Drucker, Kartenlesegerät und einer Kamera ausgestattet sind.
Rabatte und Coupons können somit vor Ort ausgegeben werden, entweder als QR-Code fürs Handy oder als Papiercoupon. Das lockt viel mehr Kundschaft in die Läden: Individuelle Ansprache macht ein Login möglich, zudem können die Besucher Kundenkarten erwerben oder Preisvorteile für Produkte in den Geschäften über das Digital Signage System abrufen. Die Software für die insgesamt 400 Digital Signage Player in den bundesweit verteilten Arcaden Shopping Centern kommt vom Kölner Unternehmen Dimedis.
Negative Effekte bei schlecht geplanten Digital-Konzepten
Dass die Integration digitaler Konzepte einen sinnvollen Beitrag zur Umsatzentwicklung leisten kann, fand übrigens jüngst die weltweite Unternehmensberatung SapientNitro heraus. In ihrer Studie „Insights 2013“ untersuchten die Medienexperten 71 Flagship-Stores in New York City und bewerteten diese anhand einer vorab definierten Omni-Channel Scorecard. So erhielten in der US-Betrachtung nur vier von 71 Einzelhändlern gute Bewertungen für die effiziente Integration von Digital im Shop.
Die Kernaussagen der Studie bergen auch Erkenntnispotenzial für den deutschen Markt: Unzureichend geplante und realisierte Digital-Konzepte wirken sich negativer aus, als kein Einsatz von digitalen Komponenten. Der Einsatz der richtigen digitalen Instrumente führt zu einem erhöhten Return-on-Investment. Unternehmen, die ihren Kunden beispielsweise die Möglichkeit bieten, online zu bestellen und die Ware im Laden abzuholen, verzeichnen einen durchschnittlichen Umsatzzuwachs von zehn bis 40 Prozent. Das Fazit der Forscher: Einzelhändler müssen verstärkt auf digitale In-Store Erlebnisse setzen, die den Kunden während des Kaufprozesses nachhaltig unterstützen.
(Detlev Brechtel /asc – Foto: viscom)