Egomarketing a la Trump: „Man kann sich schlecht selbst Applaus geben“

Volker Eickenberg, Professor für BWL, insbesondere Human-Resource-Management, im Interview mit der absatzwirtschaft über Charaktereigenschaften eines Egomanen, dessen Strategie und warum Donald Trump so erfolgreich ist.

Herr Eickenberg, wie kann es sein, dass manche Menschen so egomanisch sind?

VOLKER EICKENGERG: Menschen wollen bei generalisierter Betrachtung zwei Dinge: entweder Nachteile vermeiden oder Vorteile bekommen. Die meisten Menschen suchen naturgemäß immer die Vorteile. Wer diese dann auch immer erhält, im Unternehmen an Ansehen und Macht gewinnt, entwickelt eine Egomanie. Man schaut nicht mehr nach links und rechts, denkt nur noch an sich, nicht mehr an das Betriebsklima oder die Mitarbeiter. Heutzutage gibt es mehr Egomanen als früher.

Woran liegt das?

eickenberg2Seit einigen Jahren wird den Menschen in der Kunst, aber vor allem in den Medien signalisiert: Du bist etwas Besonderes! Lebe deine Einzigartigkeit! Diese Botschaft ist zum einen durch den Wertewandel in der westlichen Gesellschaft sowie zum anderen durch die wirtschaftliche und politische Dynamik, die als „Change“ bezeichnet wird, begründet. Egoismus und Altruismus, Schnelligkeit und Gründlichkeit stehen in einem Spannungsverhältnis. In einer Welt, die sich zunehmend neuen Werten zuwendet, die Konsum zum Religionsersatz erhebt, scheint der Mensch nur dann Orientierung zu erhalten, indem er sich als fest stehende Achsennabe versteht, um die sich alles dreht. Dies scheint egomanisches Verhalten heutzutage zu begünstigen.

Welche Charaktereigenschaften benötigt man, um sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen?

Prestige, eine große Anhängerschaft und Statussymbole können helfen. Dann folgt eine ganz klare Distanzierung von anderen Menschen. Weil man sich nicht selbst Applaus geben kann, braucht man Wähler und Anhänger, die das übernehmen.

Haben Sie ein Beispiel?

Das prominenteste ist natürlich im Moment Donald Trump. Trump symbolisiert immer wieder: „Ich kann alles haben, wenn ich nur hart genug dafür arbeite.“ Das Märchen vom amerikanischen Tellerwäscher-Traum ist eine Art Legendenbildung, die hart verteidigt wird. Er stellt sich als „Macher“ dar, und das beeindruckt die Amerikaner sehr. Weil Trump sich selbst als „hart Arbeitenden“ bezeichnet, der Ideen und Visionen real werden lassen kann, hat er sich sein Erfolgsmuster selbst zusammengebastelt, auch wenn sein Vater das Trump-Imperium aufgebaut hat.

Haben Sie für Deutschland ein Beispiel?

Winfried Kretschmann hat ein ganz hohes Ansehen in Baden-Württemberg. Hier ist eines faszinierend: Es wurden nicht die Grünen, sondern der Kandidat Kretschmann gewählt. Obschon wir aus historischen Gründen die Parteienwahl haben, kommt dies trotzdem gelegentlich vor. Aufgrund einer komplex vernetzten Welt gibt eine Personenwahl den Menschen Orientierung und damit Vertrauen. Dies könnte Schule machen.

Wie entstehen Visionen?

Wenn konservative Werte vorherrschen, dann verpackt der Politiker die Botschaft in Visionen. Man schaut, dass man Grundkonstellationen und Ideen als Visionen verkauft. Bei Trump wird es am Ende sicher nicht darauf hinauslaufen, dass er mehr Arbeitsplätze schafft. Aber die Vision davon wirft er mal in den Raum. Für uns Deutsche ist diese Art von Selbstinszenierung irritierend. Denn wir leben nicht in diesem politischen System und sind so nicht aufgewachsen.

Gehört Angstschüren zu einer Art Strategie?

Natürlich. Zeigt man den Menschen negative Aspekte, die zum Beispiel mit Zuwanderung laut Trump einhergehen, schürt man Angst und schottet so die amerikanische Gruppe ab. Man sollte immer an die Grundwerte appellieren. Und wenn diese Werte hervorgehoben werden, schafft man sich eine Anhängerschaft, die dann zusammen in ihren Ängsten bestätigt wird, wenn es der Anführer immer und immer wieder verlauten lässt. Trump will Amerika wieder groß machen. Wie das aussehen soll, hat er noch nicht konkret gesagt. Was an Nachteilen zu vermeiden ist, hat er geschürt und somit seine politische Gegnerin in eine ganz klare Ecke gedrängt.

Gibt es einen Unterschied zwischen Egomännern und Egofrauen?

Definitiv. Bei Frauen kommen egomanische Charaktereigenschaften nicht so häufig vor, obwohl sie auf dem Vormarsch sind und es viele prominente Beispiele, wie zum Beispiel Paris Hilton mit ihren Divenauftritten, gibt. Bei Männern läuft das so: „Das ist mein Haus, mein Pferd, meine Frau, meine Geliebte.“ Frauen verpacken diese Selbstdarstellung klüger. Sie binden andere stärker mit ein, heben sich selten selbst hervor und schlagen dann clever zu.

Macht es die Digitalisierung schwerer, seine eigene Marke zu bilden?

Menschen sind heute sehr auf Digitalisierung fixiert. Manche können es aber nicht überblicken, welche Konsequenzen ihre Entscheidungen haben. Denn das Internet merkt sich alles. Das, was Trump sagt, kann tatsächlich passieren. Oder bleiben wir in Großbritannien: Wenn man den Brexit wählt, dann ist das kein Gedankenspiel, sondern führt tatsächlich zum Austritt aus der EU. Alle Entscheidungen, ob sie digital unterstützt oder in der Wahlkabine getroffen werden, haben Konsequenzen. Die echte und die virtuelle Welt verschwimmen miteinander. Die Zeit scheint für Egomanen gut zu sein, weil sie ein großes Publikum im Sinne des viralen Marketings für sich digital begeistern können.