Trotz eines eigenen Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der „leichtfertigen Geldwäsche“ sagte Joachim Lüdeke, Geschäftsführer Emerson FF, am gestrigen Montag im Prozess um Aleksander Ruzicka und Aegis Media aus. Lüdeke gilt als Schlüsselzeuge. Es sollen gemäß Anklage Freispots im Wert von 40 Millionen Euro über das vom ihm geführte Barterunternehmen in die Taschen der Angeklagten geflossen sein.
Lüdeke schilderte das Bartergeschäft (Tauschgeschäft) als festen Bestandteil verschiedener Wirtschaftszweige. Barterfirmen wie Emerson FF würden Lösungen für Problemware anbieten. Egal ob für Sportartikel oder Autoreifen. Vor allem gelte dies aber für Dinge die verfallen wenn sie nicht verkauft werden. Dazu gehören unverkaufte Sitze in Flugzeugen ebenso wie freie Hotelzimmer oder nicht gebuchte Plätze in TV-Werbeblöcken. 80 Prozent der Bezahlung erfolge durch Medialeistung, wie Inserate oder TV-Spots.
Besonders während des Aufbaus des deutschen Privatfernsehens hätte dies eine große Rolle gespielt. Im Jahr 2003 habe er nach ersten Gesprächen mit dem damaligen CEO von Aegis Media, Aleksander Ruzicka, die Firma Emerson FF gegründet. Wegen Aegis Media aber nicht mit Ruzicka, so Lüdeke. Wie viele andere Mediaagenturen sei auch Aegis Media damals wegen rückläufiger Etats auf der Suche nach neuen Einnahmequellen gewesen. Nach einer Präsentation des Emerson FF Barter-Modells beim damaligen Aegis Media Worldwide CEO Doug Flynn in London habe Ruzicka den Auftrag erhalten, ein europaweites Barternetzwerk aufzubauen.
Emerson FF habe dafür von Aegis Media ein jährliches Budget von 250 000 Euro erhalten und sei „Preferred Partner“ geworden. Pro Kunde und Jahr seien weitere 50 000 Euro vereinbart gewesen. Lüdeke habe danach quer durch Europa bei den Aegis Länderchefs das Modell präsentiert. Aegis habe das Bartermodell ausprobieren, jedoch das Risiko nicht selbst tragen wollen. Lüdeke habe dann Verträge mit den Firmen Camaco und Watson abgeschlossen, die ihm vom damaligen Aegis Media CEO Aleksander Ruzicka vorgestellt wurden.
„Natürlich sind diese Verträge auch unterschrieben worden,“ widersprach er der heutigen Angabe von Ruzickas Nachfolger Andreas Bölte. Zu Beginn habe in den Verträgen mit Emerson FF sogar „Aegis/Camaco“ beziehungsweise „Aegis/Watson“ gestanden. Nicht nur deshalb habe er beide Firmen der Aegis-Gruppe zugeordnet: „Wo sollten die Freispots sonst auch herkommen?“, so Lüdeke wörtlich. Die TV-Werbezeiten-Vermarkter hatten letzte Woche bezeugt, dass sie zu keinem Zeitpunkt Kunden namens Camaco oder Watson hatten. Beide Firmen konnten demnach auch keine Freispots von den TV-Sendern direkt bekommen.
Lüdeke geht davon aus, dass Aegis Media den Firmen Camaco und Watson kleine Teile der agenturbezogenen Freispotkontingente zur Kapitalisierung überschrieben habe. Für Lüdeke war dies kein neues Modell: bereits zu Zeiten von HMS Carat habe er mit der Firma PLV ähnlich zusammen gearbeitet. PLV soll im Eigentum des damaligen Geschäfsführers von HMS Carat gewesen sein. Zudem seien über Camaco und Watson zwischen 2003 und 2005 Freispots im Gesamtwert von rund 40 Millionen Euro zu Emerson FF gekommen – was nur einem kleinen Teil der Freispotkontingente von Aegis Media entsprechen würde, so Lüdeke.
Auf Nachfrage des Richters erklärte der Zeuge Lüdeke, dass 25 Prozent an Emerson FF von Emerson Communications gehalte wurde, weitere 25 Prozent von der Firma Life2Solutions und 50 Prozent in einem Treuhandbesitz standen. Es sei geplant gewesen, dass die 50 Prozent später von Aegis Media übernommen werden sollten. Life2Solutions sei eine Art Controlling auf operativer Ebene gewesen. Emerson FF habe an diese Firma sämtliche Reportings und Ex-Post-Analysen geschickt. Aegis Media muss laut Lüdeke involviert gewesen sein, weshalb auch Aegis-Einkaufschef David Linn zuständig gewesen sei.
Sendebestätigungen, Abrechnungen und Eingangsrechnungen seien von Emerson FF immer direkt an Aegis Media beziehungsweise an die Geschäftsführer deren Marken Carat und Vizeum geschickt worden. Für Lüdeke ein ganz normaler Vorgang, den er in ähnlicher Form auch mit anderen Mediaagenturen umsetzt. Über die Aegis-Boardmeetings, die Umsetzung als auch die Präsentationen habe Lüdeke umfangreiche Aufzeichungen, Sitzungsprotokolle sowie Mail- und Schriftverkehr der Staatsanwaltschaft übergeben. Eher beiläufig wurde bekannt, dass dies nicht nur ein Aktenordner war, den die Staatsanwaltschaft zum Inhalt des Gerichtsaktes gemacht hat.
Lüdeke legte ein Übergabeprotokoll vor, wonach er am 26.11.2006 der Staatsanwaltschaft 20 Aktenordner übergeben hat. Ruzickas Verteidiger Marcus Traut sah seinen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens bestätigt: es seien erneut 19 Aktenordner vor der Verteidigung verheimlicht worden. Man könne nur in etwas Einsicht nehmen von dem man auch Kenntnis habe, so Traut. Die Verteidigung unterstellte zudem, dass die Staatsanwaltschaft auf Druck und Zuruf des größten Gewerbesteuerzahlers von Wiesbaden, Aegis Media, agiere.
Staatsanwalt Jördens wies diese Behauptung scharf zurück: „Dies entbehrt jeglicher Grundlage.“ Jördens beantragte die Abweisung aller gestellten Beweisanträge. Diese würden nur dem Zweck dienen, den wahren Gegenstand des Verfahrens zu verschleiern, Aegis Media öffentlich in Misskredit zu bringen und zu schädigen. Die Vernehmung der von der Verteidigung benannten Zeugen sei überflüssig und unnütz. Die Beischaffung von Geschäftsbesorgungsverträgen und anderem sei ebenso überflüssig, da der Inhalt „für die Entscheidung des Gerichtes ohne Bedeutung ist.“
Die Behörde habe nach den Unterlagen gesucht, „die man für die Anklage gebraucht habe.“ Im Ermittlungsakt befänden sich alle Unterlagen, „die nach Meinung der Staatsanwaltschaft wichtig sind,“ so Jördens. Für Staatsanwalt Jördens sei die „anonyme“ Strafanzeige von Rechtsanwalt Gaedertz und Ruzickas Nachfolger Aegis Media CEO Andreas Bölte „irgendein Stück Papier.“ Die Anklage gehe weit darüber hinaus. Es sei nicht wichtig ob Andreas Bölte Kenntnis von der Anzeige hatte, sondern Aufklärung von Straftaten erreichen wollte.
Der Zeitpunkt der Anzeige sei ebenso bedeutungslos wie der Umstand, dass man seitens Aegis Media danach 15 Monate tatenlos zugeschaut habe. „Aegis Media wollte aufklären,“ so Jördens. Die Beweisanträge seien „wegen Bedeutungslosigkeit zurückzuweisen.“ Ruzickas Anwalt Traut bekräftigte die Relevanz der benannten Zeugen und Beweismittel: „Man muss diese nur erkennen,“ so Traut wörtlich. Vom Vorsitzenden Richter Jürgen Bonk wurde ein Schreiben von Aegis Media CEO Andreas Bölte vom 28.1.2008 verlesen. Bölte entbindet trotz des Wunsches nach Aufklärung seinen Firmenanwalt Eckart C. Hild nicht von der anwaltlichen Schweigepflicht – falls dieser als Zeuge vernommen werden sollte.
Ruzickas Verteidiger beantragte die Ladung des Botschafters der Republik Südafrika in Deutschland als Zeugen. Er möge bestätigen, dass sein Mandant keinen Reisepass des Landes habe. Gaedertz und Bölte hätten dies in der Strafanzeige erfunden um für seinen Mandanten einen Haftgrund – Fluchtgefahr – zu liefern.
Am Donnerstag 31.1.2008 sind die ersten Zeugen von Aegis Media geladen. Darunter auch eine ehemalige Angestellte, die von Ruzicka mit mehr als 400 000 Euro Schweigegeld bestochen worden sein soll, und als „Kronzeugin der Anklage“ gilt. Über die Anträge der Verteidigung auf Sicherung von Beweismitteln und Aussetzung des Verfahrens ist erneut nicht entschieden worden.
Für absatzwirtschaft aus Wiesbaden: Michael Ziesmann