Diversity & Inclusion: Nur ein Marketingtrend? 

„Where inclusion is not just another hashtag“: Del Keens kritisiert offensives Diversitätsmarketing scharf. Mit Misfit Models, seiner Modelagentur für nicht-normtypische Körper, zeichnet der Engländer einen Gegenentwurf. 
Del Keens, Gründer der Agentur Misfit Models (© Kasper Fuglsang Photography )

„Can I take some pictures?“, wird Del Keens vor etwa 30 Jahren zufällig vom bekannten Modefotografen David Sims in London auf der Straße angesprochen. Und das, obwohl sein Körper eigentlich nicht dem perfekten Model-Ideal entspricht. Trotz einiger Verwirrung sagt Del zu. Es ist der Beginn einer internationalen Karriere als „ugly model“ mit Aufträgen für zahlreiche große Marken. 

Nach vielen Jahren in der internationalen Modebranche zieht Keens nach Berlin, wo er eine passende Agentur sucht, um sein Wissen zu teilen und einzubringen. Da er nicht das findet, was er sucht, gründet er kurzerhand selbst: „Misfit Models“ ist geboren – eine Modelagentur für nicht-normtypische Körper. 

Niedrige Zahlungsbereitschaft in der Modebranche? 

„Die Leute kennen mich und meine Geschichte zu einem gewissen Grad“, sagt Del Keens im Gespräch mit der absatzwirtschaft. Wie viele Aufträge seine Agentur im Jahr bekomme, sei allerdings schwer zu sagen und höchst unsicher. „Ich weiß nicht, wann der nächste Telefonanruf kommt. Es könnte ein Auftrag für ein Model oder für 20 sein, es könnte ein kleiner Künstler ohne Geld sein oder eine große Marke mit sehr viel Geld“, erklärt der Agenturgründer. 

Astra bewirbt seine Kiezmische mit einem Misfit Model. ©Sven Sindt

Je weiter es gegen Ende des Jahres ginge, desto mehr stiegen die Auftragszahlen. Die meisten Aufträge kämen um Weihnachten herum. Zusammengearbeitet haben Del und seine Models schon mit sehr verschiedenen Akteur*innen: Da sind zum einen große Marken wie Audi, McDonald’s, BVG, Samsung oder Men‘s Health, aber auch Musikvideos oder die TV-Serie „Die Pfefferkörner“. Nicht so gerne mag Keens die Modebranche: „Die sagen oft, sie haben kein Geld, und wollen keinen fairen Preis bezahlen“, kritisiert er. 

Don’t hashtag it, do it 

Beim Blick auf die Themen Diversität und Inklusion will Keens einen gesellschaftlichen Trend ausgemacht haben: „Leute sagen: ,Lasst uns alle integrieren‘, was ja irgendwo auch gut ist.“ Dennoch gebe es auch viele Menschen, die nur auf diesen Zug aufspringen würden, weil es trendy sei und sie selbst davon profitierten. Um diese Praxis zu illustrieren, erzählt Keens unter anderem von hochpreisigen Online-Events, die Unternehmen helfen sollen, mit mehr Diversität ihre Human Ressources aufzuwerten – groß gesponsort und inszeniert von populären Medienhäusern. 

Auch Sixt hat schon mit Misfit Models geworben. ©Wulf Fotografie

Misfit Models hingegen vergebe die Aufträge an die Darsteller*innen nicht, weil sie schwarz oder homosexuell seien, sondern weil sie einen guten Job machten. Wichtig sei, nicht zu inszenieren, wie toll man ist, sondern ins Handeln zu kommen. Trotz des Hypes glaubt der Gründer: „Beauty will always sell.“ Manchmal brauche es bestimmte Menschen, um einen Charakter abzubilden, eine Rolle zu spielen, mit der die Konsument*innen sich identifizieren können – hier komme Misfit Models ins Spiel. Dennoch: „Ein hübsches Gesicht ist immer attraktiv, ein hässliches ist das nicht“, sagt Keens in provokanter britischer Manier. Grundsätzlich werde die Gesellschaft jedoch toleranter, findet er. Trotzdem gebe es eine Minderheit, die sich diesem Wandel konsequent verweigere. 

Word of Mouth und Social Media 

Und wie vermarktet sich Misfit Models selbst? „Hauptsächlich durch Word of Mouth“, erklärt der Gründer – durch Mundpropaganda also: „Und das funktioniert.“ Fairness und gute Arbeit spreche sich herum. Zusätzlich poste er die Bilder seiner Models in den sozialen Netzwerken, habe in einigen Podcasts mitgemacht und arbeite mit Online-Anfragen. Über die Jahre habe Keens zudem eine ganze Reihe von TV-Interviews gegeben. Das habe Bekanntheit geschafft. 

Del Keens im Auftrag von Calvin Klein. ©David Sims

Der Engländer mag es allerdings gar nicht, für die Social-Media-Posts zu bezahlen. „Wer nicht bezahlt, verliert an Reichweite“, sagt er. Und das sehe er nicht ein. Eine weitere Regel für sein Online-Marketing: Sich nicht in Diskussionen verwickeln lassen, immer freundlich und neutral bleiben. 

Sein Tipp zum Abschluss: Rede nicht darüber, wie toll und inklusiv du bist, sei es! 

(fs, Jahrgang 1998) studiert nach einem halben Jahr in der Redaktion des „Nordschleswigers“ in Süddänemark den Master Sozioökonomie und ist seit Januar 2023 Werkstudent bei der absatzwirtschaft. Neben einem breiten Interessensspektrum findet er progressive Themen besonders spannend: Nachhaltigkeit, Sozialunternehmertum oder New Work sind dazu nur einige vieler Buzzwords.