Die Geschichte hinter dem Markennamen Vitra

Der Name des Möbelherstellers geht gerade nicht auf den Familiennamen des Gründers zurück. Der hätte für Irritationen gesorgt.
Vitra hat auch Designgeschichte geschrieben, etwa mit dem legendären Panton Chair. (© Vitra International AG (Montage: Olaf Heß))

Was hat ein Großteil der besten Konferenzräume der Welt mit dem Bundestag gemeinsam? Die Konferenzteil­nehmer und Abgeordneten sitzen auf ­Stühlen von Vitra. Währenddessen sitzt die Zentrale der Vitra AG nach wie vor in der Schweiz, wo die Marke ihren ­Ursprung hat.

Im kleinen Birsfelden bei Basel übernahm Willi Fehlbaum 1934 mit gerade mal 20 Jahren den kleinen Ladenbaubetrieb seines Vaters. Gemeinsam mit seiner Frau Erika entwickelte er die ­Firma weiter und begann auch Möbel herzustellen. Nachdem der Krieg die Entwicklung stocken ließ, veranlassten der Wiederaufbau-Boom und die verfügbaren Arbeitskräfte die Fehlbaums 1950 dazu, ein neues Werk im deutschen Weil am Rhein zu errichten. Dem Vernehmen nach soll es ein wichtiger Kunde gewesen sein, der den Schweizern sagte, dass „Fehlbaum“ kein idealer Name für einen Betrieb sei, der mit Holz arbeitet. Da ersann Willi Fehlbaum – im Hinterkopf das damalige Kerngeschäft Ladenbau – den Namen „Vitra“ in Anlehnung an das Wort „Vitrine“, das in Deutsch und Französisch dieselbe ­Bedeutung hat.

Inspiration aus den USA

Die Initialzündung für den Erfolg der Marke Vitra legte eine USA-Reise der Fehlbaums 1953. Dort entdeckten sie die Ausstellungsstücke des Designer-Ehepaars Charles und Ray ­Eames. Die Fehlbaums bemühten sich direkt um die Vertriebslizenzen zunächst für Europa. Sie erhielten diese Rechte von Herman Miller, dessen Möbelfirma ein hohes Ansehen in den USA hatte. Zu dem Vertrag zählten die Entwürfe der ­Eames sowie die des Miller-Chefdesigners George Nelson. Die Sitz- und Liegemöbel der ­Eames gehören bis heute zu den erfolgreichsten Produkten des Unternehmens.

Vitra schrieb verschiedentlich Design­geschichte, nicht nur durch Lizenzen bereits bekannter Modelle, sondern auch durch eigene Entwicklungen. Legendär ist etwa der „Panton Chair“ des dänischen Designers Verner Panton, der 1967 bei Vitra in Serie ging. 1976 kam Vitras erster selbst entwickelter Bürostuhl auf den Markt, der „Vitramat“. 1977 übernahm der älteste Sohn Rolf Fehlbaum die Leitung des Unternehmens und gab ihm weitere erfolgreiche Impulse. Bis heut­e werden bei Vitra Modelle bekannter Desig­ner und Architekten hergestellt, wie der „Grand Repos Chair“ von Antonio Citterio und Entwürfe von Alberto Meda, Maarten Van Severen, Jasper Morrison, Hella Jongerius, Konstantin Grcic und Mario Bellini. Bellinis samtblauer Drehstuhl „Figura“ ziert den Plenarsaal des Deutschen Bundestages.

Vitra-Stühle als nachhaltige Wertanlage

Das Nachhaltige an Vitra ist neben der Materialauswahl auch die Tatsache, dass man ein Vitra-Produkt nicht wegwirft. Im Gegenteil: ­De­signerstücke wie zum Beispiel ein ­„­Eames ­Lounge Chair“ gelten als langlebige Wertanlage, vergleichbar mit einer alten Rolex-Uhr.

Die Marke Vitra ist so zum Synonym für hochwertiges Design geworden. ­Kooperationen mit berühmten Architekten, Designern, Museen, Hochschulen und der internationalen Kunstszene haben maßgeblich dazu beigetragen. In dem von Stararchitekt Frank O. ­Gehry erbauten Vitra Design Museum werden wechselnde thematische Ausstellungen, Retrospektiven und Workshops aus Architektur und ­Design gezeigt. Das Museum ist eingebunden in den „Vitra Campus“, das Architektur-Ensem­ble auf dem Firmen­areal.

Zu der immer noch im Familienbesitz ­befindlichen Vitra AG gehören Dependancen in 14 Ländern. Nach wie vor ist das Unternehmen in die Bereiche Ladenbau – mit Firmen wie Ansorg und Siza Factory – und ­Möbel aufgeteilt, Letzteres abgedeckt durch Firmen wie Contura, Modo, Vitra Factory und Vitra IT.

Vitra gibt es nicht nur einmal

Bei allem Erfolg gibt es eine kleine markenrechtliche Eintrübung. Denn es gibt eine fast identische Marke „VitrA“, unter der global Sanitärkeramik, Armaturen, Fliesen und Bad-Accessoires vertrieben werden. Unter anderem weil diese ­Marke der türkischen Eczacibasi Holding aus Istanbul schon seit 1942 am Markt ist, gelang es der Vitra AG nicht, sie zu unterbinden. Heute pflegen beide Marken eine friedliche Koexistenz, ­legen aber Wert darauf festzustellen, nichts miteinander zu tun zu haben.

Dieses Beispiel lehrt, dass man intensiv und weiträumig recherchieren sollte, bevor man sich für einen Markennamen entscheidet. Designfreunde werden es aber verkraften, auch in Zukunft keine Badewannen und Toilettenbecken von Vitra mit dem kleinen „a“ erhalten zu können.

Dr. Bernd M. Samland ist Gründungsgeschäftsführer von Endmark und verantwortet damit seit 25 Jahren die Entwicklung von mehr als 1800 Markennamen. Er ist Fachbuchautor und Lehrbeauftragter am Management Center Innsbruck (MCI), an der TU Graz und an der Universität zu Köln. Im Juli 2020 erschien sein neues Buch "Naming für erfolgreiche Marken".