Die Customized Agency – Ein neues Arbeitsmodell oder Sündenfall?

Nur wenige Themen bei der Zusammenarbeit zwischen Werbungtreibenden und Agenturen werden derzeit so kontrovers und so heftig diskutiert, wie die Customized Agency. Unter diesem Begriff werden Ansätze zusammengefasst, bei denen Agenturen sich an den Bedürfnissen eines Kunden ausrichten. Kritiker werfen den beteiligten (Agentur-)Protagonisten im wesentlichen Verrat vor.

Es geht also um Verrat: an der eigenen (Kreativ-)Kultur, an den Mitarbeitern, die nur dann glücklich, kreativ und leistungsfähig seien, wenn es ständige Abwechslung gäbe und an den Agenturbilanzen (wenn es sich wie bei Spark44 und Bobby&Carl um Joint Ventures mit den Kunden handelt).

Die Customized Agency ist nichts Neues

Das was Spark44 für Jaguar, antoni für Mercedes-Benz, C14Torce für SEAT, Innocean für Hyundai, LTT und „We are Unlimited“ für McDonald’s, „Zum Roten Hirschen“ für Media Markt, Bobby&Carl für thyssenkrupp oder RCKT für Rocket Internet darstellen, gab es schon mehrfach in der Geschichte der Werbung. Die älteren Leser werden sich an eine internationale Agenturgruppe erinnern, die unter dem Namen Lintas ein weltweit agierendes Netzwerk betrieb. Der Name stand für „Lever International Advertising Service“ und die Agentur wurde 1929 von Unilver zunächst als Inhouse Agentur gegründet, später dann wurde die New Yorker Werbeholding Interpublic Aktionär, zuerst nur mit einer Minderheitsbeteiligung in Höhe von 49 Prozent.

Besondere Nähe zwischen Agentur und Auftraggeber

Immer wieder auch wurden Inhouse Agenturen vor dem Hintergrund zu treffender „Make or Buy“ Entscheidungen diskutiert. Die neueren Ansätze tragen diesem Umstand bereits Rechnung, weil sie – anders als früher der Fall – keine Abteilungen der Unternehmen sind. Sie sind, wie ihre Urahnen, auf die Bedürfnisse des jeweiligen Kunden maßgeschneidert. Die Bandbreite der unternehmerischen Modelleistung jedoch deutlich ausgefeilter. So gibt es Agenturen, die vollständig im Besitz Ihrer Manager sind (z.B. antoni), solche die mehrheitlich im Besitz von Agenturgruppen sind (z.B. C14Torce , Zum Roten Hirschen) und wieder andere, an denen sich die Kunden direkt beteiligt haben (z.B. Spark44, Bobby&Carl). Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt, wie LTT („Leo´s Thjnk Tank) das Joint Venture von Leo Burnett und thjnk für McDonald’s zeigt.

Werbungtreibende entscheiden sich in der Regel dann für solche Modelle, wenn sie besondere Bedürfnisse haben, wenn sie sich eine besondere Nähe zwischen Agentur und Auftraggeber wünschen und wenn sie eine besondere Aufmerksamkeit bzw. Konzentration der Agentur auf die eigenen Themen fordern. Auch eine engere Zusammenarbeit im Sinne von Co-Creation wird häufig als Argument für die Customized Agency genannt.

Customized Agency: Sündenfall?

Ob sich die Customized Agency innerhalb der internationalen Agenturlandschaft zu einer etablierten Variante entwickeln wird, wird die Zeit zeigen. Spark44 ist es innerhalb von sechs Jahren gelungen, ein Netzwerk mit 18 Büros und 1.000 Mitarbeitern aufzubauen, antoni ist die erste deutsche Werbeagentur, der es gelungen ist, einen TV-Spot für den Superbowl zu entwickeln und RCKT (Rocket Communications) nennt heute Unternehmen wie die Deutsche Bahn, L’Oréal, Puma und Google auf ihrer Kundenliste. Für diejenigen, die im Modell der Customized Agency einen Sündenfall sehen, sind längst schwere Zeiten angebrochen, denn mit Unternehmensberatungsgiganten wie Accenture, Tech-Companies wie IBM oder den Verlagsgruppen Burda und Gruner und Jahr sind weitere Player in den Agenturmarkt eingetreten. Diese Dynamik zeigt zwei Dinge: zum einen bleibt der Agenturmarkt in Bewegung und zum zweiten scheint es „das“ eine Agenturmodell auf absehbare Zeit nicht mehr zu geben.

Die Londoner Niederlassung von Anomaly hatte vor einigen Jahren einen bemerkenswerten Satz auf der Selbstbeschreibung ihres Twitter Profils: „Always in Beta.“ Für mich beschreibt das den Idealzustand einer Agentur, die sich auf das vorbereiten will, was vor uns liegt.

Diese Kolumne entsteht in Zusammenarbeit mit dem Gesamtverband der Kommunikationsagenturen (GWA). Die GWA-Vorstände Nina Rieke (DDB Group) und Michael Trautmann (thjnk) schreiben hier regelmäßig für die absatzwirtschaft zum Thema Kunde-Agentur-Beziehung. Anlass ist eine große Kooperation zwischen der absatzwirtschaft, dem GWA und Agenturmatching: zur Agentursuche.