Wie die Berater beobachten, gewinnen besonders ausländische Institute Marktanteile mit neuartigen Produkten, standardisierten Prozessen und innovativem Marketing im Neukundengeschäft. Heimische Banken dagegen setzten bisher vor allem auf ihre treuen Bestandskunden. Bei sich verschlechternden Rahmenbedingungen, etwa steigenden Zinsen, erwarten die Experten Einbrüche, da die banken wegen des scharfen Preiswettbewerbs die Mehrkosten nur bedingt an die Kunden weitergegeben können. Schon heute tendiere die Zinsmarge bei einigen Banken im Kundengeschäft gegen null. Hauptrisiko sei auf Grund der derzeit extrem günstigen Zinskonditionen die Baufinanzierung.
Auf den ersten Blick erlebe das Retail Banking von Sparkassen, Volks- und Universalbanken sowie fokussierten Instituten in Deutschland eine ungeahnte Renaissance. In den vergangenen fünf Jahren hätten sich der Gewinn in diesem Marktsegment von 7,3 Milliarden Euro auf 15,5 Milliarden Euro mehr als verdoppelt. Bei den großen
privaten Banken erreiche die Eigenkapitalrentabilität des Privatkundengeschäfts inzwischen deutlich über 20 Prozent vor Steuern, in der Spitze sogar mehr als 30 Prozent. Beobachter sprechen von einer Aufholjagd deutscher Institute auf Konkurrenten aus dem Ausland und einem Innovationsschub bei attraktiven Zinsprodukten.
„Intelligent betrieben, ist das Privatkundengeschäft grundsätzlich sehr lukrativ, eine große Chance für jede Bank“, erklärt McKinsey-Partner Eckart Windhagen bei der Vorstellung der Studie in Frankfurt. Allerdings setzten manche Banken dabei eher auf das Prinzip Hoffnung, anstatt ihr Geschäftsmodell konsequent weiterzuentwickeln. Es fehle der Branche an Substanz für nachhaltiges Wachstum. Nur wer sein Geschäft krisensicher gestaltet habe, könne angesichts des harten Kampfs um jeden Neukunden auch in Zukunft erfolgreich sein.
Unbeeindruckt kalkulierten Retail-Banken weiter mit einem günstigen Umfeld. Dabei seien auch Investoren längst nicht von einer nachhaltig positiven Entwicklung überzeugt. Das hohe Bewertungsniveau deutscher Banken sei maßgeblich auf den Wert aktueller Erträge zurückzuführen. Die Erwartungen an langfristiges Wachstum seien bei den großen deutschen Banken in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen. Fallende Zinsen und scharfer Preiswettbewerb hätten in den vergangenen Jahren zu einem andauernden Verfall der Zinsspreads geführt, die Aussagen darüber machen, wie teuer Banken ihr Geld einkaufen und zu welchen Zinssätzen sie es verleihen.
Im harten Kampf um Marktanteile seien ausländische Banken die Impulsgeber. Sie hätten in den vergangenen zehn Jahren in Deutschland mehr als 30 Milliarden Euro allein in Übernahmen investiert. Zwei Dutzend heimische Banken oder Teile davon wurden übernommen. Die deutschen Institute hätten von den neuen Wettbewerbern gelernt und das Prinzip Lean eingeführt: mehr Servicequalität bei günstigeren Kosten. Und sie hätten ihre Vertriebe mit finanziellen Anreizen an Erfolg gebunden. „Aus Bankern“, so McKinsey Partner Markus Habbel, „werden Verkäufer gemacht.“
Zwar hätten sich durch das stabile Bestandskundengeschäft die Marktanteile bisher noch wenig verschoben. Aber es gebe zunehmend Bewegung. Die klassische Hausbank büße in Deutschland ihre starke Position ein. 2005 wurden nach Schätzungen von McKinsey insgesamt 20 bis 25 Millionen Finanzprodukte gekauft, davon mehr als die Hälfte außerhalb etablierter Kundenbeziehungen. „In dieser Situation gelten neue Regeln im Privatkundengeschäft. Zinsspreads und Fokus auf das Bestandsgeschäft haben als Erfolgsgrundlage ausgedient,“ erklärt Windhagen. Es gelte, neue Profitpools beispielsweise im Asset Liability Management oder durch neue Produkte zu schaffen. Ebenso wichtig sei es, Wachstum und Effizienz parallel zu managen.