Der Blick in den Rückspiegel hat ausgedient

Falsche KPIs, ineffiziente Prozesse und menschliche Fehleinschätzungen lassen die Kampagnenplanung im Marketing schnell zu einem ineffizienten Kostentreiber werden. Predictive Analytics helfen dagegen. Ein Gastbeitrag.
Das Marketing setzt Predictive Analytics beispielsweise ein, um die zukünftigen Bedürfnisse einer Kundengruppe zu ermitteln. (© Unsplash/Tessa Simpson)

Von Mathias Elsässer

„Die Zukunft lässt sich nicht vorhersagen, aber man kann sie erfinden“, hat Dennis Gábor in seinem 1963 erschienenen Buch „Inventing the future“ geschrieben. Obwohl das Schaffen des Nobelpreisträgers für Physik mit der Erfindung der Holografie bis heute nachwirkt, sollte er in dieser Hinsicht unrecht behalten. Der Blick in die Zukunft ist dank Predictive Analytics heute allgegenwärtig – sei es bei Lastprognosen in der Stromversorgung, der vorausschauenden Wartung von Maschinen oder der Risikoanalyse im Finanzwesen.

Auch im Marketing wird Predictive Analytics für viele Anwendungsfälle eingesetzt: Unternehmen optimieren via Clustering ihre Kundensegmentierung, analysieren mit Lead-Scoring-Modellen die Abschlusswahrscheinlichkeit für Aufträge oder ermitteln per Algorithmus das Next Best Offer – das passende Angebot für die zukünftigen Bedürfnisse einer Kundengruppe.

Der Haken: Häufig zielen die eingesetzten Algorithmen nur auf vereinzelte Kontaktpunkte mit den Kund*innen ab und werden nicht entlang sämtlicher Customer Journeys eingesetzt. Viele Unternehmen arbeiten zwar punktuell in Bereichen wie Vertrieb oder Service mit den Erkenntnissen aus vorausschauenden Analysen, orientieren sich bei ihrer Kampagnenplanung im Marketing aber immer noch strikt an Kennzahlen wie Bruttoreichweite oder Conversion Rate. Die Folge: Sie kommen nie über die deskriptive oder diagnostische Ebene des datengesteuerten Marketings hinaus. Um ein voll automatisiertes, in sich geschlossenes Kampagnenmanagement aufzubauen und im großen Stil Optimierungspotenziale zu heben, ist aber genau das nötig.

Motor für geschlossenen Kampagnenzyklus

Möchten Unternehmen maximal von den Erkenntnissen aus ihren vorausschauenden Analyse-Modellen profitieren, ist die ganzheitliche Implementierung der Technologie entlang der Customer Journeys aber nur der Anfang. Im nächsten Schritt gilt es, den Datenstrom so mit der Planung und Ausführung der Kampagnen zu verknüpfen, dass ein in sich geschlossener Kreislauf entsteht, der sich auf Basis der Algorithmen fortlaufend selbst optimiert. In Kombination mit einer programmatischen Kampagnenausführung ergibt sich so ein Höchstmaß an Automatisierung, mit dem Marketingverantwortliche die menschlichen Fehleinschätzungen einer klassischen Kampagnenplanung über weite Strecken vermeiden. Nur wenn sämtliche Optimierungsmaßnahmen durch Machine-Learning und Predictive-Analytics-Algorithmen unterstützt werden, entsteht ein Höchstgrad an Effizienz.

Vorausschauende Next-Best-Action-Algorithmen kombinieren dabei einst isolierte Disziplinen wie die Lookalike-Modellierung oder Wahrscheinlichkeitsanalyse zu umfassenden Optimierungsmechanismen. Diese ganzheitliche Herangehensweise ist in Anbetracht immer komplexer werdender Funnels essentiell, weil Unternehmen nur so Kundenbewegungen über mehrere komplexe Customer Journeys hinweg verstehen und optimieren können.

Interaktionen in Erkenntnisse übersetzen

Über die obligatorische Analyse der Funnel- und Touchpoint-Aktivitäten hinaus empfiehlt es sich, auch den vorhandenen Input jenseits dieser Systeme für die vorausschauende Planung zu nutzen. Dafür eignen sich vor allem Technologien für Text-, Bild- und Spracherkennung. Solche Lösungen erkennen beispielsweise automatisch, wenn Produkt- oder Markennennungen in sozialen Netzwerken zirkulieren – etwa in Form von geposteten Videos, Bildern oder Statusmitteilungen. Dabei werden auch Kennzahlen wie die Reichweite oder der Net Promoter Score in der Auswertung berücksichtigt. Solche Formen des digitalen „Public Listenings“ ermöglichen den Zugang zu Marktfeedback in Echtzeit, ohne die Panelgruppen zu beeinflussen.

Auf diese Weise können Unternehmen die indirekten Interaktionen der Kund*innen mit einer Marke unmittelbar in Daten und Erkenntnisse übersetzen. Die Folge: Mehr Input für die vorausschauenden Analyse-Modelle, eine zuverlässigere Grundlage für die Kampagnenplanung und damit auch eine deutlich präzisere Ansprache der Kunden.


(Quelle: PwC)

Über den Autor: Mathias Elsässer ist Partner Marketing Advisory bei PwC Deutschland und Mitglied des Leadership-Teams für den Bereich Customer Centric Transformation. Er verfügt über mehr als 25 Jahre Berufs- und Führungserfahrung in der Beratung und war bereits in Branchen wie Einzelhandel, Konsumgüter, Unterhaltung, Automobil und Banken/Versicherungen für internationale Unternehmen tätig.