„Das Messemarketing wird facettenreicher“

Es gab mal die Befürchtung, digitale Medien könnten den Messen ihren Platz im Marketingmix streitig machen. Es ist ganz anders gekommen
Entscheider und Experten sind gern gesehene Besucher auf Fachmessen, wie hier bei der diesjährigen Drupa in Düsseldorf

Aktuelle Zahlen zeigen ein vitales Messegeschehen: 2015 ist die Branche erneut gewachsen. Nahezu 173 000 Aussteller und somit zwei Prozent mehr als im Jahr zuvor beteiligten sich an den 164 nationalen und internationalen Messen in Deutschland und belegten 1,1 Prozent mehr Standfläche.

Mehr internationale Aussteller

Für die Expansion sind maßgeblich ausländische Unternehmen verantwortlich: 2015 kamen 5,6 Prozent mehr internationale Aussteller – aus den asiatischen Ländern sogar zehn Prozent mehr als im Jahr zuvor. Sie machen schon heute über die Hälfte aus. Ihr Anteil an allen Ausstellern ist seit 2011 von 55,4 auf nun 58,9 Prozent geklettert.

Auch die Zahl der Besucher stieg – um 2,6 Prozent auf knapp 9,8 Millionen, rund ein Viertel davon stammt aus dem Ausland. Im laufenden Jahr zeichnet sich ein stabiler Trend ab. Nach vorläufigen Berechnungen sind in den ersten sechs Monaten 2016 die Aussteller- und Besucherzahlen der internationalen Messen um bis zu ein Prozent gegenüber den jeweiligen Vorveranstaltungen gewachsen.

Angesichts des hohen Niveaus, auf dem sich die Messewirtschaft bewegt, ist das durchaus bemerkenswert. Walter Mennekes, Vorsitzender des Ausstellungs- und Messe-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft (AUMA), sieht die Rolle der Messen im Marketingmix dadurch gestärkt – auch und gerade im Wettbewerb mit anderen Kommunikationskanälen. „Digitale Medien stehen zwar rund um die Uhr zur Verfügung“, führt Mennekes an, „sie werden aber deswegen nicht automatisch für komplexe Entscheidungen genutzt.“

Messen leben vom realen Erlebnis

Und doch spielen digitale Mittel und Medien auf Messen eine erkennbar stärkere Rolle als noch vor einigen Jahren. „Das Messemarketing wird zusehends facettenreicher“, sagt Klaus Reinke, Chief of Corporate Strategy & Organisation und Mitglied der Geschäftsleitung der Messe Frankfurt. „Der Anteil digitaler Aktivitäten liegt für eine deutliche Mehrheit schon jetzt bei über zehn Prozent des Messebudgets.“

Reinke bezieht sich auf Ergebnisse der Studie „Digital Business Transformation“ von Dexperty. Unter dieser Marke bündelt die Messe Frankfurt ihre digitalen Services und Produkte für Aussteller und Besucher. Befragt wurden für die Untersuchung 600 Entscheider eines repräsentativen Panels, je zur Hälfte aus dem Marketing und aus der IT. Sie bestätigt, was auch von Protagonisten der Messewirtschaft und aus Unternehmen immer wieder zu hören ist: Trotz deutlicher Budgetzuwächse der digitalen Marketinginstrumente zeichnet sich bei den Messeengagements kein Paradigmenwechsel ab, die Relevanz von Messeauftritten ist ungebrochen hoch.

Mehr als 70 Prozent der Marketingentscheider nutzen dafür Dialogmarketing und Medienarbeit. Zudem rücken Onsite-Werbung auf dem Messegelände, Social-Media-Aktivitäten und permanente Präsenz auf Onlineplattformen des Veranstalters stärker in den Fokus. Knapp jeder Zweite betrachtet solche Maßnahmen als wichtig für den Messeerfolg.

Im Zweifel ist wenig aber mehr, meint Walter Mennekes. „Es geht nicht darum, die Messe selbst zu digitalisieren“, betont der AUMA-Vorsitzende. „Messen leben von der Realität, von echten Kontakten und Produkten, gerade auch von neuen Produkten.“

Roland Karle (rk, Jahrgang 1966) schreibt über Marken & Medien, Beruf & Sport. Hat BWL/Marketing an der Uni Mannheim studiert, bei einer Tageszeitung volontiert und arbeitet seit 1995 freiberuflich. Er porträtiert gerne Menschen in Zeilen und Märkte durch Zahlen. Hang zum Naschkater und Volltischler. Im früheren Leben ein fröhlicher Libero.