von Michael Ziesmann
Zum Schluss siegte offenbar die Vernunft über persönliche Befindlichkeiten, die zuletzt vor Gericht zu hitzigen Wortgefechten zwischen beiden Parteien geführt hatten, und eine tatsächlich außergerichtliche Einigung scheitern ließen. Es sei eine „für beide Seiten kaufmännisch sinnvolle Lösung“ erreicht worden, heißt es aus gut informierten Kreisen. Einigung wurde über die Umsetzung des Urteils erreicht, ohne dieses in juristischen Instanzen erneut infrage zu stellen oder zu vollstrecken. Einvernehmen bestand offenbar auch darüber, nur mit einer kurzer Presseinformation an die Öffentlichkeit zu gehen: „Danone und Carat geben bekannt, dass die zwischen beiden Unternehmen anhängigen Rechtsstreitigkeiten einvernehmlich beigelegt wurden. Über Einzelheiten wurde zwischen beiden Parteien Vertraulichkeit vereinbart“.
Mittelbarer Auslöser der Rechtsstreitigkeiten war die Anzeige von Aegis Media gegen ihren damaligen CEO Aleksander Ruzicka vom 5.Juli 2005. Nach deren öffentlicher Diskussion im Jahr 2007 hatte Danone nach eigenen Angaben von der Existenz der Rabattvolumina erfahren, die Aegis Media in diesem Papier selbst mit 250 Millionen Euro pro Jahr bezifferte. Auch vor dem Oberlandesgericht versuchte Danone den Inhalt des Papiers zu benutzen. Nachdem außergerichtliche Einigungen zwischen den Geschäftsführern von Aegis Media und Danone scheiterten, reichte der in Haar bei München ansässige Joghurthersteller im Dezember 2007 Klage gegen Carat vor dem Landgericht München ein. Danone forderte darin zunächst Auskunft über sämtliche Rabatte, die Carat auch mit dem Werbebudget von Danone erhalten hat, und in weiterer Folge Schadenersatz für vertragswidrig einbehaltene Rabatte.
Danone bezog sich dabei auf den Kundenbetreuungsvertrag mit Carat vom Juni 1999, der damals unter Chairman Kai Hiemstra und Geschäftsführer Hans Germeraad zustande kam. Darin heißt es: „Carat ist gehalten, für den Kunden alle am Markt realisierbaren Vorteile zu erzielen, die im Rahmen der gemeinsamen Geschäftsbeziehung erzielbar sind, und diese in voller Höhe an den Kunden weiterzuleiten. Wirtschaftliche Vorteile, die weder Tarifbestandteil der Medien noch marktüblich sind, aber dennoch von Carat beim Media-Einkauf durchgesetzt werden, werden in voller Höhe an den Kunden weitergegeben.“
Weiterer Streitpunkt war eine Vertragsstrafe, die für den Fall des Verfehlens der vertraglich garantierten Leistungsziele im Jahr 2006 vereinbart wurde. Anfang Juli 2006 schlossen Danone und Carat eine Vereinbarung über eine Vertragsstrafe – Penalty – über maximal 14 Millionen Euro, die von Thomas Reuther als Geschäftsführer von Danone ebenso unterschrieben wurde, wie von Jerry Buhlmann (Aegis Group CEO), Aleksander Ruzicka (Ex-Aegis Media CEO) und Andreas Bölte (Aegis Media CEO).
Nachdem die Danone-Klage im Jahr 2008 parallel zum Ruzicka-Prozess geheim gehalten wurde, urteilte die Handelskammer am Landgericht München am 30.März 2009 mit deutlichen Worten: „…die Beklagte (Carat, Anm.) erhält ja diese Agenturrabatte nur deswegen, weil sie eine erhebliche Anzahl von Groß-Kunden, unter anderem die Klägerin (Danone, Anm.), mit einem ganz erheblichen Werbekostenbudget vertritt. Die Beklagte ist ja nur deswegen eine so starke Agentur, und damit gegenüber den TV-Sendern gewichtige Vertragspartei geworden, weil sie unter anderem die Klägerin mit dem ganz erheblichen Millionenwerbebudget als Kunden vertraglich vertritt. Darin sieht das Gericht eine unauflösliche und untrennbare Verquickung der Größe und „Macht“ der Agentur der Beklagten mit der vertraglichen Beziehung zur Klägerin.“
Carat nannte die Forderung von Danone damals „rechtsgrundlos“ und legte Berufung ein. Auch die Staatsanwaltschaft Wiesbaden, die im Ruzicka-Prozess bei derselben Materie entgegengesetzt argumentiert hatte, ortete eine irrelevante richterliche Einzelmeinung. Am 23.Dezember 2009 urteilte auch das Oberlandesgericht München (7 U 3044/09) in wesentlichen Punkten zugunsten von Danone. Der 7.Senat erkannte dabei auch Erlöse aus eigenunternehmerischer Tätigkeit von Carat an. Was jedoch nicht darin hindere, auch diese Erlöse zunächst einmal offenzulegen, da diese auch durch das Werbevolumen von Danone zustande gekommen seien. Im nun rechtskräftigen Endurteil konkretisierte das Oberlandesgericht München den Auskunftsanspruch von Danone auf die Rabatte, Agenturrückvergütungen und Kickbacks, die von den Medien gerade nicht kundenbezogen gewährt wurden. Zudem weitete das Gericht den Auskunftsanspruch auf das verbundene Unternehmen von Carat, die Einkaufsgesellschaft Aegis Media Central Services aus. Eine Auslagerung des Mediaeinkaufs auf Dritte, um die Rabatte dem Einblick oder dem Zugriff der Werbekunden zu entziehen, stellte das Gericht damit infrage.
Hatte Aegis Media im „Fall Ruzicka“ behauptet, dass nur der Agentur Erlöse aus Naturalrabatten fehlen würden und gerade nicht den Kunden, hat sich dieselbe Agentur nun gleichzeitig zugunsten eines Kunden wohl über die Rückzahlung von solchen Rabatten geeinigt. Anderenfalls hätte sich der Bundesgerichtshof zeitgleich mit dem „Danone Urteil“ befassen müssen, was dieselbe Rabattpraxis genau umgekehrt darstellt als das „Ruzicka Urteil“. Offen bleibt zunächst, ob Aegis Media alle hausgemachten Rechtsstreitigkeiten zu lösen vermag, um glaubwürdig einen Schlussstrich unter die wenig subtil geführten Auseinandersetzungen zu ziehen – im Sinne von heutigen Mitarbeitern und Kunden.