Danone erklagt Einblick in Freispotkontingente bei Aegis Media

Seit Jahren diskutieren Werbekunden und Mediaagenturen darüber, wem Naturalrabatte und Freispots gehören. Diese Diskussion hat am Montag dieser Woche eine neue Grundlage bekommen. Auf Basis einer Klage von Milch-Multi Danone ist die Aegis Media-Tochter Carat dazu verurteilt worden, vollständigen Einblick in sämtliche agenturbezogenen Naturalrabatte und Freispotkontingente zu gewähren. In einem weiteren Teil des unter dem Aktenzeichen 15 HKO 24683/07 geführten Verfahrens klagt Danone eine Rückzahlung von Carat in Höhe von zunächst 7 Millionen Euro ein. Eine Entscheidung in diesem zweiten Teil derselben Klage soll in den kommenden Tagen fallen. Eine weitere Klage von Danone gegen Carat liegt aus dem Jahr 2008 vor. Darüber wird noch im April verhandelt.

Danone bestätigte Recherchen der absatzwirtschaft: „In der Klage geht es unter anderem um die Weiterleitung agenturbezogener Vergünstigungen der Jahre 2003 bis 2005. Wir sind der Auffassung, dass Carat nach dem mit Danone abgeschlossenen Vertrag zur vollständigen Weiterleitung aller Vergünstigungen verpflichtet ist. Da wir deren Umfang nicht kennen, haben wir hier eine Auskunftsklage erhoben. Das Landgericht hat am 30.3.2009 ein Teilurteil gefällt und unseren Auskunftsanspruch bejaht. Erst nach Erhalt der Auskunft lässt sich unser Anspruch genau berechnen. Das schriftliche Urteil des Landgerichts liegt uns aber noch nicht vor“, führt eine Unternehmenssprecherin auf Nachfrage der absatzwirtschaft aus.

In diesem Rechtsstreit, der bereits aus dem Jahr 2007 stammt, hat Danone wohl zunächst einen Anspruch von 7 Millionen Euro geltend gemacht. Über diesen soll in einem weiteren Teilurteil noch vor Ostern entschieden werden. Danone klagt, weil Carat nicht vollständig über den tatsächlichen Umfang von Freispotkontingenten informiert hat. Danone beansprucht sämtliche mit ihrem Budget generierten Cash- und Naturalrabatte für sich. Demnach nicht nur die kundenbezogen gewährten Freispots und geldwerten Rabatte der TV-Werbezeiten-Vermarkter, sondern auch die als Kickback bezeichneten agenturbezogenen Freispots, die in den Jahren 2003 bis 2005 auch aus Share-Deal-Verträgen resultierten. Danone wirbt fast ausschließlich mit Fernsehwerbung.

Danone hat eine Rückzahlung der Summe eingeklagt, die das Unternehmen wohl jahrelang für ursprünglich kostenfreie Spots bezahlt hat. Das erste Teilurteil umfasst auch den sogenannten Agenturpool. Demnach auch Freispots, die Carat aufgrund des gesamten Agenturvolumens erhalten, bei anderen Kunden kapitalisiert, daran partizipiert, und nicht an Danone weitergeleitet hat. Danone hatte einen jährlichen Anteil von 150 Millionen Euro am Agenturvolumen von Carat. Bei einem geschätzten Nettovolumen von 70 Millionen Euro entspricht die eingeklagte Rückforderung 10 Prozent dessen. Verglichen mit einem durchschnittlichen Mediahonorar von 1,8 Prozent verdeutlicht sich die Bedeutung des geltend gemachten Anspruches im Verhältnis zum Income der Mediaagentur aus dem eigentlichen Honorar des Werbekunden.

Carat, vor Gericht mit drei Rechtsanwälten vertreten, weigert sich beharrlich den sogenannten Agenturpool, und damit die „Schatzkiste der Mediaagentur“ offenzulegen. Danone habe keinen Anspruch darauf, ließ die Mediaagentur vor Gericht argumentieren. Der ehemalige Werbekunde Danone sei vertragskonform betreut worden und habe sämtliche vereinbarten Rabatte und Vergünstigungen erhalten. Nicht umsonst kämpft Carat vor dem Münchner Landgericht mit harten Bandagen. Die wohl mit Abstand wichtigste Einnahmequelle der Mediaagentur wird infrage gestellt. Da die Honorare von Werbekunden zu gering und längst nicht mehr kostendeckend sind, kapitalisieren Mediaagenturen Naturalrabatte. Auch Freispots, die auf Basis des Gesamtvolumens der Mediaagentur von den TV-Werbezeiten-Vermarktern gewährt werden. Da Danone am Agenturvolumen von Carat einen wesentlichen Anteil hatte, aber keinen vollständigen Einblick in die insgesamt vorhandenen Freispotkontingente bekommen hat, zog Danone vor Gericht. Aegis Media wollte sich dazu trotz mehrfacher Nachfrage nicht äußern.

Ein Urteil mit Signalwirkung. Macht es einerseits die existenzielle Bedeutung von kapitalisierten Freispots bei der Finanzierung von Mediaagenturen deutlich, schließt es andererseits erstmals einen zivilrechtlichen Anspruch eines großen Werbekunden auf Kenntnis und Erhalt sämtlicher Rabatte nicht aus. Geht es nach dem Urteil des Landgerichts München II, muss Carat zunächst vollständige Auskunft über die tatsächliche Größe der agenturbezogenen Rabatte geben. In weiterer Folge könnte das bedeuten, dass alle mit dem Danone-Budget generierten Cash- und Naturalrabatte an diesen Werbekunden weitergeleitet werden müssen, ohne dass die Mediaagentur selbst daran partizipieren könnte. Danone beansprucht dies rückwirkend für die Jahre 2003 bis 2005.

Ein Urteil, das die Finanzierungsgrundlage von Mediaagenturen grundsätzlich infrage stellt. Insbesondere dann, wenn Werbekunden 1 Prozent Honorar zahlen, und ausschließlich damit eine qualitativ hochwertige Betreuung bei voller Transparenz durch ihre Mediaagentur erwarten. Ein Urteil, das die Schieflage im Dreieck zwischen Kunde, Mediaagentur und Medien verdeutlicht, ad absurdum führt, und zum Handeln zwingt. Nicht umsonst ließ die Beklagte Carat am Ende der Verhandlung mitteilen, dass man das nicht rechtskräftige Urteil bis mindestens vor den Bundesgerichtshof ziehen und bekämpfen werde.

Danone war bis zum Oktober 2006 Kunde von Carat. Am 17.Oktober 2006 ließ das Unternehmen mitteilen, dass es mit sofortiger Wirkung zur Düsseldorfer Mediacom wechselt. Dem war ein aufsehenerregender Pitch um den Etat von Danone vorausgegangen. Ende des Jahres 2005 musste Carat/Aegis Media den Prestige-Etat von Danone verteidigen. Aegis Media, bis zum 10.Oktober 2006 geführt von CEO Aleksander Ruzicka, hatte sich heftiger Kritik ausgesetzt, weil man mit realitätsfremden Konditionenversprechen angetreten war. Dies löste heftige Kritik bei Medien und anderen Agenturen aus. Dieser Pitch galt als Beispiel dafür, wie man es seitens Werbekunde und Mediaagentur nicht machen sollte: Konditionen vor Qualität. Ebenfalls am Pitch beteiligt war damals die von Kai Hiemstra geführte Agentur Werbekraft. Im Zuge dieses Pitches sollen sich vor allem Hiemstra und Ruzicka gegenseitig aggressiv unterboten haben, was durch den massiven Druck des Kunden Danone nach immer günstigeren Konditionen und immer weniger Honorar forciert wurde.

Auch im Untreueprozess gegen Aleksander Ruzicka selbst war der damalige Werbekunde Danone wiederholt Thema. So sagte Ruzicka aus, dass seine Firmen Camaco und Watson auch Marketingmanager von Danone umsorgt haben. Dazu soll das Erstellen von pikanten Personenprofilen der Marketingentscheider ebenso gehört haben, wie Safari und Meeting in der Mziki Safari Lodge in Südafrika, Einladungen zum Wiener Opernball, sowie zu diversen Konzerten und Fußballspielen. Dabei soll mit drei Repräsentanten von Danone über die Zusammenarbeit in Deutschland, Österreich, Ungarn und Südafrika verhandelt worden sein. Wie Aleksander Ruzicka aussagte, hat seine Firma Watson auch diese „Bespaßung“ bezahlt. Carat konnte sich im Pitch behaupten. Danone wurde auch im Jahr 2006 in Deutschland und Österreich betreut. In Österreich bis heute. In Ungarn und Südafrika wurde der Media-Etat von Danone gewonnen. Jedoch konnte die Mediaagentur wohl die eigenen Konditionenversprechen nicht einhalten. Vier Wochen nachdem die Hausdurchsuchungen bei Aegis Media, initiiert durch eine als anonym getarnte Anzeige des eigenen Finanzchefs, auch den Vorgängen um Emerson ein jähes Ende bereiteten, wechselte Danone Deutschland plötzlich von Carat zu Mediacom. Mittels des Rechnungsvehikels Emerson FF sollen nach Erkenntnissen aus der Hauptverhandlung in Wiesbaden Freispotkontingente bei kleinen und mittelständischen Kunden kapitalisiert worden sein.

Die Beweisaufnahme im Untreueprozess gegen Ruzicka vor dem Landgericht Wiesbaden steht im krassen Widerspruch zum Urteil am Landgericht München. Gericht und Staatsanwaltschaft in Wiesbaden gehen davon aus, dass Mediaagenturen eigene Wirtschaftsstufen, Handelsunternehmen, sind. Sie argumentieren, dass Erlöse aus Freispots bei Aegis Media hätten verbleiben müssen. In der Anklage gegen Ruzicka gehen die Ermittler davon aus, dass Aegis Media mit den Freispots 100 Prozent Gewinn hätte machen müssen. Das Landgericht München kommt zur gegenteiligen Auffassung. Aegis Media hätte gar keine eigenen Erlöse aus Freispots machen, geschweige denn behalten dürfen. Während die Juristen in Wiesbaden von einer Untreue zu Lasten von Aegis Media als „einzig möglicher geschädigter Partei“ ausgehen, fühlt sich in München ein damaliger Werbekunde geschädigt, weil er nicht alle Rabatte erhalten hat. mz