CRM zwischen Krise und Innovation

Obwohl jetzt viele Projekte auf "Halt" stehen oder gebremst werden, entwickeln sich die CRM-Systeme rasant weiter. Kundenbeziehungsmanagement von morgen ist emotional, mobil, nutzt das Web 2.0 - und ist für kleine Firmen erschwinglich.

von Vera Hermes

Drei Themen prägen aktuell das Geschehen in der CRM-Branche: die Wirtschaftskrise, die Emotionalisierung und die neuen Web-Technologien. Zu diesem Schluss kommen die Forscher der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) in der Schweiz, die sich seit Jahren mit der Entwicklung des Kundenbeziehungsmanagement beschäftigen. Sie stellen fest, dass derzeit Unternehmen quer durch alle Branchen teilweise sogar sehr große CRM-Projekte stoppen oder ihre Investitionen zumindest verlangsamen.

„Vor noch acht Monaten hat es nicht genügend Ressourcen gegeben, um all die CRM-Projektvorhaben umzusetzen; seit den letzten Monaten spüren vor allem die CRM-Lösungsanbieter und Implementierungsunternehmen einen drastischen Rückgang an Projekten und können zum Teil ihre Ressourcen nicht mehr voll auslasten“, sagt Brian Rüeger, Deputy Head Center of Marketing & Lecturer an der ZHAW.

Erstaunlich: Einerseits bricht das CRM-Geschäft ein, andererseits setzt sich immer stärker die Erkenntnis durch, dass „Kundenorientierung ein zentraler Wettbewerbsfaktor“ ist, wie unlängst die Studie „Customer Experience Maturity Monitor“ von SAS, Peppers & Rogers and Jubelirer als zentrales Ergebnis hervorhob. Dieser nicht gerade spektakulären Erkenntnis zum Trotz bewerten nur rund ein Viertel der 150 befragten Manager aus großen US-Unternehmen die Fähigkeit ihres Unternehmens als sehr gut oder gut, den Schnittstellen zum Kunden – etwa den Mitarbeitern im Callcenter – kundenrelevante Informationen zur Verfügung zu stellen.

Gerade mal 18 Prozent erklären, ihr Unternehmen sei sehr gut oder gut in der Lage, alle Kundenkontakte individuell zu protokollieren, um die Kundenbeziehung über sämtliche Produkte und Kanäle hinweg gezielt zu steuern. Das zeigt: Der Bedarf an einem professionellen Kundenbeziehungsmanagement ist – nach wie vor – durchaus vorhanden. Fortgeschrittene CRM-Anwender beschäftigen sich derzeit verstärkt mit der Frage, wie sie die Beziehungen zu ihren Kunden stärker emotionalisieren können, um diese auch in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten zu begeistern und zu binden.

Dabei werden laut Brian Rüeger alle Berührungspunkte mit den Kunden – die Customer-Touchpoints – daraufhin überprüft, wie sie persönlicher und emotionaler gestaltet werden können. Das reicht von handschriftlichen Gratulationen bei Firmenjubiläen bis hin zum von den Mitarbeitern selbst gebrannten Weinbrand als Kundengeschenk (so geschehen bei der Schweizer Stellenbörse jobs.ch).

Sehr persönlich geht es auch im „Social CRM“ zu, dass die Web 2.0-Technologien fürdasKundenbeziehungsmanagement nutzbar macht. Salesforce.com hat zum Beispiel gerade ein Produkt mit dem schönen Namen „Service-Wolke“ auf den Markt gebracht. Es hat seinen Ursprung im geänderten Kommunikationsverhalten der Verbraucher: Noch vor ein paar Jahren wandten sich Endkunden per Brief, Telefon oder Mail an ein Unternehmen, wenn sie Fragen oder Probleme mit einem Produkt hatten.

Heute tauschen sich die Konsumenten in Blogs, Foren, Chats und Communitys im Internet über Unternehmen und Produkte aus.
Übrigens: Das tun sie auch in Bezug auf CRM-Software, wie die „Microsoft Dynamics CRM Community“ belegt. Im Zweifel vertrauen Internet-User eher dem Urteil und den Lösungen anderer Kunden als denen des Herstellers. Das Problem für die Unternehmen: Diese Kommunikation geht häufig komplett an ihnen vorbei.

Und genau da wollen Social-CRM-Lösungen wie die Service Cloud Abhilfe schaffen: Stark vereinfacht formuliert filtert die Salesforce.com-Software relevante Beiträge über ein zuvor definiertes Produkt und Unternehmen aus Web-Plattformen wie Google, Facebook, Amazon.com oder Communitys heraus, speist sie in die Wissensdatenbank des Unternehmens ein und macht sie für den Kundenservice nutzbar. „Die Unternehmen lernen von der Konversation ihrer Anwender“, sagt Christoph Föckeler, Director Sales Engineering EMEA Central Region bei Salesforce.com.

Das Internet als größte Datenbank der Welt
In der „Service Wolke“ kumuliert das komplette Wissen des Unternehmens: die bereits im Unternehmen vorhandenen Informationen, das Know-how von Partnerunternehmen und das aus den Communitys gewonnene Kundenwissen. Service-Mitarbeiter im Callcenter greifen auf dieses geballte Wissen zu und können den Kunden deshalb kompetenter weiterhelfen. Und das, sagt Christoph Föckeler, „dient dazu, den Kunden glücklich und zufrieden zu machen. Je besser, schneller und kompetenter der Kunde eine Problemlösung bekommt, desto stärker ist die Kundenbindung.“

Auch Anbieter SAP hat sich Social CRM auf die Fahnen geschrieben. Und Oracle hat eine komplette neue Produktfamilie gelauncht, die unter anderem Unternehmensdaten aus einem CRM-System mit öffentlichen Daten aus dem Internet kombiniert und somit auch Informationen aus Social Networks für den Vertrieb und die Kundenbetreuung nutzbar macht. Brian Rüeger von der ZHAW resümiert: „Mehr und mehr Unternehmen setzen moderne Technologien ein, um das Internet als größte Datenbank der Welt zu nutzen.“

Neben der Ausweitung der Eins-zu-eins-Kundenbeziehung werde die Technologie auch genutzt, um informiert zu bleiben. „Mittels Reports bekommen die Verantwortlichen täglich oder auch wöchentlich die aktuellen Statistiken zu Blogging-Themen im Zusammenhang mit ihrem Unternehmen oder ihren Produkten oder auch zu ihrer Konkurrenzsituation oder zur Branchenentwicklung.“

Ebenso wie Salesforce.com setzt auch Oracle auf On-Demand-Lösungen, auch SaaS-Applikationen (Software as a Service) genannt.
Ihre Nutzung erfordert weder Anfangsinvestitionen noch eine aufwändige technische Infrastruktur. Kosten für Installation, Wartung oder Update entfallen. Stattdessen „mieten“ die Anwender eine Software-Lösung, die in einem externen Rechenzentrum betrieben wird und zahlen dafür eine Monatsgebühr.

Branchenexperten sagen diesem Modell hohe Wachstumsraten voraus, zumal die Lösungen immer ausgereifter und insbesondere Bedenken in puncto Datensicherheit ausgeräumt sind. Laut der Fachzeitschrift „Computerwoche“ sehen „immer mehr Firmen in dem On-Demand-Modell eine Möglichkeit, ihre IT-Ausgaben zu senken (…). Auch die zunehmende Verfügbarkeit von Breitbandtechniken sowie die erhöhte Nachfrage nach der schnellen Implementierung von Spezialanwendungen kurbeln den Markt an.“

Software as a Service
Und die Marktforscher von Gartner prophezeien, dass Oracle und SAP im Jahr 2010 entweder einen entsprechenden Anbieter zukaufen oder selbst erheblich in das SaaS-Segment investieren werden, da sich Lösungen rund um „Software as a Service“ spätestens 2011 von einer interessanten Alternative zu einem ernst zu nehmenden Faktor in allen Bereichen des Customer Service entwickeln würden.

Diesen Trend hat die CAS Software AG unlängst auch für kleinere Unternehmen und Selbstständige zugänglich gemacht: Das Unternehmen hat mit CAS PIA eine internetbasierte Kontaktmanagementlösung auf SaaS-Basis speziell für diese Zielgruppe entwickelt (und hat es damit unter die sechs Finalisten für den Deutschen Internetpreis 2008 geschafft).

Für 19,90 Euro pro Monat und Nutzer können Unternehmen mit bis zu 20 PC-Arbeitsplätzen ihre Kontakte, Interessenten- und Kunden-Informationen zentral über das Internet verwalten, sie können Termine koordinieren, Marketingaktionen steuern, Auswertungen und Berichte erstellen oder Serien-E-Mails an eine selektierte Zielgruppe versenden. Die Daten werden in einem Münchner Rechenzentrum gehostet und sind von überall aus via Internet – also per Rechner, Laptop oder Smartphone – abrufbar.

Neben On-Demand-Lösungen steht laut SugarCRM, nach eigenen Angaben Marktführer für kommerzielle Open-Source-CRM-Software, Open-Source-Software bei den Anwendern hoch im Kurs. Ariane Füchtner, EU Marketing Director von SugarCRM Deutschland, sagt: „Die Akzeptanz von Open-Source-Software steigt. Wir profitieren von der Krise. Open-Source-Software ist günstiger als proprietäre Anwendungen und bietet den Unternehmen eine Freiheit und Flexibilität, die sie woanders nicht bekommen, denn die Unternehmen können die Software individuell an ihre Bedürfnisse anpassen – und das ist ein Wettbewerbsvorteil in schwierigen Zeiten.“

Ob Open Source oder proprietäre Software, Fakt ist: Gerade in den vielzitierten schwierigen Zeiten tun Unternehmen gut daran, ihr CRM zu professiona – lisieren, denn wie stellte unlängst auch die SAS-Studie fest? „Kundenorientierung ist ein zentraler Wettbewerbsfaktor!“