Brinkert: „Die SPD ist eine Volksmarke wie VW und Ikea“

Raphael Brinkert ist Inhaber der Agentur Brinkert Lück Creatives und war Kampagnen-Verantwortlicher für die SPD im Bundestagswahlkampf. Im Interview erklärt er, was aus seiner Sicht zum Erfolg der Sozialdemokraten geführt hat und was Wahlwerbung und Konzern-Marketing gemeinsam haben.
Für Raphael Brinkert liegt das Erfolgsrezept der SPD in der "Reduktion" auf wenige wichtige Themen. (© Brinkert Lück Creatives)

Herr Brinkert, Olaf Scholz und die SPD haben einen Wahlsieg eingefahren, mit dem noch wenige Wochen vor der Bundestagswahl nur die Allerwenigsten gerechnet hätten. Welchen Anteil schreiben Sie Ihrer Kampagne zu?

Sie ist elementarer Bestandteil des Wahlerfolgs der SPD. Das sage nicht ich, sondern das sagen der Parteivorstand, die 299 Kandidierenden sowie die 400.000 Mitglieder der SPD. Gemeinsam ist es uns gelungen, Partei, Programm und Kanzlerkandidaten bestmöglich zu präsentieren: vom Plakat über Bewegtbild bis hin zu Funk und Social Media. Die Fokussierung auf Olaf Scholz und die Thematisierung der relevanten Kernbotschaften aus dem Programm waren dabei effektiv und einprägsam zugleich. 

Hand aufs Herz: Haben Sie vor einem Jahr mit diesem Erfolg gerechnet oder war die Verknüpfung Ihres Honorars mit dem Wahlergebnis ein riskantes Unterfangen?

Als wir vor einem Jahr präsentiert haben, war unsere letzte Frage beim Agenturwettbewerb: Wir wollen gewinnen, ihr auch? Die Antwort von Olaf Scholz und dem SPD-Team war klar und deutlich: Wir auch. Als Kommunikationsexperten sind wir große Freunde einer Erfolgsbeteiligung, weil wir von Kompetenz und Kreativität unserer Agentur überzeugt sind. Dazu benötigt es lediglich quantitative oder qualitative Parameter einer Leistungsbeurteilung. 

Sie haben die Kampagne voll auf den Kandidaten Olaf Scholz zugeschnitten und damit Partei und Programm in den Hintergrund gedrängt. Das dürfte nicht bei allen Entscheidungsträgern in der SPD gut angekommen sein – wie haben Sie sie von dem Weg überzeugt?

Kaum eine andere Partei hat so plakativ und konkret mit Inhalten geworben, wie die SPD. Der Unterschied war und ist jedoch, dass wir diese nicht beliebig mit Stockbildern oder austauschbaren Bildwelten präsentiert haben, sondern mit demjenigen, der zur Wahl stand: den Kanzlerkandidaten Olaf Scholz. Zu jedem Zeitpunkt der gemeinsamen Strategie- und Kreativ-Entwicklung haben wir dabei die Spitze der SPD um den Kanzlerkandidaten, die beiden Parteivorsitzenden und Generalsekretär Lars Klingbeil als geschlossene Einheit erlebt. Eine Einheit, die das klare Ziel hatte, die Wahl zu gewinnen und den nächsten Kanzler zu stellen. Die gemeinsamen Diskussionen waren auf Augenhöhe und zu jeder Zeit von gegenseitigem Respekt geprägt. Aber, auch um das klar zu sagen: Die SPD war im Mai die erste Partei, die ihr Zukunftsprogramm präsentiert hat. Sie hat gemeinsam mit ihrem Spitzenkandidaten im Wahlkampf immer wieder wichtige Themen wie stabile Renten, bezahlbares Wohnen, faire Löhne sowie sichere Arbeit und Klimaschutz thematisiert und kreativ übersetzt. Diese Reduktion ist wesentlicher Teil des Wahlerfolgs. 

Haben Sie mit Ihrer Arbeit den Beweis angetreten, dass klassisches Konzern-Marketing auch bei Parteien und Kanzlerkandidaten funktioniert oder gibt es doch wichtige Unterschiede?

Die SPD ist eine Volksmarke wie VW und Ikea, dessen Produkt das Programm und dessen Markenbotschafter die Kandidierenden sind. Fachlich macht es kaum einen Unterschied. Sehr wohl aber emotional, da die Politik das Leben der Menschen in unserem Land beeinflusst und der Wahlkampf in einem Finale mündet, welches man sonst nur aus dem Sport kennt. 

War Ihr Job eigentlich am Wahlabend um 18 Uhr erledigt und wenn ja – ist eine Fortsetzung oder Neuauflage denkbar?

Vor drei Jahren durften wir Ideen für Angela Merkels Abschied vom Parteivorsitz entwickeln, heute sprechen wir zum Wahlerfolg der SPD, währenddessen unser Team an neuen Kampagnen für Wirtschaftsunternehmen, Stiftungen und Sportverbänden arbeitet. Es ist kein Geheimnis, dass uns die Zusammenarbeit mit Olaf, Norbert, Saskia und Lars extrem viel Freude bereitet. Alles Weitere wird die Zukunft zeigen. 

Eine kürzere Fassung dieses Interviews ist auch im Printmagazin der absatzwirtschaft erschienen, das Sie hier abonnieren können.

(tht, Jahrgang 1980) ist seit 2019 Redakteur bei der absatzwirtschaft. Davor war er zehn Jahre lang Politik- bzw. Wirtschaftsredakteur bei der Stuttgarter Zeitung. Der Familienvater hat eine Leidenschaft für Krimis aller Art, vom Tatort über den True-Crime-Podcast bis zum Pokalfinale.