Auf der Pressekonferenz zum Start der CRM-Messe in Köln wurden eigentlich schlechte Zahlen verkündet. Dennoch, für die eine oder andere Branche würden sie durchaus Anlass zum Frohlocken gegeben haben.
So gab es im letzten Jahr einen Boom, der die Branche um glatte 100 Prozent wachsen ließ. Dieses Jahr werden CRM-Anbieter, das heißt Softwarehersteller wie Implementierer, nach Ansicht der Meta Group weltweit lediglich sechs Prozent mehr umsetzen. Dabei drückt die USA den Schnitt. In Europa kann für das Jahr 2001 immerhin noch von einem Wachstum von 15 Prozent ausgegangen werden. Grund: Auf dem europäischen Markt besteht noch Nachholbedarf an CRM-Lösungen. Dennoch findet unter CRM-Anbietern eine Marktbereinigung statt. So ziehen Unternehmen wie Orbis eigene Lösungen zurück oder werfen ihre Kernkompetenzen zusammen wie Broadbase und Kana.
CRM markiert dabei ein Management-Konzept, dass in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen hat und dennoch auf das Tante-Emma-Laden-Prinzip zurückgeführt werden kann: CRM – zu deutsch Kundenbeziehungsmanagement – propagiert den Aufbau der direkten Beziehung zu jedem einzelnen Kunden. Da dieses beispielsweise einen Telekommunikationsdienstleister mit mehreren hunderttausend Kunden überfordern würde, kommen heute Software-Lösungen zum Tragen, die die Informationen kundengenau speichern und bündeln sollen. Doch die Implementierung der Software und Projekte selber sind zeit- und kostenintensiv. So kann ein CRM-Projekt schnell mehrere hunderttausend Mark kosten. Derzeit ist das vielen Unternehmen einfach zu teuer. Customer Relationship Management leidet unter der aktuellen Krise. Die Folge: Investitionen werden nach hinten geschoben oder gestreckt.
Aber der Leidensdruck für Unternehmen wird größer, die Anforderungen, Kunden individuell zu begegnen, steigen nach Einschätzung der Experten, so dass die Meta Group für das Jahr 2002 bereits wieder mit einem Wachstum von 40 Prozent rechnet.
Dabei verschieben sich die Akzente für die Motivation zur Einführung von CRM: Lag das Hauptaugenmerk früher auf der Neukundengewinnung, spielt aktuell eher die Bindung von bestehenden Kunden eine Rolle. So wollen laut Meta Group 57 Prozent der europäischen Unternehmen ihre Kundenbeziehungen festigen, 13 Prozent wollen Umsätze steigern, 30 Prozent wollen in Produktdifferenzierung investieren und sogar 84 Prozent meinen, dass im analytischen CRM, das heißt in der Queranalyse und Segmentierung gewonnener Kundendaten, großes Potenzial steckt.
Allerdings wird auch der Druck zur Kostensenkung für CRM-Anbieter größer: Unternehmen fragen zunehmend nach dem Return-on-Investment (ROI). Einzelne Anbieter wie die Regware GmbH, Germering, beispielsweise hat reagiert und die eigenen Software-Pakete noch weiter standardisiert. Das bedeutet für die Kunden, kürzere Implementierungszeiten und damit geringere Kosten. Auch CAS GmbH, Pirmasens, hat sich gerüstet und konzentriert sich seit mehreren Jahren auf die Konsumgüterindustrie. Überhaupt scheint die Spezialisierung ein kritischer Erfolgsfaktor zu sein. Verführerisch waren die letzten Boomjahre, die manches Unternehmen zur Verzettelung verleitet haben. Doch die CRM-Anbieter, die sich fokussiert haben, scheinen die Krise wenig bis gar nicht zu spüren. So wird CAS seinen Umsatz im laufenden Jahr sogar auf rund 50 Millionen Mark verdoppeln können.
Schwierig bleiben CRM-Projekte aber bei aller Fokussierung dennoch: Experten schätzen, dass nur 10 bis 20 Prozent die Erwartungen ihrer Auftraggeber erfüllen. Der Grund: Häufig ist gar nicht klar, was ein CRM-System leisten soll. Hinzu kommt, dass von der Technik Wunderdinge erwartet werden, dabei sind in erster Linie die Mitarbeiter gefragt, Kundenbeziehungs-Management tatsächlich umzusetzen. Die Software ist letztlich nur dazu da, als Gedächtnis des Unternehmens zu fungieren und die Analysen zu ermöglichen. Daher wird von Experten immer wieder gefordert CRM als Philosophie zu verstehen und sie in der Unternehmenspolitik zu verankern, und nicht als eine EDV-Lösung unter vielen zur Optimierung der Ablauforganisation zu sehen.
Fachartikel.
Christian Thunig