BGH verbietet Kaufappell an Kinder im Rahmen eines Onlinespiels

Bei Werbung gegenüber Kindern sind besondere Regeln zu beachten. Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) besagt in Nr. 28 des Anhangs, dass die in eine Werbung einbezogene, unmittelbare Aufforderung an Kinder, selbst die beworbene Ware zu erwerben oder Erwachsene dazu zu veranlassen, eine unzulässige geschäftliche Handlung darstellt (sogenannte „Blacklist“). Erstmals hat sich nun der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Urteil dazu geäußert, wann eine „unmittelbare Kaufaufforderung“ vorliegt und wann diese „in eine Werbung einbezogen“ ist. Rechtsanwalt Dr. Ulf Heil, Partner bei Schiedermair Rechtsanwälte, erläutert und kommentiert den Fall.

Der BGH hat eine erste höchstrichterliche Entscheidung zur „Blacklist“ getroffen: Ein Unternehmen bot im Internet unter der Bezeichnung „Runes of Magic“ ein Phantasierollenspiel an. Die für die Spielteilnahme erforderliche Software stand zum kostenlosen Herunterladen zur Verfügung. Die Ausstattung der Spielcharaktere konnte durch virtuelle Gegenstände erweitert werden. Diese sollten unter anderem per Kreditkarte auf Guthabenbasis oder per SMS bezahlt werden.

Kindertypische Begrifflichkeiten

Für den Kauf dieser virtuellen Gegenstände warb das Unternehmen auf seiner Internetseite unter anderem mit der Aussage „Schnapp‘ Dir die günstige Gelegenheit und verpasse Deiner Rüstung und Waffen das gewisse ‚Etwas‘!“. Auch der Text um diese Aussage herum war geprägt von der Anrede in „Du“-Form und einem Schreibstil im Imperativ. Am Ende des Textes war der Satzteil „… Deinen Charakter aufzuwerten“ unterstrichen und durch einen Link mit einer Internetseite verbunden, auf der das Unternehmen im Einzelnen dargestellte „Zubehörartikel“ zum Kauf anbot.

Anders als die beiden Vorinstanzen hat der BGH diese Werbung als Verstoß gegen Nr. 28 der Blacklist beurteilt und das Unternehmen verurteilt, sie zu unterlassen. Bei der Aufforderung „Schnapp Dir die günstige Gelegenheit und verpasse Deiner Rüstung und Waffen das gewisse ‚Etwas‘!“handelt es sich nach Auffassung des BGH nicht nur um eine an jedermann gerichtete Werbung, von der sich auch Minderjährige angesprochen fühlen. Denn die durchgängige Verwendung der direkten Ansprache in der zweiten Person Singular und überwiegend kindertypischer Begrifflichkeiten einschließlich gebräuchlicher Anglizismen reiche aus, um eine gezielte Ansprache Minderjähriger, die jünger als 14 Jahre sind, zu bejahen. Die umstrittene Formulierung sei im Sinne von „Kauf Dir …“ oder „Hol Dir …“ zu verstehen. Um eine „Aufforderung zum Erwerb“ zu bejahen, sei zwar die grammatikalische Form eines Imperativs nicht unerlässlich, werde sie aber verwandt, sei dies ausreichend.

Kaufappell in die Werbung einbezogen

Anders als das Kammergericht als Vorinstanz sieht der BGH den Kaufappell auch in die Werbung einbezogen, obwohl erst die Befolgung des Appells durch Anklicken des Links auf die Internetseite, auf der im Einzelnen dargestellte „Zubehörartikel“ zum Kauf angeboten werden, den Zugang zu der Produktwerbung eröffne. Denn der Begriff der Werbung im Sinne von Nr. 28 der Blacklist sei in einem weiten Sinne jeglicher Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern, zu verstehen. Unter Zugrundelegung dieses Verständnisses ergebe sich aus dem Gesamtzusammenhang auch ohne die Darstellung konkreter Produkte mit hinreichender Deutlichkeit, dass die Aussage „Schnapp Dir …“ im Zusammenhang mit der unternehmerischen Tätigkeit der Beklagten stehe, die unzweifelhaft auf den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen gerichtet sei.

Der BGH bejaht auch das in Nr. 28 der Blacklist enthaltene Unmittelbarkeitskriterium, obwohl auf der Seite mit der angegriffenen Aussage „Schnapp Dir …“ weder Preis noch sonstige Merkmale der beworbenen „Zubehörartikel“ genannt seien. Nach Auffassung des BGH dürfe keine künstliche Aufteilung in einen mit einem Link versehenen, nur allgemein gehaltenen Kaufappell einerseits und einer davon getrennten konkreten Produktwerbung ohne Kaufappell andererseits erfolgen, da sonst ein einheitliches Werbegeschehen entgegen den Gewohnheiten der angesprochenen Verkehrskreise künstlich aufgespalten werde.

Suggestive Werbewirkung im Internet stärker als in Printmedien

Gerade bei einer Werbung im Internet sei zu berücksichtigen, dass die Nutzer es gewohnt seien, dass Informationen zu angebotenen Waren auf mehreren Seiten verteilt sein können, die untereinander durch elektronische Verweise verbunden seien. Deshalb stelle sich die Notwendigkeit der Betätigung des Links nicht als ein zusätzlich zu überwindender Schritt dar, der zwischen Aufforderung und Erwerbsentschluss vom Umworbenen erstmal vollzogen werden müsse. Denn anderenfalls könnte die dem Schutz von Kindern dienende Bestimmung der Nr. 28 der Blacklist leicht dadurch umgangen werden, dass die Informationen über das beworbene Produkt auf zwei durch einen Link verbundene Seiten verteilt werden.

Schließlich sei auch zu berücksichtigen, dass die suggestive Wirkung einer zum Kauf auffordernden Werbung im Internet für den kindlichen Verbraucher einer entsprechenden Werbung in den Printmedien deutlich überlegen sei. Die Begründung: Die Umsetzung des Kaufentschlusses erfolge sofort und setze nicht erst den Besuch eines Geschäftslokals oder – im Falle des Versandhandels – eine schriftliche oder telefonische Bestellung voraus.

Kommentar

Das Urteil des Bundesgerichtshofs ist weder im Ergebnis noch in der Begründung überraschend. Sie bestätigt in großen Bereichen die bisher „nur“ in der allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Literatur geäußerte Auffassung, dass eine in der grammatikalischen Form eines Imperativs gehaltene Kaufaufforderung an Kinder unzulässig ist. Wesentlich interessanter wird aber sein, ob auch eine nicht appellartige, nur mittelbare Aufforderungen, ein Produkt zu erwerben, um dann zum Beispiel Punkte zu sammeln, für die man später ein Geschenk erhält, als unmittelbare Kaufaufforderung anzusehen ist. Diese Frage wäre vom BGH noch zu beantworten.

Ausdrücklich offen gelassen hat der BGH auch die Frage, ob das Unmittelbarkeitskriterium erfüllt ist, wenn die Werbung keine Angaben zum Preis oder zu Merkmalen des Produktes macht, also auch nicht auf einer anderen Webseite, auf die man durch einen Link gelangt. Dies wird zum Teil verneint. Der BGH spricht diesen Meinungsstreit an, lässt ihn aber bewusst offen, weil er die Angabe zu Preis- und Produktmerkmalen auf der verlinkten Folgeseite ausreichen lässt. Auch insoweit bedürfte es einer neuerlichen Entscheidung aus Karlsruhe.

Für die Praxis lässt sich aus dem BGH-Urteil zurzeit Folgendes mitnehmen: Verzichtet werden sollte auf eine Ansprache in der grammatikalischen Form des Imperativs. Nach Möglichkeit sollte außerdem auf eine direkte Ansprache mit „Du“ verzichtet werden. Statt „Hol Dir …“ sollte es besser „Jetzt gibt’s …“ heißen. Angaben zum Preis und zu besonderen Merkmalen der beworbenen Ware
oder Dienstleistung dürfen nicht gemacht werden. Ob dieser letztgenannte Hinweis tatsächlich weiterhilft, ist vom BGH allerdings wie gesagt noch nicht entschieden. Bis dahin kann er aber zumindest das Risiko einer Beanstandung reduzieren.

BGH-Urteil vom 17.07.2013; Az.: I ZR 34/12