Best Practice Indeed: ein geplantes Missverständnis

Das Jobsuchportal Indeed hat sich erfolgreich im deutschen Markt etabliert – obwohl die Marke doch immer wieder mit ihrer Werbeprotagonistin Ingrid verwechselt wird. Ein Best Practice des Marketings.
Wurde per Zufall zum Aushängeschild für Indeed: die genervte Ingrid. (© Indeed)

Es gibt sie auch im Marketing noch – die großen Zufallserfolge. Ingrid gehört auf jeden Fall dazu. Die populäre Werbefigur von Indeed war zunächst nur in einem Abspann eines Fernsehspots zu sehen.

Doch plötzlich redeten alle nur noch über die sympathische Büroangestellte, deren Vorname sich so ähnlich anhört wie Indeed, was immer wieder zu Missverständnissen führt. Angefeuert von der großen Resonanz, setzte die Jobsuchmaschine komplett auf ihr neues Aushängeschild. Ingrid, daran besteht kein Zweifel, hat Indeed in Deutschland erst so richtig bekannt gemacht.

Herausforderung: Indeed will im deutschen Markt Fuß fassen

Aber der Reihe nach. Indeed verdankt seinen rasanten Aufstieg im deutschen Markt auch anderen Faktoren. Die amerikanische Jobsuchmaschine wurde 2012 vom japanischen HR-Spezialisten Recruit übernommen und expandierte in der Folge weltweit, auch nach Europa. Nachdem es bereits Büros in London und Dublin gab, wurde im Juli 2013 die erste nicht-englischsprachige Niederlassung in Düsseldorf eröffnet. Die Mission: möglichst schnell in Deutschland Fuß fassen.

Was natürlich keine leichte Aufgabe war. Der deutsche Markt für Online-Jobvermittlung ist schon seit Langem hart umkämpft. Über 1000 Websites stehen zur Auswahl, das Spektrum ist breit: Große Allround-Portale wie Stepstone, Monster, Jobware, Stellenanzeigen.de und Kalaydo veröffentlichen Jobanzeigen aus allen Bereichen. Spezialisierte Anbieter wie Jobvector, Hogapage oder Praktischerarzt sprechen bestimmte Berufsgruppen an. Auch Netzwerke wie LinkedIn, Xing und Facebook sind relevant. Zudem gibt es Jobsuchmaschinen wie Kimeta, Jobbörse.de und Stellen­online, die Angebote aus dem gesamten Netz aggregieren.

Strategie: Indeed setzt auf Werbung in TV und Social Media

Mit diesem Geschäftsmodell ist auch Indeed groß geworden. Als eine Art Google für den Arbeitsmarkt durchsucht es das Web nach passenden Anzeigen und weist sie – für die Inserenten kostenlos – als organische Ergebnisse aus.

„Wir sind ein Aggregator, das System ist aber nur halbautomatisch“, betont Frank Hensgens, Geschäftsführer DACH. „Wir überprüfen jeden Feed, der erscheint, um jederzeit die Qualität zu sichern.“ Für Arbeitgeber ist es auch möglich, kostenlose Stellenanzeigen zu schalten, die ebenfalls in den organischen Ergebnissen gezeigt werden. Die allermeisten Angebote kommen mittlerweile direkt von den Unternehmens-Websites, deutlich weniger stammen von Jobbörsen. „Das ist uns auch lieber, weil die Interessenten dann direkt bei den Unternehmen landen und nicht erst bei einem Vermittler“, erklärt Hensgens.

Umsatz macht Indeed über bezahlte Premium-Anzeigen. Diese werden bevorzugt platziert und wie bei Google im Cost-per-Click-Verfahren (CPC) abgerechnet. Anders als bei Jobportalen, die mit Festpreisen für bestimmte Zeiträume arbeiten, zahlen die Inserenten also nur, wenn tatsächlich jemand auf die Anzeige klickt. Die Arbeitgeber legen ein Tagesbudget fest, das im Durchschnitt zwischen fünf und 15 Euro pro Tag liegt und dessen Höhe die Positionierung beeinflusst. Arbeitssuchende müssen sich auf Indeed registrieren und einen Lebenslauf hinterlegen, damit die Anzeigen passgenauer ausgespielt werden können.

Globale Werbung reicht nicht

Höchste Priorität hatte von Anfang an, möglichst viele Nutzer auf die Plattform zu holen. „Wir hatten schon zum Start eine recht hohe Reichweite, weil es die internationale Website bereits seit 2009 auch in Deutschland gab“, berichtet Hensgens, erster Mitarbeiter von Indeed in Deutschland. Der überwiegende Teil des Traffics kam in der Anfangszeit über Suchanfragen bei Google. Um schneller zu wachsen, musste aber aktive Werbung her, die möglichst alle Arbeitssuchenden und Unternehmen erreicht.

Ende 2014 fiel der Startschuss für eine Werbekampagne mit einem siebenstelligen Etat. Unter dem Titel „How the world works“ wurde eine globale Kampagne für Deutschland umgesetzt – aus heutiger Sicht nicht die passende Strategie: „Wir haben anfänglich nur Werbefilme aus dem angelsächsischen Raum für Deutschland adaptiert“, berichtet Hensgens. „Aber die liefen nicht so gut, weil die Marke darin bereits als bekannt vorausgesetzt wurde. Also beschlossen wir Ende 2016, dass wir eine lokale Strategie für Deutschland brauchen.“

Die erste Maßnahme: Seit der Saison 2017/18 ist Indeed Haupt- und Trikotsponsor des Fußball-Bundesligisten Eintracht Frankfurt – ein Schritt, der nicht ganz risikolos war, da die Eintracht in den Vorjahren eine eher durchwachsene Bilanz aufwies. Doch prompt ging es aufwärts: 2018 schlugen die Frankfurter den favorisierten FC Bayern München im DFB-Pokal-Endspiel und glänzten in der nächsten Saison in der Europa League.

Indeed will mit dem Sponsoring nicht nur Bekanntheit aufbauen, sondern auch die Werte der Marke kommunizieren, vor allem Diversität. „Die Eintracht steht voll und ganz für Vielfalt, Toleranz und Inklusion“, sagt Hensgens. „Das ist nicht bei jedem Verein der Fall, um es mal vorsichtig zu formulieren.“ Gemeinsam mit dem Verein engagiert sich Indeed in Projekten gegen Vorurteile und will damit auch zu einem Umdenken im Recruiting beitragen.

„Wir glauben daran, dass diverse Teams nicht nur besser für die Gesellschaft sind, sondern auch erfolgreicher“, betont der Deutschlandchef. Indeed nutzt das Sponsoring auch, um sichtbar Flagge zu zeigen. So stellte das Unternehmen im Publicity-trächtigen DFB-Pokal-Halbfinalspiel gegen FC Bayern München die Trikotfläche für den Hashtag #blacklivesmatter zur Verfügung.

Wechseln, nicht meckern

Die zweite Maßnahme: Indeed beauftragte die Hamburger Werbeagentur Grabarz & Partner mit einer nationalen Werbeoffensive. Im Oktober 2018 startete eine TV-Kampagne unter dem Titel „Nichts zu meckern!“, die humorvoll die deutsche Nörgelkultur auf die Schippe nimmt. Die Spots fordern die Menschen auf, sich einen neuen Job zu suchen, statt sich immer nur über den alten zu beschweren. Die Kampagne führte dazu, dass die Zahl der angelegten Lebensläufe um 38 Prozent und die der Bewerbungen um elf Prozent stieg – dafür gab es 2019 einen Branchenpreis in Form des silbernen Effies.

Auf besondere Begeisterung stieß die Figur Ingrid, die nur sechs Sekunden lang in einem Abspann zu sehen war. Aus der schlichten Tatsache, dass ihr Name immer wieder mit Indeed verwechselt wird, entstand nun eine komplette Werbekampagne, die Anfang 2020 anlief. In den Spots, die bis Ende des Jahres im Fernsehen und in den sozialen Medien zu sehen waren, geht es einmal mehr um den Büroalltag und um Unzufriedenheit mit dem Arbeitsplatz – und Ingrid muss sich sogar im Homeoffice mit Jobanfragen herumschlagen. Als Regisseur stand der vor allem als Schauspieler bekannte Kai Wiesinger hinter der Kamera.

Auch in diesem Jahr hat Ingrid, die von der Schauspielerin Tina Pfurr verkörpert wird, alle Hände voll zu tun: Mittlerweile wird sie in TV-Spots auch von Eintracht-Frankfurt-Spielern mit Indeed verwechselt. Zudem laufen Spots unter dem Titel „Ingrid erklärt“, die das Prinzip der Jobsuche über Indeed vorstellen.

„Geplantes Glück

Im Unternehmen war man vom Ingrid-Phänomen ziemlich überrascht: „Man kann sagen: Es war geplantes Glück“, resümiert Hensgens. „Die Reaktionen waren überwältigend, die Spots gingen von Anfang an durch die Decke.“ Sponsoring und Werbestrategie haben nach Unternehmensangaben viel zur Popularität der Marke beigetragen – wenn Indeed auch keine genauen Daten dazu kommuniziert. Nur so viel: Der neben der Awareness wichtigste KPI, die „Unaided Consideration“ (UAC), habe sich seit 2017 verdoppelt.

Auch mit Umsatzzahlen für den deutschen Markt hält sich das Unternehmen zurück. Auf ein deutliches Wachstum lassen aber die Angaben im Bundesanzeiger schließen. Hier weist die deutsche Tochtergesellschaft für 2020 rund 42 Millionen Euro aus, zwei Jahre vorher waren es erst rund 29,2 Millionen Euro. Für 2021 erwartet Indeed ein Wachstum im zweistelligen Bereich. Treiber seien vor allem der anhaltenden Fachkräftemangel und die weitere Digitalisierung von Personalbeschaffungsmaßnahmen.

Ergebnis: Indeed steigert Bekanntheit

Aktuell macht sich vor allem bemerkbar, dass die Unternehmen nach dem Ende der meisten Corona-Einschränkungen wieder nach Arbeitskräften suchen: Auf der deutschen Indeed-Website finden sich nach Unternehmensangaben aktuell 39 Prozent mehr Stellenanzeigen als vor der Pandemie.

Auch das Interesse von Arbeitssuchenden ist groß: Im August zählte Indeed nach Zahlen des Analyse-Unternehmens Comscore rund 5,2 Millionen monatliche Besucher und damit rund 20 Prozent mehr als zum Jahres­beginn. Gemeinsam mit dem langjährigen Platzhirsch Stepstone gilt Indeed mittlerweile als Marktführer in Deutschland. Wer genau die Nase vorn hat, lässt sich nicht genau sagen, weil die beiden Unternehmen für den deutschen Markt un­terschiedliche, nicht ver­gleich­bare Kenngrößen über Angebot, Reichweite und Umsatz ausweisen.

Dass der Abstand zwischen den beiden Rivalen nicht groß ist, lässt unter anderem eine aktuelle Studie des Beratungs- und Marktforschungsunternehmens Trendence Institut vermuten, für die rund 1000 Arbeitnehmer*innen, Studierende und Schüler*innen befragt wurden. Auf die Frage, welche Websites sie zur Jobsuche nutzen, gaben 39,9 Prozent der Akademiker und Akademikerinnen Indeed an, 37,7 Prozent nannten Stepstone und 34,8 Prozent Kununu. Bei den Kandidat*innen ohne akademische Ausbildung rangiert Indeed (35,9 Prozent) ebenfalls vorn, es folgen die Jobbörse der Arbeitsagentur (24,7 Prozent) und Stepstone (20,4 Prozent).

KI findet Kandidat*innen

Das ganz große Thema dürfte auch in Zukunft der in vielen Bereichen eklatante Fachkräftemangel bleiben – für die Jobportale Chance und Herausforderung ­zugleich. Um den Vermittlungsprozess so effizient wie möglich zu gestalten, investiert Indeed – wie auch Konkurrent Stepstone – massiv in KI-Systeme. Diese sollen Lebensläufe und Stellenangebote noch besser analysieren und für ein optimiertes Matching sorgen.

Darüber hinaus soll das gesamte Prozedere sowohl für Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber deutlich vereinfacht werden. Im Rahmen der neuen Indeed Recruiting Platform können sich Bewerber*innen die schriftliche Bewerbung sparen. Das System sucht für die Jobs auf Basis der Lebensläufe geeignete Kandidaten aus. Diese müssen nur online einige Assessment-Fragen beantworten und können auf dieser Basis ­direkt ein Video-Bewerbungsgespräch bekommen. Die Unternehmen zahlen pro Kandidat*in eine Vermittlungsgebühr und lassen sich überraschen, welche Bewerber*innen ihnen die KI zuführt. Weltweit haben schon über 500.000 Menschen Interviews über die Video-Softwarelösung geführt.

Ausblick: Indeed will sich als Berater positionieren

Indeed sieht darin vor allem die Chance, potenzielle Kandidaten zu vermitteln, die eine hohe Hemmschwelle bei Bewerbungen haben. Zudem erhöht das System die Fairness, weil die KI – anders als vielleicht Personalverantwortliche – idealtypisch keine Vorurteile hat. In den USA wurden über die Plattform schon Bewerbungsgespräche aus Obdachlosen-Unterkünften geführt. Indeed will sich in Zukunft noch stärker als Unterstützer der Arbeitgeber positionieren. „Wir sehen uns nicht als Anzeigenverkäufer“, so Hensgens, „wir beraten Unternehmen.“

Indeed

Indeed wurde 2004 als US-amerikanisches Start-up gegründet und hat seinen Hauptsitz in Austin, Texas, und Stamford, Connecticut. 2012 wurde die Jobsuchmaschine vom japanischen Verlags- und Personalkonzern Recruit übernommen, der die internationale Expansion vorantrieb. Indeed ist mittlerweile in 60 Ländern und 28 Sprachen aktiv und beschäftigt über 10.000 Mitarbeitende. Mit monatlich 250 Millionen Besuchern sieht sich Indeed als die weltweit führende Jobplattform. Insgesamt sind 175 Millionen Lebensläufe und 320 Millionen Unternehmensbewertungen gespeichert.

Der Artikel erschien zuerst in der Dezember-Printausgabe der absatzwirtschaft.

(kj, Jahrgang 1964), ewiger Soul- und Paul-Weller-Fan, hat schon für Tageszeitungen und Stadtmagazine gearbeitet, Bücher über Jugendkultur und das Frankfurter Bahnhofsviertel geschrieben und eine eigene PR-Agentur betrieben. 1999 zog es ihn aus dem Ruhrgebiet nach Frankfurt, wo er seitdem über Marketing-, Medien- und Internetthemen schreibt, zunächst als Ressortleiter bei „Horizont“, seit 2008 als freier Journalist und Autor. In der Woche meist online, am Wochenende im Schrebergarten.