Automatisierung und „Disruption”: Partner für immer

Was haben die NASDAQ, Reisebüros, chemische Reinigungen und Werbung gemeinsam? Automatisierung!
Frank Bachér (© Rubicon Project)

Besonders deutlich war die Auswirkung von Automatisierung beim NASDAQ-Aktienmarkt in den USA. Als der erste Aktienhandel 1987 elektronisch durchgeführt wurde, hätten sich nur wenige träumen lassen, wie schnell und wie stark das Wachstum der Finanzbranche dadurch angekurbelt werden würde.

Ein weiteres Beispiel sind Reisen. Es ist noch nicht so lange her, dass der traditionelle Handel mit Reisen eine Vollbremsung machte, als Urlauber ins Internet strömten, um billige Flüge oder Reisepakete direkt zu buchen. Unterm Strich hat sich der Umschwung gelohnt: Im Jahre 1990 reiste circa eine Milliarde Menschen jedes Jahr, inzwischen sind es dreimal so viele. Inzwischen erreicht sogar die Reinigungsbranche neue Kunden durch automatische Systeme. Clevere Unternehmer haben bereits Angebote entwickelt, die es Kunden erlauben, selbst online Bestellungen zu tätigen, einschließlich einer individuellen Vereinbarung von Abgabe und Abholung der Kleidung. Automatisierung kann also selbst einem kleinen Unternehmen helfen, in einer Welt zu überleben, in der 24/7-Service erwartet wird.

Eine weitere Branche, die die Vorteile von Automatisierung gerade kennenlernt, ist die Werbebranche. Sie durchlebt diese Evolution und definiert neu, wie Marken ihre Zielgruppen erreichen und wie Medienunternehmen ihr Inventar monetarisieren – und gleichzeitig die alten Modelle endgültig ablegen können.

Menschliche Bedürfnisse im Zentrum

Automatisierung wird oft missverstanden als ein Algorithmus, der Menschen ersetzt. Dabei bildet sie inzwischen das Herzstück für einige der Geschäftsbereiche, bei denen der Mensch und nicht das Produkt im Mittelpunkt steht. In diesem Zusammenhang wurde vielleicht erst dieses Jahr eine erstaunliche Entwicklung wirklich klar: Uber, das weltgrößte Taxiunternehmen, besitzt keine Fahrzeuge. Facebook, das weltgrößte Medienunternehmen, erstellt keine Inhalte. Alibaba, die wertvollste Handelsplattform, hat kein Inventar, und Airbnb, der größte Anbieter von Unterkünften, besitzt keine Immobilien. Diese Dienste gibt es überhaupt nur durch die Automatisierung von Prozessen über webbasierte Benutzeroberflächen.

Kein Wunder, dass Automatisierung oder „Programmatic“ die Werbebranche bereits wesentlich effizienter gemacht hat. 2014 generierte diese Technologie 21 Milliarden US-Dollar weltweit, laut MagnaGlobal. Die Prognose für 2018 steht bei 53 Milliarden US-Dollar – also mehr als doppelt so viel innerhalb von vier Jahren. Die führenden Publisher und Advertiser haben ihre programmatischen Testphasen lange abgeschlossen. Besonders die großen Werbungtreibenden aus den Branchen FMCG, Retail, Telekommunikation und Automobil zeigen großes Interesse daran, ihre digitalen Kampagnen in Zukunft zu 100 Prozent automatisch zu buchen.

Viele Davids gegen zwei Goliaths

Der nächste Evolutionsschritt in der Medienbranche ist der programmatische Zusammenschluss von Medienunternehmen, um einen effektiveren Gegenpol zur Dominanz von Facebook und Google in der Online-Werbewelt bilden zu können. Das Konzept der Publisher-Kooperation ist inzwischen kein Trend mehr, sondern eine globale Entwicklung. In Frankreich, Großbritannien, Dänemark, Tschechien, Ungarn, Argentinien und Neuseeland unterstützen wir inzwischen solche Kooperationen. Besonders interessant ist dabei die Pangaea Alliance mit den Premium Publishern The Guardian, Financial Times, CNN und Reuters. Wann kommt es sonst vor, dass sich Firmen zusammenschließen, die im harten Wettbewerb stehen? Nur dann, wenn sie durch den Zusammenschluss ihren Werbekunden zahlenmäßig größere Reichweiten an Premium-Zielgruppen anbieten können, die zudem mit detaillierten Daten angereichert werden, so dass sie eine echte Alternative zu den weltweiten Playern Facebook und Google darstellen.

Die Automatisierungstechnologie hilft der Werbe- und Medienbranche mehrfach:

Erstens werden durch die Automatisierung manuelle Prozesse deutlich reduziert und die Effizienz gesteigert. Die bestehenden Teams auf Publisher- und Agenturseite können mehr Zeit in die Entwicklung kreativer Kampagnen investieren. Dabei bietet Automatisierung diese Effizienzgewinne nicht nur für graphische Werbeflächen auf dem Desktop und mobilen Endgeräten, denn auch Video-Werbung wird verstärkt programmatisch ausgeliefert.

Zweitens werden über Automated Guaranteed, auch Guaranteed Orders genannt, heute auch auf dem programmatischen Weg garantierte Buchungsvolumen ausgeliefert – die Automatisierung hilft hier, eine reguläre digitale Kampagne mit allen Effizienzvorteilen auszuliefern.

Drittens können Daten auf der Seite der Publisher und Werbetreibenden für große Inventarmengen gebündelt werden. Die Anreicherung mit Daten bietet ausreichend große Reichweiten auch bei stark segmentierten Zielgruppen.

Positive Veränderungen anstreben

Die Entwicklungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass die Automatisierung direkt mit der Disruption traditioneller Modelle zusammenhängt. Auch für die Werbebranche gilt derzeit, dass die Marktteilnehmer der Automatisierung vielfach skeptisch gegenüberstehen. Dabei zeigen die Beispiele aus anderen Branchen eines ganz deutlich: Automatisierung ebnet den Weg für positive Veränderungen, denn neue Arbeitsweisen führen zu Wachstum und mehr Produktivität.

Über den Autor: Frank Bachér ist Managing Director für Nordeuropa bei Rubicon Project. Das Unternehmen hat mit der Advertising Automation Cloud eines der größten Real-Time-Cloud- und Big-Data-Systeme entwickelt, um den Kauf und Verkauf von Werbung zu automatisieren.