Aegis Media CEO Andreas Bölte sagt im Ruzicka-Prozess aus

Ein vorläufiger Höhepunkt im Prozessmarathon des Landgericht Wiesbaden: Gestern sagte Ruzickas Nachfolger Andreas Bölte aus. Der Aegis Media CEO Central and Eastern Europe hatte das Verfahren durch zwei Strafanzeigen gegen seinen damaligen Vorgesetzten Aleksander Ruzicka in Gang gebracht.

Fast sieben Stunden stellte er sich den Fragen des Vorsitzenden Richters Jürgen Bonk sowie Staatsanwalt und Verteidigung. Im Zeugenstand berichtete Bölte über den Hergang der Dinge aus seiner Sicht. So habe er nach einer Einarbeitungsphase bis Ende des Jahres 2004 die Funktion des Chief Finance Officer (CFO) übernommen und sei als Leiter des Controllings tätig gewesen. Bereits nach wenigen Monaten sei in ihm der Verdacht gereift, dass mit dem Ausgabeverhalten seines Vorgesetzten Aleksander Ruzicka etwas nicht stimmen könne.

Er kenne Ruzickas Gehalt und konnte sich seinen Lebenswandel nicht erklären. Dies habe er zum Anlass genommen, gemeinsam mit seinem Vorgänger als CFO Hans-Henning Ihlefeld intern zu recherchieren. Dabei sei er auf merkwürdige Buchungsvorgänge um die Barterfirma Emerson FF und ungewöhnlich hohe Rückvergütungen an die Werbeagentur ZHP gestoßen.

Gemäß den Principles & Policies von Aegis Media habe sich Bölte vertraulich an Aegis-Anwalt Johann-Christoph Gaedertz gewandt. In Absprache mit ihm habe man Anfang 2005 die Wirtschafsdetektei Control Risks in Berlin mit Nachforschungen beauftragt. Nachdem auch diese nicht tiefergehend hätte recherchieren können, habe man sich zum Erstatten einer Strafanzeige entschlossen. Andreas Bölte habe dazu gemeinsam mit Hans-Henning Ihlefeld den Auftrag erteilt. Die Anzeige selbst will Andreas Bölte damals jedoch nicht gesehen haben.

Auch das Ausscheiden von Aleksander Ruzicka sei nie ein Thema oder Ziel gewesen, denn es hätte sein können, dass sich die Verdachtsmomente nicht bestätigen, so Andreas Bölte auf Nachfrage des Richters zu seinem Vorgehen. Er hätte damals noch keine Beweise gehabt und es habe keine Auffälligkeiten in der Buchhaltung gegeben. Ruzicka habe ihm den Zugang zu diesen hochsensiblen Daten verwehrt. Diese seien in persönlichen Gesprächen zwischen Ruzicka und den TV-Vermarktern verhandelt worden, worüber es keine Aufzeichnungen gebe.

Er selbst habe keinen regelmäßigen Kontakt zu den TV-Vermarktern IP Deutschland und Sevenone Media gehabt. Auch sein Vorgänger, der langjährige Aegis Media Finanzchef Hans-Henning Ihlefeld, habe vom Inhalt solcher Verhandlungen keine Kenntnis gehabt. Er habe nur das Ergebnis der Medienverhandlungen in seinem System gesehen. Ob Aegis Media von den Medien jedoch mehr Freespace zustand und die Differenz dessen fehlen würde, hätte er nicht sehen können.

Richter Bonk äußerte den Eindruck, dass er sich bis dato unter Controlling etwas anderes vorgestellt hätte. Daher wollte der Richter wissen, wie Bölte die Daten kontrollieren würde, wenn ihm wesentliche Vertragsteile nicht zur Kenntnis gegeben werden. Bölte erwiderte, dass er sich an den Vorjahreszahlen orientiert und diese im Verhältnis zu den Gesamtsummen betrachtet hätte. Warum er sich nicht die Übersichten der gesendeten Freispots von den Vermarktern habe geben lassen, fragte Bonk ergänzend. Dies funktioniere nur in der Theorie antwortete Bölte. Zudem habe er die Befürchtung gehabt, dass Ruzicka so hätte gewarnt werden können.

Richter Bonk sprach Andreas Bölte auf die Aussage des Aegis-Mitarbeiters Rene S. an. Dieser hatte ausgesagt, dass es agenturintern bekannt war, dass man mit Emerson FF gearbeitet hätte, um Rechnungen für Freispots zu erhalten, die man den Kunden zeige, damit diese für Freispots zahlen. Bölte entgegnete, es sei ihm nicht bekannt wie Rene S. zu dieser Auffassung komme.

Das Hoheitswissen über die zugrundeliegenden Konditionen sei nur bei Ruzicka, Jackson und Linn vorhanden gewesen. Bölte bestätigte Presseberichte, wonach Ruzickas angebliche Scheinfirma Watson Communication & Services ein direktes Vertragsverhältnis mit Aegis Media gehabt hat. Ruzickas zweite Sekretärin Sabine U. habe dort gearbeitet. Zudem habe Watson für Aegis Media fünf bis sechs Kundenevents ausgerichtet. Dies habe in den Jahren 2004 bis 2006 einen Umfang von ingesamt 200 000 Euro gehabt.

Er selbst habe an keinem solcher Events teilgenommen. Welche Events das waren, konnte Andreas Bölte nicht mehr sagen. Auch das angebliche Infobroking, womit Ruzickas vermeintliche Scheinfirma Camaco im Interesse von Aegis Media Informationen für Pitches und Medienverhandlungen beschafft haben will, sage ihm nichts. Mit einer weiteren Firma, die Ruzicka zugeordnet wird, namens Connexio, habe es Beratungsleistungen für Aegis Media in Südafrika gegeben. Ob Aegis-Mitarbeiter bei Dritten Leistungen in Auftrag gegeben und um Abrechnung über Watson gebeten haben, wollte Ruzickas Verteidiger wissen.

Von den Verteidigern von David Linn angesprochen sagte Bölte, dass er nicht glaube, dass Linn die treibende Kraft bei den Untreuehandlungen gewesen sei. Aber er hätte es verhindern können, so Bölte. Linn sei nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft Ende 2006 auf ihn zugekommen und hätte sein Bedauern über die Vorfälle geäußert. Zudem habe er eine Schadenswiedergutmachtung in Höhe von rund zwei Millionen Euro angeboten.

Der Prozess wird am Mittwoch mit der Vernahme der Polizisten fortgesetzt, die Heinrich Kernebeck verhört und die Festplatten von Ruzickas Computern ausgewertet haben. Darauf soll sich ein Geschäftsbesorgungsvertrag befunden haben, der die Arbeit von Heinrich Kernebeck und die Abläufe um die Werbeagentur ZHP regelt. Deren ehemalige Geschäftsführer Reinhard Zoffel und der heutige Europaminister der hessischen CDU Volker Hoff werden in der kommenden Woche als Zeugen gehört. Aus Wiesbaden berichtet Michael Ziesmann