Wie aus CO2-Speicherung ein Produkt wird

Die permanente Einlagerung von Kohlendioxid verhilft zu Klimaneutralität. Jan Huckfeldt, Chief Commercial Officer beim Schweizer Klimatech-Start-up Climeworks, erklärt im Interview, wie Unternehmen davon profitieren können.
Climeworks Interview: Co2-Speicherung
“Climeworks besteht schon seit 15 Jahren, seit zweieinhalb Jahren läuft unsere erste CO2-Removal-Anlage. Wir wissen also, wovon wir sprechen”, sagt Jan Huckfeldt vom Schweizer Klimatech-Start-up. (© Climeworks)

Herr Huckfeldt, Climeworks hat eine Technik entwickelt, die CO2 direkt aus der Luft abscheidet. Wie wird daraus ein Geschäftsmodell? 

Wenn wir eine Klimakatastrophe vermeiden wollen, müssen Unternehmen ihre CO2-Emissionen auf null bringen. Wir helfen bei den letzten zehn bis 15 Prozent, die anders nicht reduzierbar sind.  

Kleinere Firmen können im Online-Shop auf Ihrer Website einkaufen und CO2-Removal im Wert von 2600 oder 6500 Euro in den Warenkorb legen. Großunternehmen bieten Sie die Entsorgung großer Mengen an, von 100 Tonnen an aufwärts. Wer sind Ihre Kunden? 

Das geht quer durch alle Branchen. Wir arbeiten für Fluggesellschaften und Autokonzerne, für Banken wie JP Morgan und Luxusmarken wie Breitling. Einer unserer ersten Kunden war die Rückversicherung Swiss Re, im Tech-Bereich gehört Microsoft zu den Auftraggebern. Kürzlich haben wir einen Vertrag über 80.000 Tonnen CO2-Entnahme mit der Boston Consulting Group abgeschlossen.   

Woher weiß eine Geschäftsführung, was die richtige Menge ist?  

Unsere Kunden schätzen ab, wie hoch ihre Emissionen sind nach Scope 1, 2 und 3 (direkte sowie indirekte Emissionen aus Energie und Wertschöpfungskette, Anm. d. Red.). Sie machen sich Gedanken darüber, wie sie sie reduzieren können, etwa durch erneuerbare Energiequellen, Elektrifizierung oder effizientere Prozesse. Irgendwann kommt der Punkt, an dem die Grenzkosten dieser Reduzierung sehr stark ansteigen, oder wo eine Drosselung nicht mehr möglich ist, ohne dass man seinen Laden zumacht. Da kommt unser Service ins Spiel. 

Derzeit ist das ein freiwilliger Markt, es gibt also noch keine Regulierung, die Unternehmen das vorschreibt. Die wird aber kommen, weil Klimaneutralität ohne permanente CO2-Entnahme nicht zu erreichen ist. Wir haben festgestellt, dass sich viele Unternehmen mit der Entscheidung für eine optimale Net-Zero-Strategie überfordert fühlen. Für sie bieten wir ab April eine neue Dienstleistung an – Consulting plus. 

Carbon Capture ist, ebenso wie Emissionsausgleich durch Klimaschutzprojekte, nicht unumstritten. Eine Befürchtung ist, dass Unternehmen sich freikaufen, statt Emissionen zu reduzieren.  

Das ist ein großes Thema und ich kann da sicher nicht alle Unternehmen in Schutz nehmen. Die EU versucht das zu richten, mit einem Carbon Removal Certification Framework (Zertifizierungsrahmen für den Abbau von Kohlendioxid, Anm. d. Red.): Künftig sollen Unternehmen CO2-Emissionen aus fossilen Brennstoffen nur durch die permanente Entnahme von CO2 ausgleichen können, nicht durch das Pflanzen von Bäumen. Man macht also einen Unterschied zwischen dem kurzen und dem langen Kohlenstoffzyklus. 

Eine moralische Diskussion, wie sie immer mal wieder hochkommt, halte ich für gegenstandslos. Wenn es günstiger ist, Emissionen zu reduzieren, wird ein Unternehmen niemals Geld ausgeben für eine teure CO2-Entnahme, ganz zu schweigen von den fehlenden Kapazitäten auf diesem neuen Markt. 

Berechnen Sie weniger als Dienstleister, die CO2-Emissionen durch Kompensationsprojekte ausgleichen? 

Nein. Deren Kompensierung ist deutlich günstiger – hat aber mit Carbon Dioxid Removal nichts zu tun. Die Projekte sind darauf angelegt, irgendwo anders, häufig in Entwicklungsländern, CO2-Emissionen zu reduzieren. Der Erfolg ist oft schwer zu messen.  

Es gibt noch einen anderen Aspekt, die Kostenbetrachtung über Zeiträume. Ein Aufforstungsprojekt bindet CO2 über einen Zeitraum von ungefähr hundert Jahren, bei uns geht es um tausende von Jahren, das ist ein Wert an sich. Eben deshalb will die EU mit dem Carbon Removal Certification Framework ein Spielfeld schaffen, das sicherstellt, dass Unternehmen nicht den einfachsten Weg wählen. 

Wie groß sind Ihre Kapazitäten insgesamt? 

Unsere erste Installation „Orca“, die seit zwei Jahren läuft und weltweit die erste Anlage in industrieller Größenordnung war, hat eine Jahreskapazität von bis zu 4000 Tonnen. Unsere nächste Anlage schafft bereits ungefähr zehnmal so viel. Sie wird in wenigen Wochen den Betrieb aufnehmen, die Kapazitäten sind bis Ende 2026 ausverkauft. Wenn Kunden heute an uns herantreten, umfassen die Planungen Zeiträume bis 2040 und darüber hinaus.  

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Derzeit lagert das Schweizer Unternehmen das eingefangene CO2 unter der Erde Islands. (© Climeworks)

Mit welchen Kosten müssen sie rechnen? 

Der Preis hängt stark von Bestellmenge und Vertragslaufzeit ab, kurzfristige Volumina sind relativ teuer. Für Privathaushalte würde eine Tonne 1000 Euro kosten; bei Unternehmen, wo es um viel größere Mengen geht, liegt der Preis deutlich darunter. Je weiter es in die Zukunft geht, um so stärker können wir auch technischen Fortschritt und Skalierung berücksichtigen. Unser Ziel ist es, bis 2030 eine Jahreskapazität von mehreren Megatonnen aufzubauen.  

Gibt es für eine Skalierung genügend Speicherplätze? Derzeit lagern Sie das eingefangene CO2 unter der Erde Islands. 

An Möglichkeiten zur so genannten Sequestrierung mangelt es nicht. In Island nutzen wir das Basaltgestein: Unsere Partnerfirma Carbfix pumpt das CO2, vermischt mit Wasser, bis zu 1000 Meter tief in den Boden. Dort reagiert das leicht saure CO2-Wasser mit dem alkalischen Gestein und es entsteht ein Carbonat, genauer gesagt, das Mineral Calcit.  

Und das ist unschädlich? 

Visuell können Sie sich das entstehende Calcit ein bisschen wie Marmor vorstellen, weiße Flecken in grauem Stein. Man könnte auch an eine Art Salz denken. Das CO2 wird auf diese Weise für tausende von Jahren im Stein gebunden. In Island und an vielen anderen Stätten mit ähnlichen Konditionen gibt es schier unendliche Kapazitäten zur CO2-Speicherung. Eine Alternative ist, CO2 in tief gelegene ehemalige Öl- oder Gasquellen zu pumpen. Unter dem extremen Druck verwandelt es sich in ein sogenanntes „superkritisches“ Gas mit flüssigen Eigenschaften und kann so permanent gespeichert werden, so wie ursprünglich das Öl oder Gas. 

Wie können Ihre Kunden sicher sein, dass das CO2 entfernt wird? 

Sie erhalten ein Zertifikat, das die Reduktion bescheinigt. Wir haben bislang mit DNV zusammengearbeitet… 

…einem norwegischen Verifizierungsdienstleister aus dem Energiebereich… 

…und arbeiten jetzt darüber hinaus mit Puro.earth, einem der drei großen Zertifizierungsunternehmen für Klimatechnologie. Das hat für unsere Kunden den Vorteil, dass die entnommenen CO2-Chargen öffentlich registriert und für jedermann einsehbar werden. Ein Doppelverkauf ist also nicht möglich. 

Climeworks ist nicht allein auf dem Markt für CO2-Abscheidung. Was unterscheidet Sie von anderen? 

Die Sequestrierung geschieht dauerhaft, unsere Ergebnisse sind – im Gegensatz zu anderen Methoden, CO2 aus der Luft zu holen – genau messbar, wir nutzen erneuerbare Energie für unsere Prozesse. Überhaupt gibt es nicht viele Wettbewerber, die so viel Erfahrung mitbringen wie wir. Climeworks besteht schon seit 15 Jahren, seit zweieinhalb Jahren läuft unsere erste CO2-Removal-Anlage. Wir wissen also, wovon wir sprechen.  

(mat) führte ihr erstes Interview für die absatzwirtschaft 2008 in New York. Heute lebt die freie Journalistin in Kaiserslautern. Sie hat die Kölner Journalistenschule besucht und Volkswirtschaft studiert. Mag gute Architektur und guten Wein. Denkt gern an New York zurück.