Paris verwandelt sich zur grünen Marke 

Hohe Parkgebühren für SUVs sind auch eine Marketingstrategie. Bahnfahrer*innen dürfen sich als gute Menschen fühlen. Und es gibt neue Trends für Bio-Lebensmittel.
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Paris kann damit werben, immer fußgänger- und radfahrerfreundlicher zu werden. (© Unsplash)

Die zahlreichen Spielarten des Stadtmarketings sind seit Sonntag um eine Version reicher. Auf Vorschlag von Bürgermeisterin Anne Hidalgo stimmten Pariser Bürger*innen mehrheitlich dafür, dass schwere SUVs auf öffentlichen Straßen und Plätzen bald bis zu 18 Euro Parkgebühr pro Stunde zahlen müssen.  

Was vordergründig klingt wie Besucherabschreckung, ist in Wahrheit das ganze Gegenteil. Schließlich bewegt sich in einer Stadt wie Paris ohnehin kein vernünftiger Tourist mit dem Auto. Dafür kann Hidalgo damit werben, dass die französische Hauptstadt immer fußgänger- und radfahrerfreundlicher wird – und dass jetzt eben auch noch Geländelimousinen ihren zusätzlichen Ressourcen-Verzehr ausgleichen müssen. Dass ausgerechnet Belit Onay, Bürgermeister von Hannover, das Potenzial dieser Idee erkannte, ist wohl kein Wunder: Die oft als „langweiligste Stadt Deutschlands“ geschmähte niedersächsische Landeshauptstadt kann wahrlich Stadtmarketing brauchen. 

Auslaufmodell SUV? Autobauer brauchen neue Lösungen

Was die Episode aber auch signalisiert: Große, schwere und umweltschädliche SUVs sind, so beliebt sie in Teilen der Bevölkerung auch sein mögen, ein Auslaufmodell. Für die Marketing-Kolleg*innen in den Autokonzernen zeichnet sich die, im Wortsinne, gewichtige Herausforderung ab, attraktive Alternativen zu kreieren, die Komfort-Features wie hoher Einstieg, Panoramablick und großzügiger Stauraum mit zeitgemäßen ökologischen Anforderungen kombinieren. Und nein, es ist nicht damit getan, panzerähnlichen Fahrzeugen einen E-Antrieb zu verpassen. „Große, schwere E-SUVs mit riesigen Batterien sind Energiefresser, die Produktion der Batterie und der Karosserie verschlechtert die Umweltbilanz“, mahnt der Verkehrsclub Deutschland. In die richtige Richtung dürften eher Mini- und Kompakt-SUVs gehen, wie es sie heute schon in beachtlicher Vielfalt gibt. Wenn deutsche Autobauer das Potenzial nicht nutzen – die Chinesen tun es bestimmt! 

Per Bahnfahren 1552 Kilo CO2 eingespart

Die Marketer*innen der Deutschen Bahn haben sich für ihre Stammkund*innen unterdessen ein hübsches Gimmick einfallen lassen: Auf Basis der im vergangenen Jahr zurückgelegten Zugreisen erfahren diese in der BahnBonus-App, wieviel CO2 sie gegenüber Pkw-Fahrten eingespart haben. Bei der Autorin dieser Zeilen waren es 1552 Kilogramm, laut Bahn entspricht das sieben Monate Heizen mit Erdgas. Da fühlt man sich doch gleich als guter Mensch, und das ganz ohne Verhaltensänderung. Zumal es die BahnCard künftig nur noch digital und damit plastikfrei geben soll. Ob aber der Anreiz reicht, trotz Verspätungen, ausgefallener Züge und Weichenstörungen mehr Bahn zu fahren als nötig? Das Produkt muss eben auch stimmen, nicht nur die Add-ons. 

Auch Nutzer*innen von Carsharing verlangen Komfort

Autodienstleister Sixt wiederum bringt sich mit einer Studie zu Green Mobility ins Gespräch. Befund unter anderem: „Der konventionelle Verbrennungsmotor scheint zumindest im Bewusstsein der Befragten noch kein eindeutiges Auslaufmodell zu sein.“ An sich keine große Überraschung, in diesem Fall aber doch, da für die Studie ausschließlich Einwohner*innen von Berlin, Hamburg und München interviewt worden, bei denen eine weit größere Affinität zu umweltfreundlicher Fortbewegung unterstellt werden kann als beim Durchschnitt der Bevölkerung. Das bestätigt sich insofern, als der Anteil derer, die Carsharing täglich oder mehrmals in der Woche nutzen, zwischen 9 und 14 Prozent und damit vergleichsweise hoch liegt. Interessanterweise ist aber für die Modellauswahl weniger deren Nachhaltigkeit entscheidend als vielmehr – tada! – der Komfort. Wobei wir wieder beim Thema SUV wären, denn natürlich bietet Sixt in seinem 2019 gestarteten Carsharing-Programm auch Stadtgeländewagen an. 

Neue Produkttrends: Eiskremriegel und „Mushroom Mania“

Wechseln wir anlässlich der in der kommenden Woche beginnenden Weltleitmesse Biofach die Branche und schauen auf Lebensmittel. Der Trend zur bewussten Ernährung ist ungebrochen, wie das stetig wachsende Publikum der erst 1990 gegründeten Messe zeigt: 2023 kamen rund 2800 Austeller*innen und 36.000 Besucher*innen. Ob es auch immer um eine gesündere Ernährung geht, scheint nicht ganz so sicher, steht dieses Jahr doch an erster Stelle der von einer „Trendjury“ ermittelten Produkttrends derjenige zu „Sweet Soulfood“: vegane Eiskremriegel, Crème Brulée, Eistorte Vanille Karamell Walnuss, solche Leckereien. Da sage noch einer, Bio bedeute Verzicht. Als weitere Produkttrends ausgemacht wurden wohlschmeckende Alternativen zu alkoholischen Getränken, „Mushroom Mania“ (Fleischersatz und Superfood-Getränke aus Pilzen) und Transparenz, sprich Angaben zu Herstellung, Lieferketten und Standards.  

Junggeblieben: Demeter wird 100 Jahre alt

Zu den Aussteller*innen auf der Biofach zählt auch der Demeter-Verband, der in diesem Jahr das 100-jährige Jubiläum der Bewegung feiert. Nicht nur die Zahl ist bemerkenswert, sondern auch der Weg, den die Marke zurückgelegt hat: vom anthroposophisch inspirierten bäuerlichen Experiment zum etablierten Premium-Label. Das ist inzwischen so anerkannt, dass sich biodynamisch erzeugte Produkte (zu den Unterschieden zwischen Bio und Demeter siehe hier) trotz teils heftiger Preisaufschläge selbst in konventionellen Supermärkten behaupten. Längst gehört auch professionelle Imagewerbung zum Verbandsrepertoire, wie im vergangenen Jahr die Kampagne „Issmehrwert“ zeigte. Wir gratulieren. 

Eine gute Woche noch, und behalten Sie die Zukunft im Blick! 

(mat) führte ihr erstes Interview für die absatzwirtschaft 2008 in New York. Heute lebt die freie Journalistin in Kaiserslautern. Sie hat die Kölner Journalistenschule besucht und Volkswirtschaft studiert. Mag gute Architektur und guten Wein. Denkt gern an New York zurück.