Rebranding des BVB: 34 Grad statt echter Liebe? 

Borussia Dortmund hat ein neues Design. Warum das moderne Erscheinungsbild zwar von Mut zeugt, dem Traditionsverein aber nicht gerecht wird. Folge 3 von "Marken-Check".
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Besonders gut macht sich der neue BVB-Look auf hippen Merchandise-Artikeln. (© BVB, Montage: Olaf Heß)

Borussia Dortmund hat sich unlängst ein neues Corporate Design gegeben. Es ist gelb-schwarz (was keinen wundert), es ist mutig (was gut ist und zur Marke passt) – und es ist vor allem eins: schräg und sehr, sehr grafisch (darüber müssen wir reden). Designed wurde es von der Londoner Agentur DesignStudio, die ihrerseits bekannt geworden sind, als sie 2016 die Premier League “neu verpackt” haben.  

Vorab: Ich bin ein großer Fan dieser Agentur und ihrer Arbeit im Markendesign. Hier allerdings stand leider weniger die Marke BVB, sondern offensichtlich das Design im Fokus. 

Inspiration findet man bekanntlich überall. Die Kreativen von DesignStudio waren scheinbar vor allem vom Signal-Iduna-Park aka Westfalenstadion beziehungsweise dessen Architektur angetan. Ich habe nun gelernt, dass die “Gelbe Wand” – Deutschlands größte Stehplatztribüne – einen Neigungswinkel von 34 Grad hat. Dieser wurde kurzerhand übernommen, um die neue kursive Marken-Displayschrift mit eben diesem Winkel zu versehen. Fun fact: das bisherige BVB-Design war geprägt von einem Winkel von 09 Grad – analog zum Gründungsdatums des Vereins, 1909. Augenscheinlich sind die Markenverantwortlichen des BVB dann doch sehr “zahlengetrieben”.  

Quellen: Borussia Dortmund, DesignStudio


E-Sport statt Tradition?

Aber zurück zur Architektur: Die auffällige gelbe Stadion-Konstruktion führte offensichtlich zu einem alternativen BVB-Signet, welches sich allerdings erst auf den zweiten, na sagen wir dritten Blick, erschließt. Gut, dass das ikonische BVB 09 Logo nicht angefasst wurde – es bleibt die Nummer 1. 

Der neue BVB-Look sieht formal gesprochen sehr modern und zeitgemäß aus und entspricht dadurch auch dem anvisierten Ziel, relevanter und attraktiver zu wirken. Besonders gut macht sich der neue BVB-Look auf hippen Merchandise-Artikeln. Kein Wunder, dass die Londoner Designagentur den BVB-Case auf ihrer Website auch mit solch einem Bild eröffnet und nicht etwa mit einem Bild im Fußball-Kontext. Aber sollte es bei einem Fußballclub nicht zuallererst darum gehen? 

Wirft man einen Blick in die Markenstrategie von Borussia Dortmund, so tauchen in der Tat weniger Gradzahlen oder Architektur-Formensprache auf, sondern Begriffe wie Leidenschaft, Zusammenhalt, Tradition und eben der bekannte Spruch “echte Liebe”. Von diesen Werten spürt man in dem neuen Auftritt leider noch zu wenig. Man wird das Gefühl nicht los, dass die Kreativen sich haben hinreißen lassen, ein angesagtes E-Sports- oder Gaming-Erscheinungsbild zu gestalten, dabei aber den Traditionsverein und seine Kultur nicht komplett verstanden haben. 

Fehlende Erdung?

Mag vielleicht der Grund sein, dass eine englische Agentur nicht die nötige Empathie für den Pott entwickeln konnte? Wer die englischsprachigen Mock-ups des Designs im Netz betrachtet, wird dieses Gefühl jedenfalls nicht los. Im Kontrast dazu stehen die ersten Assets, die tatsächlich auf der BVB-Seite im neuen Look erscheinen, wie der Adventskalender-Teaser. Man fällt mitunter tief. Aber das kennt jeder, der versucht, ein stringentes Erscheinungsbild in einem Fußballclub zu implementieren. Auf Instagram sieht das alles schon besser aus, denn dort dominiert der Fußball mit seinen starken Livebildern, das Design rückt an den Rand. 

Mein Fazit: Was bei Juventus Turin (Interbrand) oder Inter Mailand (Büro Borsche) sehr ikonisch und wegweisend gelungen ist, erreicht der BVB-Auftritt leider (noch) nicht, weil es ihm an Erdung fehlt. Man erinnere sich an die Diskussionen zwischen den Fanclubs des BVB und der TSG Hoffenheim oder RB Leipzig, in denen es darum ging, wer für Tradition steht und wer ein sogenannter “Plastik-Club” sei. Mit diesem neuen Auftritt hat der BVB zwar Mut bewiesen und einen ungewöhnlichen Weg eingeschlagen – gleichermaßen riskiert er dennoch, in der Plastik-Diskussion nicht mehr die besten Argumente zu haben. 


Im „Marken-Check“ nimmt unser Kolumnist Marken genau unter die Lupe. Alle bisher erschienenen Folgen finden Sie hier.

Heinrich Paravicini ist Co-Gründer und Chief Creative Officer von Mutabor, Designagentur und Markenberatung mit Sitz in Hamburg, München und Berlin. Mit mehr als 180 Mitarbeiter*innen gehört Mutabor heute zu den größten unabhängigen Agenturen der Kreativbranche in Deutschland. Paravicini lebt und arbeitet in Hamburg und überall dort, wo Mutabor-Projekte entstehen.