Fünf Fragen an Gero Furchheim vom bevh 

Der E-Commerce-Verband unterstützt Zalando in seinem Vorgehen gegen den Digital Services Act. Welche Probleme hat der Verband mit den Regelungen? Ein Interview mit Gero Furchheim.
Gero_Furchheim__Quelle_Michael_Gueth_
Gero Furchheim ist Präsident des Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel Deutschland (bevh). (© Michael Gueth)

Herr Furchheim, Anfang Oktober hat Amazon durchgesetzt, dass es sich nicht an den Digital Services Act (DSA) halten muss. Zumindest vorerst gelten also nicht die neuen Regeln, sondern der Status quo. Was würden Sie sich wünschen? 

Es geht darum, für die gesamte Branche zu klären, ob der DSA, bei dem es auch um das Entfernen illegaler Inhalte wie Hate Speech geht, auf Online-Marktplätze anwendbar ist. Nur auf Nutzerzahlen zu schauen, ist hier nicht weit genug gesprungen. Wir hoffen auf eine dauerhafte Klärung durch die Gerichte. 

Auch Zalando will nicht als „sehr große Online-Plattform“ (VLOP) gelten. Sie als bevh springen Zalando zur Seite, weil sie eine Benachteiligung des Onlinehandels gegenüber dem stationären Handel fürchten. Was wollen Sie damit erreichen? 

Wir wollen, dass die EU digitale Geschäftsmodelle voneinander unterscheidet. Man kann nicht sagen: X, Zalando, Google – das ist alles das Gleiche! Wer auf einem Online-Marktplatz Waren betrachtet, ist nicht denselben Risiken ausgesetzt wie jemand, der auf X mit Propaganda und Extremismus konfrontiert ist. Auch in Einkaufsstraßen finden Schaufensterbummel statt, aber niemand würde hier ernsthaft Gefahrenpotenzial sehen. 

Durch den DSA soll die Marktmacht von großen Playern wie Amazon und Zalando ein Stück weit geschwächt werden, damit kleinere Firmen bessere Chancen haben. Ist das kein erstrebenswertes Ziel für den bevh? 

Das hat die EU schon im Digital Markets Act (DMA) abgehandelt. Beim DSA reden wir primär über den Schutz der Nutzer und ihrer Grundrechte. Daran sieht man schon, dass dieses Gesetz nicht originär auf den Onlinehandel passt. 

Welche Nachteile sehen Sie für alle anderen Plattformen abseits von Zalando und Amazon? 

Der DSA sieht vor, dass alle Plattformen ihre „aktiven Nutzer“ zählen. Der Begriff wird denkbar weit verstanden, sodass jeder hierunter fällt, der einen virtuellen „Schaufensterbummel“ macht. Demnach werden viele kleine Unternehmen auch bald selbst als „sehr groß“ gelten. Zudem ist zu befürchten, dass die VLOP-Kategorie Eingang findet in andere EU-Gesetzgebungsverfahren und auch dort für praxisferne Einstufungen sorgt. 

„Uns geht es nicht um ein grundsätzliches Blockieren.“ 

Gero Furchheim, Präsident Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland e.V. (bevh)

Nimmt die Welle unterschiedlicher europäischer Gesetzeswerke aus Ihrer Sicht langsam überhand? 

Die Kommission hat sich großen Ambitionen verschrieben und betritt mit vielen Regulierungen weltweit Neuland. Wichtiger als die Ambitionen ist aber, ob die Gesetze handwerklich gut ausgearbeitet sind und die Politik versteht, was sie da reguliert. Uns geht es daher nicht um ein grundsätzliches Blockieren, sondern darum, wie man die Dinge sinnvoll hält und besser macht. 

Die Fragen wurden schriftlich gestellt. 

(fms, Jahrgang 1993) ist UX-Berater, Medien- und Wirtschaftsjournalist und Medien-Junkie. Er arbeitet als Content-Stratege für den Public Sector bei der Digitalagentur Digitas Pixelpark. Als freier Autor schreibt er über Medien und Marken und sehr unregelmäßig auch in seinem Blog weicher-tobak.de. Er hat Wirtschafts- und Technikjournalismus studiert, seinen dualen Bachelor im Verlag der F.A.Z. absolviert und seit mindestens 2011 keine 20-Uhr-Tagesschau verpasst.