Glückliche Mitarbeitende = erfolgreiches Unternehmen

Glückliche Mitarbeitende waren lange nicht relevant für die Wirtschaft. Doch in Zeiten von Fachkräftemangel, „Quiet Quitting“ und den damit verbundenen wirtschaftlichen Schäden werden sie immer wichtiger.
Ricarda Rehwaldt ist Professorin für Psychologie an der IU Internationale Hochschule und Gesellschafterin und Geschäftsführerin von Felicicon. Sie forscht seit Jahren zum Thema Glück und Arbeit. (© privat)

Um sich mit Glück bei der Arbeit auseinanderzusetzen, braucht es zunächst eine Definition: Glück im Arbeitskontext bedeutet einen positiv-emotionalen Zustand eines Individuums, einer Gruppe oder einer Organisation, der durch intrinsisch motivierte, aktive und selbstbestimmte Tätigkeiten entsteht.

Wie jede starke Emotion zeichnet sich der Glückszustand durch hohes „Ansteckungspotenzial“ aus. Dadurch unterscheidet sich Arbeitsglück deutlich von Arbeitszufriedenheit, die eher durch eine Übereinstimmung der Erwartung mit den tatsächlichen Gegebenheiten entsteht.

Glückliche Mitarbeitende sind gesünder und leben länger

Die Forschung zeigt: Glückliche Mitarbeitende sind gesünder und leben länger. Sie haben eine stärkere emotionale Bindung zum Unternehmen, wollen seltener kündigen, sind lernfähiger und kreativer. Sie sind erfolgreicher im Beruf und haben bessere soziale Beziehungen. Sie zeigen eine höhere Effektivität bei Entscheidungen, haben bessere Beurteilungen, neigen zu mehr Pünktlichkeit, weisen weniger Krankheitstage auf und zeichnen sich durch mehr Hilfsbereitschaft gegenüber Kolleg*innen aus.

Das tragen sie auch nach außen: Arbeitnehmer*innen, die emotional eng mit ihrem Unternehmen verbunden sind, empfehlen dieses und dessen Produkte häufiger an ihr Umfeld weiter. Durch das Auftreten als Markenbotschafter*in steigt das Ansehen des Unternehmens ohne zusätzliche Ausgaben für Employer Branding und Co. Ein Magnet für Fachkräfte und eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.

Die drei Glücksfaktoren

Wie viel Glück Mitarbeitende bei der Arbeit verspüren, hängt von drei Glücksfaktoren ab: Sinnempfinden, Selbstverwirklichung und Gemeinschaft. Das Sinnempfinden steigt durch die Übereinstimmung der persönlichen Werte, Aufgaben und Ziele der Mitarbeitenden mit denen des Unternehmens. Das Gefühl, einen unverzichtbaren Teil zu einem bedeutungsvollen gemeinsamen Ziel beizutragen, steht im Mittelpunkt.

Das Gefühl der Selbstverwirklichung entsteht durch das Einbringen persönlicher Stärken, eigener Ideen und individueller Potenziale. Eine große Rolle spielen dabei eine selbstständige Arbeitsweise und Offenheit gegenüber Neuem.

Bei der Gemeinschaft geht es um ein Zugehörigkeitsgefühl, die Interaktion und den Zusammenhalt untereinander – sowohl professionell als auch vertraut. Das bezieht sich auf den gegenseitigen Umgang und das respektvolle Miteinander, aber auch auf das Vertrauen und die emotionale Nähe untereinander.

Glücksfaktoren im Agenturalltag

Spannend ist, wie es sich mit den drei Faktoren im Agenturalltag verhält. Beschäftigte erleben hier ein hohes Maß an Selbstverwirklichung. Sie können in neuen Projekten immer wieder ihr Können unter Beweis stellen, ihr Potenzial weiterentwickeln und eigene Ideen realisieren. Die beiden anderen Faktoren leiden hingegen unter der Arbeitsstruktur in (großen) Agenturen.

Das Gefühl von Gemeinschaft stellt sich durch verschiedene Projekte und wechselnde Teams nur schwer ein und die hohe Fluktuation tut ihr Übriges. Auch das Sinnempfinden ist bisweilen eher gering, da die Beschäftigten kaum das Gefühl haben, auf ein großes, übergreifendes Ziel hinzuarbeiten, sondern mit einzelnen Kampagnen beschäftigt sind.

Glück bei der Arbeit – was kann HR tun?

Um das Glücksempfinden der Beschäftigten zu steigern, müssen die HR-Fachleute Managementkonzepte entwickeln, die die Entfaltung persönlicher Talente und Potenziale in den verschiedenen Bereichen ermöglichen. Hier können auch Führungskräfte eine Schlüsselrolle spielen, da sie durch ihr Handeln die Handlungsspielräume ihres Teams stark mitgestalten.

Das Sinnempfinden kann durch ganzheitliche und bedeutungsvolle Aufgabengestaltung gefördert werden – die Selbstverwirklichung durch offenere Handlungsspielräume und einen stärkenorientierten Einsatz der Beschäftigten. Ein professioneller Umgang in der Gemeinschaft schützt vor negativen Emotionen, während der Grad der Vertrautheit die Beziehungen unterstützt. Je nach Branche oder Zielsetzung können einzelne Faktoren stärker in den Fokus gerückt werden.