Advertiser und Gaming: keine einfache Beziehung

Gaming liegt im Trend, Advertiser können davon aber bisher nur bedingt profitieren. Außerdem agieren viele Firmen beim Thema KI zaghaft. Sie erkennen zwar das Potenzial, zögern aber mit den Konsequenzen.
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Gamer sind kaufkräftige und für Marketers hoch-interessante Konsument*innen. (© Getty Images)

Sie hocken tagelang in abgedunkelten Räumen vor flimmernden Bildschirmen, nuckeln an ihren Energy-Drinks und sehen nur selten das Tageslicht: Gamer*innen haben mit Vorurteilen zu kämpfen. Aber das ist Unsinn. Vielmehr handelt es sich um kaufkräftige und für Marketer hoch-interessante Konsumenten.  

Wie groß und aktiv die Zielgruppe ist, zeigen die Zahlen der Gamescom, der weltweit größten Messe für Computerspiele, die am Sonntag in Köln zu Ende ging. 320.000 Besucher waren vor Ort, online wurden weltweit mehr als 180 Millionen Views gezählt. Für ihr Hobby machen Gamer*innen auch immer mehr Geld locker. 

Wenn sie Geld fürs Spielen ausgeben, zahlen Konsument*innen im Schnitt 26 Euro pro Monat für Video- und Computerspiele. Im Vorjahr waren es noch rund 23 Euro, meldet der Digitalverband Bitkom. Hinzu kommen Ausgaben für die Hardware und zahlreiche Add-Ons. Rund um das Gaming ist mittlerweile eine komplette Industrie entstanden – von Gaming-Möbeln über Soundsysteme, Kopfhörer, ergonomische Mäuse, Gaming-Tastaturen und sonstiger (meist teurer) Hardware bis hin zu passenden Nahrungsergänzungsmitteln. 

In-Game-Advertising: Es mangelt an Standards 

Marketer sind gefordert, stärker ins Relevant Set dieser Nutzer*innen zu gelangen. Die Möglichkeiten sind vorhanden: Vom Sponsoring einer E-Sports-Mannschaft über Partnerschaften mit Streamer*innen bis hin zum so genannten In-Game Advertising, bei dem Werbung direkt in die Spiele integriert wird. 

Doch der Motor des Games-Advertising läuft bisher nur auf niedrigen Touren. In den USA geben die meisten Firmen weniger als fünf Prozent ihres Media-Budgets für Gaming-Werbung aus, heißt es in einer US-Studie des iab. Und die Marktforscher*innen von eMarketer berichteten, dass sich die US-Werbeeinnahmen für Mobile-Gaming, Videospiele und E-Sport im Jahr 2022 auf rund 8,6 Milliarden US-Dollar beliefen. Das ist ein deutlich geringeres Volumen als in anderen Medien. Selbst Connected TV (CTV) hängt das Games-Advertising ab. So wurden in den USA im vergangenen Jahr 21,2 Milliarden US-Dollar in CTV-Werbung investiert – das entsprach einem Wachstum von 23 Prozent (Games Advertsing wuchs nur um sieben Prozent). Was läuft falsch? 

An den technischen Möglichkeiten kann es nicht liegen. Werbung lässt sich sogar dynamisch und in Echtzeit in den Spielen platzieren und austauschen. Doch insbesondere bei diesem Programmatic In-Game Advertising hapert es noch, da digitale Spiele auf unterschiedlichen Plattformen entwickelt werden. Um Werbung übergreifend programmatisch zu platzieren, müssten Standards geschaffen und in jede Plattform die Möglichkeit eingebaut werden, automatisiert Werbung zu schalten. Entsprechend sind die Reichweiten noch überschaubar.  

Hinzu kommt, dass Gamer hochsensibel reagieren, wenn sie vom Spiel abgelenkt werden. Nicht zuletzt deshalb wollen viele Gaming-Anbieter lieber ihren eigenen Absatz ankurbeln – wer beispielsweise innerhalb eines Games weitere Zusatz-Features kauft, kann sich häufig zeitlich begrenzt von Werbung „freikaufen“. Um Gamer für Marken zu begeistern, sind daher auch in Zukunft in erster Linie Fingerspitzengefühl und kreative Ideen gefragt. Marketing Tech kann diese Entwicklung nicht vorantreiben, aber den Weg für Marken ebenen. 

Schon gehört? 

Die meisten deutschen Unternehmen laufen Gefahr, das Momentum im Bereich KI zu verpassen. Zu diesem Schluss kommt der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW). Zwei aktuellen Befragungen zufolge erkennen Unternehmen zwar das KI-Potenzial, zögern aber bei Geschäftsmodellen.  

Zum einen hat der BVDW seine Mitglieder befragt: Mehr als ein Drittel dieser Unternehmen investiert seit mehr als einem Jahr in KI-Technologien. 65 Prozent glauben, dass KI die internen Arbeitsprozesse verbessern wird, um Mitarbeitende von repetitiven Aufgaben zu entlasten. Trotzdem plant nur jedes dritte befragte Unternehmen sein Geschäftsmodell aufgrund von KI anzupassen.  

Eine Civey-Befragung im Auftrag des BVDW zeigt eine ähnliche Tendenz: Von den befragten Entscheider*innen in Deutschland wollen nur 13 Prozent ihr Geschäftsmodell ändern. Hinzu kommt, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen, die im europäischen AI Act aktuell in Brüssel verhandelt werden, deutschen Unternehmen weitgehend unbekannt sind. Ein Drittel der von Civey befragten Entscheider*innen in Deutschland den AI Act gar nicht. Dabei wird dieses Gesetz die Grundlage sein, um AI in zahlreichen Geschäftsmodellen zu nutzen. Der BVDW fordert daher, die Wirtschaft stärker in die Diskussionen einzubeziehen. Außerdem müsse die Politik die Konsequenzen des AI Acts für Deutschland klar und deutlich kommunizieren. 

Übrigens: Falls Sie auch Spaß an Spielereien haben – wie wäre es mit einem preisgünstigen Allzweckroboter? Dieses Exemplar kann laufen, kostet weniger als 90.000 US-Dollar und ist bestimmt auch zu irgendwas nütze. 

In diesem Sinne. Bleiben Sie inspiriert! 

(kaz) ist Fachjournalist für digitales Marketing. Seit Mitte der Nullerjahre begleitet er mit seinen Artikeln die rasanten Entwicklungen der Online-Werbebranche. Der Maschinenraum der Marketing-Technologien fasziniert ihn dabei ebenso wie kreativ umgesetzte Kampagnen. Der freie Autor lebt und arbeitet in Berlin.