7 Fragen an Jakob Berndt

Jakob Berndt, Co-Gründer der Tomorrow Bank, erklärt, warum gerade das Finanzwesen nachhaltig sein kann und wie Tomorrow soziale Verantwortung an Kund*innen vermittelt.
Fünf Fragen an Jakob Berndt
"Vielen Menschen ist überhaupt nicht klar, welche dreckigen Geschäfte an der Tagesordnung sind", sagt Jakob Berndt, Co-Gründer der Tomorrow Bank. (© privat)

Herr Berndt, Nachhaltigkeit ist heutzutage in aller Munde. Warum ist dieses Thema für Tomorrow als Bank wichtig?  

Der menschengemachte Klimawandel ist das dringendste Thema unserer Zeit. Nur eine nachhaltige Art zu wirtschaften wird es künftigen Generationen ermöglichen, eine lebenswerte Welt zu erfahren. Geld hat dabei immer eine Lenkungswirkung. Die Frage ist nur, wohin. Deshalb haben meine beiden Co-Gründer und ich Tomorrow gegründet, um Geld als Hebel für einen positiven Wandel einzusetzen.  

Wie setzen Sie Nachhaltigkeit um? 

Kein Cent geht in Kohlekraft, Massentierhaltung oder andere Bereiche, die dem Planeten und uns Menschen schaden. Zusätzlich hat das Geld unserer Kund*innen eine positive Wirkung auf das Klima und die globale Gemeinschaft. Wir stellen sicher, dass alle Projekte und Unternehmen, in die Gelder von Tomorrow fließen, auf die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen einzahlen. Diese Projekte und Unternehmen fördern wir durch drei Hebel: das Tomorrow Konto, die alltäglichen Kartenzahlungen mit der Tomorrow Karte und unsere eigenen Investmentprodukte.  

Sie haben in Ihrer Karriere bereits Marken wie Lemonaid und ChariTea aufgebaut, die sich um Change oder Purpose drehen. Wie unterscheidet sich Tomorrow von diesen Marken in Bezug auf Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung?  

Die beiden Projekte versuchen, alltägliche Dinge für einen positiven Wandel umzufunktionieren. Was die Aufgabe bei Tomorrow erst einmal anspruchsvoller macht: Vielen Menschen ist überhaupt nicht klar, was konventionelle Banken mit ihrem Geld machen und welche dreckigen Geschäfte an der Tagesordnung sind. Um den positiven Impact von Tomorrow zu zeigen, müssen wir also viel früher ansetzen und viel Aufklärungsarbeit leisten. Der zweite Unterschied ist der größere, systemische Hebel: Eine Veränderung des Finanzwesens hat unfassbar großes Potenzial. 

Sie haben erwähnt, dass Marketing ein Instrument ist, um Unternehmen mit den realen Bedürfnissen der Menschen zu verbinden. Wie nutzen Sie Marketing, um die Botschaft von Nachhaltigkeit und sozialer Verantwortung bei Tomorrow zu vermitteln?  

Letztlich können wir nur dann viele Menschen für unsere Mission begeistern, wenn wir Barrieren und Hürden abbauen. Nachhaltige Banken gab es auch schon vor Tomorrow, wir haben das Thema ja nicht erfunden. Allerdings war das Angebot viele Jahrzehnte lang sehr verstaubt und wenig nutzerfreundlich.  

In Ihrer Karriere haben Sie sich von der Agenturwelt zu eigenen Unternehmungen bewegt. Was waren die wichtigsten Lektionen, die Sie aus diesen Übergängen gelernt haben, und wie beeinflussen sie Ihre Arbeit bei Tomorrow?  

In der Agentur habe ich mein Handwerk gelernt. Ich bin direkt nach der Uni zu Jung von Matt und habe dort einige Jahre in der Strategie an großen und renommierten Marken mitarbeiten dürfen, Seite an Seite mit preisgekrönten Kreativen. Das war eine sehr spannende Zeit. Gleichzeitig habe ich ein Störgefühl verspürt. Große, schnelle Autos oder Atomstrom zu verkaufen, war mir nicht wichtig. Außerdem habe ich mit einem Mangel an Selbstwirksamkeit gehadert: ständig Ideen für die Tonne zu entwickeln, weil letztlich andere die Entscheidungen treffen. 

Sie sprechen von der Herausforderung, sowohl datengetriebenes Marketing als auch markenorientiertes Marketing zu balancieren. Wie schaffen Sie es, diese beiden Ansätze bei Tomorrow zu vereinen?  

Ich bin ein Bauchmensch und mein Zugang zu Marken und Märkten war und ist immer stark getrieben von meiner Sinneswahrnehmung, von Empathie, von Sprache, von Gestaltung. Aber wenn man ein digitales Produkt mit wenig Budget schnell erfolgreich machen und ständig weiterentwickeln will, reicht Bauchgefühl nicht aus. Daher haben wir sukzessive ein extrem datenaffines, interdisziplinäres Team aufgebaut – von Product über Customer Engagement bis zu Social Media.  

Welche Vision haben Sie für die Zukunft von Tomorrow, insbesondere in Bezug auf die Erweiterung Ihrer Dienstleistungen und die Erreichung einer breiteren Kundenbasis? 

Wir wollen und müssen das Thema raus aus der Nische holen. Der Hebel von nachhaltigen Finanzen ist einfach gewaltig. Aber dafür müssen wir eben die Vielen überzeugen. Daher entwickeln wir aktuell unser gesamtes Produktversprechen weiter: Es geht um diverse Features, die das finanzielle Wohlbefinden unserer Kund*innen verbessern sollen: Wie können Menschen ihre Finanzen noch besser verstehen, Kontrolle gewinnen, bessere Entscheidungen treffen? Schon heute bieten wir neben Bankinglösungen auch eigene Investmentprodukte und alternative Lösungen für andere Konsumbereiche, all das werden wir sukzessive erweitern. Und auf lange Sicht soll Tomorrow kein rein nationales Projekt sein, wir haben Europa im Blick. 

 

(amx, Jahrgang 1989) ist seit Juli 2022 Redakteur bei der absatzwirtschaft. Er ist weder Native noch Immigrant, doch auf jeden Fall Digital. Der Wahlberliner mit einem Faible für Nischenthemen verfügt über ein breites Interessenspektrum, was sich bei ihm auch beruflich niederschlägt: So hat er bereits beim Playboy, in der Agentur C3 sowie beim Branchendienst Meedia gearbeitet.