Werden wir zu Big-Tech-Zombies?

Während ChatGPT und Co. gehypt werden, sinkt in vielen Firmen das Interesse, Geschäftsprozesse mit bewährter KI-Technologie zu optimieren. Ein Problembewusstsein für außereuropäische Black-Box-Lösungen ist kaum vorhanden.
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Generative KI lässt andere KI-Tools immer weiter in den Hintergrund rutschen. (© Stocksy)

Wieder einmal scheint es Big Tech geschafft zu haben, eine Entwicklung an sich zu reißen. Eine Studie des deutschen Datenanalyse-Spezialisten Hase & Igel hat – mit Hilfe einer Künstlichen Intelligenz – den öffentlichen Diskurs und das Informationsverhalten rund um KI hierzulande untersucht. Das Ziel: Muster aufdecken. Was zutage gefördert wurde, kann als Warnsignal verstanden werden: Deutschland ist demnach auf dem Weg in eine blinde Abhängigkeit von US-Technologien und könnte eigene Kompetenzen verlieren.

Um herauszufinden, was die Deutschen mit KI verbindet und wie sich diese Wahrnehmung verändert, hat Hase & Igel in seiner Analysesoftware mehr als 700.000 Beiträge in journalistischen und sozialen Medien und über 900.000 Reaktionen automatisiert ausgewertet. Auch Likes, Shares, Kommentare, Leserbriefe, Verlinkungen und Zitate zu entsprechenden Berichten wurden berücksichtigt. Außerdem wurden mehr als 35 Millionen relevante Suchanfragen ausgewertet und Machine-Learning gestützten Trendanalysen unterzogen.

Texte ja, Prozesse nein

Die Auswertung zeigt: Generative KI ist quasi zum Synonym für Künstliche Intelligenz geworden und überdeckt alle weiteren Facetten. Klar im Vordergrund steht ChatGPT, überwiegend im Kontext der Texterstellung, gefolgt von Generative AI zur Bilderstellung. Andere, bereits seit Jahren erfolgreich im Einsatz befindlichen Arten und Anwendungen von KI werden davon überschattet. Den Auswertungen zufolge stagniert das Interesse an KI-Anwendungen zur Prozessautomatisierung und -Optimierung seit der Corona-Krise, in einigen Teilbereichen ist es sogar deutlich gesunken. Auch das Interesse an den zugrundeliegenden Technologien und Modellen wird demnach von den Lösungen der Big Techs kannibalisiert. Sogar für Recherche und Analyse wird Generative KI zunehmend ausprobiert.

Aus den Ergebnissen schließen die Autoren der Studie, dass ein Problembewusstsein für außereuropäische Black-Box-Lösungen praktisch nicht vorhanden ist. Gleichzeitig werde der Hype um Generative AI und ihre einfache – aber ebenso intransparente – Nutzung von Investitionszurückhaltung und Krisenmanagement infolge der Corona- und Ukrainekrise überlagert. Damit drohe eine zunehmende Abhängigkeit von US-Lösungen, von denen man nur wenig Verständnis von der Funktionsweise habe und denen man somit „blind“ vertrauen müsse.

Das zeigt das Dilemma, in dem die Gesellschaft nun steckt. Falsche Zitate, keine Quellen, halbwahre Aussagen? Schwamm drüber. Noch überstrahlt die Begeisterung über eine intuitiv bedienbare KI alle Bedenken. Bleibt die Frage, wie lange noch.

Schon gehört?

Apple arbeitet an einem KI-Chatbot. Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet, entwickelt der iPhone-Konzern ebenfalls generative KI-Tools und testet einen intern als „Apple GPT“ bezeichneten KI-Chatbot. Auch in anderen Bereichen ist das Big-Tech-Unternehmen momentan sehr umtriebig. Laut dem Magazin World Soccer Talk verhandelt Apple mit der Deutschen Fußball Liga (DFL) über die exklusiven Streaming-Rechte für die Fußball-Bundesliga ab der Saison 2026/27 für die USA und Kanada.

Ebenfalls überraschende News gibt es aus dem in letzter Zeit schwächelnden E-Commerce-Sektor. Ein neuer Report von AppsFlyer zeigt, dass die Verbraucherausgaben in Shopping-Apps weltweit im vierten Quartal 2022 um 30 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum im Jahr 2021 gestiegen sind.

Weniger überraschend, aber umso notwendiger sind für Marketer Kooperationen, damit First-Party-Daten effektiv für Werbung genutzt werden können. Jetzt wurde bekannt, dass der Publisher und Daten-Provider Gutefrage.net und dessen programmatischer Vermarkter highfivve mit der Telekom-Tochter emetriq kooperieren. Highfivve stellt emetriq pseudonymisierte Identifier sowie Interessensdaten aus Mobile, Web und Desktop zur Verfügung, die in den Datenpool der Telekom-Tochter einfließen. Aus den Daten können statistische Zwillinge identifiziert und rund 60 Segmente für das Targeting abgeleitet werden. Dadurch können Advertiser ihre Zielgruppe erweitern und Nutzer*innen ansprechen, die ihren vielversprechendsten Kund*innen ähneln.

Übrigens: Für US-Fachmedien ist neben „KI“ momentan „Barbie“ ein Top-Thema. Getragen vom groß angekündigten, gleichnamigen Kinofilm wird in den Medien diskutiert, ob Barbie eine ultimative Influencerin ist. The Drum meint, echte Influencer*innen könnten sich von der Marken-Ikone noch einiges abgucken.

In diesem Sinne. Bleiben Sie inspiriert!

(kaz) ist Fachjournalist für digitales Marketing. Seit Mitte der Nullerjahre begleitet er mit seinen Artikeln die rasanten Entwicklungen der Online-Werbebranche. Der Maschinenraum der Marketing-Technologien fasziniert ihn dabei ebenso wie kreativ umgesetzte Kampagnen. Der freie Autor lebt und arbeitet in Berlin.