Weniger Müll, weniger Kilos, weniger CO2  

Die EU will Müll reduzieren. McDonald’s macht Lobbyarbeit. H&M-Chef Thorsten Mindermann ist sensationell ehrlich. Und die neuen Abnehmspritzen könnten fürs Einsparen von Treibhausgasemissionen sorgen.
Flugzeig_Unsplash Sylvia Gorajek
Macht eine Abnehmspritze das Fliegen umweltfreundlicher? (© Unsplash)

Es gibt in Hotels Dinge, die total angenehm, aber aus Nachhaltigkeitsperspektive völlig gaga sind. Minibars zum Beispiel. Das “Zeit Magazin” bezeichnete das stromfressende Merkmal der gehobenen Hotellerie unlängst als „Schrank gewordener alter, weißer Mann der Hotelzimmerausstattung“. Sogenannte Maxibars, vulgo Getränkeautomaten in der Lobby oder auf dem Flur, kosten viel weniger Energie und entlasten das rare Personal, das all die kleinen Schränke warten, kontrollieren und befüllen musste. 

Nun geht es auch den kleinen Duschgel- und Shampoofläschchen an den Kragen. Am Dienstag passierte die „Verpackungs- und Verpackungsabfallverordnung“ den Umweltausschuss des EU-Parlaments. Sie sieht unter anderem das Ende von kleinen Hotelverpackungen für Kosmetik- und Hygieneartikel vor. Und das ist höchste Zeit. Denn: Jeder Mensch, der in der EU lebt, verursachte im Jahr 2021 im Schnitt 189 Kilogramm Verpackungsmüll. 

“Frontalangriff” auf die Fast-Food-Branche 

Neben der Hotellerie sind die Gastronomie sowie die Lebensmittel- und Kosmetikindustrie vom geplanten Verbot bestimmter Einwegverpackungen besonders betroffen, heißt es auf tagesschau.de. Die Verordnung sei „ein Frontalangriff auf das Friss-und-wirf-weg-Geschäftsmodell der Fast-Food-Branche“, befindet der Spiegel im Artikel Happy Müll. Entsprechend hatte McDonald’s versucht, die neue Verordnung zu beeinflussen – unter anderem mit der beim Beratungsunternehmen Kearney in Auftrag gegebenen Studie „No silver bullet“. Sie sollte belegen, dass Mehrwegverpackungen im Takeaway-Bereich letztlich umweltschädlicher sind als Einwegverpackungen. Nice try. 

Wie man Einwegverpackungsmüll sehr einfach reduzieren kann, zeigt die Stadt Tübingen. Sie erhebt seit Anfang 2022 eine Verpackungssteuer von 50 Cent auf Kaffeebecher, Pommestüten & Co. Die Tübinger McDonald’s-Filiale hatte übrigens gegen die neue Steuer geklagt. Vergeblich. Laut Oberbürgermeister Boris Palmer hat sich das Mehrwegangebot seit der Steuereinführung verzehnfacht, die ortsansässige Müllabfuhr berichtet von weniger Verpackungsmüll und im Rathaus stapeln sich derweil die Interessebekundungen anderer Städte.

„Das heutige System ist krank“ 

Nicht nur Fast Food, auch Fast Fashion sorgt bekanntlich für gewaltige Abfallberge. Auch hier bleibt die EU nicht untätig: Die geplante Ökodesign-Verordnung soll die Vernichtung fabrikneuer Textilien und Schuhe verbieten. Auf die ambitionierten Nachhaltigkeitsstandards der EU angesprochen, sagt Thorsten Mindermann, Zentraleuropa-Chef von H&M, im aktuellen “Manager Magazin”: „Wir begrüßen die Regularien, denn eines ist doch klar, das heutige System ist krank. Noch immer landet Mode teils ungetragen im Müll. So können und wollen wir nicht weitermachen.“ H&M müsse eine „gewaltige Transformation hin zu einem deutlich nachhaltigeren Angebot meistern“. Ob diese Transformation nun wegen des Drucks aus der EU, aus intrinsischer Motivation oder angesichts eines veränderten Konsumverhaltens geschieht, sei dahingestellt. 

Wer abnimmt, spart CO2?! 

Schon Alexander von Humboldt war überzeugt: „Alles hängt mit allem zusammen.“ Dass es aber eine Kausalität zwischen neuen Abnehmmitteln, wie Ozempic oder Wegovy, den Aktien von Junkfood-Unternehmen und dem CO2-Ausstoß von Fluggesellschaften gibt, ist dann doch erstaunlich.  

Der US-Händler Walmart, bekannt für sein professionelles Data Mining, und Betreiber von über 5200 Einkaufszentren sowie Apotheken, fand heraus: Kundschaft, die einen der hoch wirksamen Appetitzügler kauft, kauft weniger Nahrungsmittel. Diese Nachricht ging in Windeseile durch die internationale Wirtschaftspresse. Das “Handelsblatt” zitierte Experten der Bank Barclays, laut denen die Fast-Food-Industrie ein Problem bekommen könnte. Die Ausbreitung der Abnehmmittel könne die Nachfrage bei Anbietern von Snacks wie Chips und Fast-Food-Ketten drücken. Die Aktien von Snack-Herstellern gaben nach. Derweil löste der dänische Pharmakonzern und Wegovy-Hersteller Novo Nordisk den französischen Luxusgüterriesen LVMH als wertvollstes Unternehmen Europas ab.  

Was das nun mit CO2-Emissionen zu tun hat? Das schlüsselt die “Zeit” in ihrer Rubrik „Womit keiner rechnet“ auf: Demnach sagt die Investmentfirma Jefferies voraus, dass eine Airline künftig eine Treibstoffreduktion im Wert von bis zu 80 Millionen Dollar im Jahr verzeichnet, wenn der durchschnittliche Passagier etwa fünf Kilo abnimmt. Denn das wären pro Flug etwa 800 Kilo weniger Gewicht. Womit einmal mehr bewiesen wäre: Alexander von Humboldt war ein sehr kluger Mann.  

Eine gute Woche noch, und behalten Sie die Zukunft im Blick! 

(vh, Jahrgang 1968) schreibt seit 1995 über Marketing. Was das Wunderbare an ihrem Beruf ist? „Freie Journalistin mit Fokus auf Marketing zu sein bedeutet: Es wird niemals langweilig. Es macht enorm viel Spaß. Und ich lerne zig kluge Menschen kennen.“